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"Olympia", "Blood & Honour" und die österreichisch-ungarische Achse

Neues von ganz rechts - April 2016

Während Ungarn durch die restriktive Flüchtlingspolitik der Regierung Viktor Orbáns zum positiven Bezugspunkt von AsylgegnerInnen europaweit avancierte, wurden in den vergangenen Monaten auch die Beziehungen zwischen österreichischen und ungarischen Rechtsextremen merkbar intensiviert. Diese Entwicklung ist nicht auf einzelne Szenesegmente beschränkt, sondern reicht von der akademischen Burschenschaft bis hin zu Neonazi-Skinheads.

 

Nachdem die Burschenschaft Olympia bereits zum heurigen Wiener Akademikerball Ende Jänner Gäste aus Ungarn geladen hatte (siehe FPÖ-Akademikerball wieder mit Gästen von rechts außen), kündigt sie nun für den 21. April eine Veranstaltung in Wien unter dem vielsagenden Titel Revolution in Ungarn – Vorbild für Österreich? an. Ungarische Gastredner sollen laut Ankündigungstext "erklären, wie Österreich dem ungarischen Beispiel folgen kann", respektive wie "man eine patriotische Revolution in Europa [macht]".

 

Um dies zu erhellen, haben die Olympen keine Vertreter der in Ungarn regierenden FIDESZ, sondern Repräsentanten jener Opposition eingeladen, welche den Ultranationalismus und die rigide Anti-Geflüchtetenpolitik der Orbán-Partei noch zu übertreffen beansprucht: den Außenpolitik-Chef der Jobbik-Jugend sowie einen nicht namentlich genannten Vertreter der selbst noch rechts von jener anzusiedelnden, neonazistischen 64-Komitate-Jugendbewegung (HVIM). Der genannte Jobbik-Vertreter hatte bereits dem Akademikerball als Olympia-Gast beigewohnt (vgl. auch https://twitter.com/doew_at/status/710126335193161729). Auch zur HVIM pflegt er Kontakte, wie dem DÖW vorliegende Fotos beweisen. Mit ihr verbindet ihn nicht zuletzt die Sehnsucht nach einem Großungarn in den Grenzen vor Trianon (1920).

 

Die Agitation gegen diesen Friedensvertrag steht traditionell im Zentrum der Tätigkeit der HVIM, zuletzt sorgte sie aber vor allem mit militantem Vorgehen gegen Roma und Geflüchtete für Aufsehen. 2014 war sie u. a. Mitveranstalterin eines Protesttags "gegen den Völkermord des israelischen freimaurerischen Terrorstaates" in Érpatak, im Rahmen dessen die israelischen Politiker Benjamin Netanyahu und Shimon Peres symbolisch erhängt wurden (https://pusztaranger.wordpress.com/2014/08/04/rechtsextremer-burgermeister-veranstaltet-offentliche-hinrichtung-von-netanjahu-und-peres/). Alljährlich mobilisiert die HVIM auch zu diversen neonazistischen Kundgebungen anlässlich des "Tages der Ehre" (11. Februar), im Rahmen derer das Andenken der Waffen-SS verherrlicht wird. Ein von ihr online gestelltes Video des entsprechenden Aufmarsches in Skékesfehérvár am heurigen 6. Februar zeigt einen Demonstrationszug, der von einem Mann mit SS-Rune am Revers angeführt wird. Hinter dem Fronttransparent marschieren fünf Fahnenträger – neben jener der HVIM sind auch Flaggen der faschistischen Pfeilkreuzler, der Neuen Ungarischen Garde, des Neonazi-Netzwerks Blood & Honour (B&H) – und jene Österreichs vertreten. Letzteres verdankt sich einer Abordnung der österreichischen (d. h. Vorarlberger) B&H-Sektion. Deren Ungarn-Kontakte waren wenig später auch durch eine Konzertveranstaltung mit einer ungarischen Neonaziband offenbar geworden (siehe: Neonazi-Konzert in Vorarlberg).

 

Angesichts der ideologischen Verortung im Neonazismus und der entsprechenden Bündnispolitik der HVIM erscheint nicht nur deren Einladung durch eine österreichische Studentenverbindung, zu deren Mitgliedern hochrangige FPÖ-Politiker zählen, bemerkenswert, sondern insbesondere auch der Umstand, dass die Veranstaltung in den sozialen Medien von einem freiheitlichen Multifunktionär (und Olympen) offensiv beworben wird: Markus Ripfl, FPÖ-Gemeinderat in Orth an der Donau, Landesgeschäftsführer Niederösterreich des Rings Freiheitlicher Jugend (RFJ) und Obmann der Freiheitlichen Studenten (RFS) an der Universität Wien. Als Veranstaltungsort wurde ursprünglich das Hotel Hillinger in Wien-Donaustadt angeführt, dieses sagte den Olympen jedoch inzwischen ab und gab an, über die Hintergründe der Veranstaltung getäuscht worden zu sein. Ein Vernetzungstreffen der rechtsextremen Identitären Bewegung Österreich (IBÖ), welcher Ripfls Olympia-Bundesbruder Alexander Markovics als Obmann vorsteht, hatte vor gut einem Jahr, Ende Februar 2015, im selben Hotel stattgefunden. Nach ihrem nunmehrigen Rauswurf wollen die Olympen den Ersatzort nur den angemeldeten Gästen per Mail bekannt geben.

 

Bereits im Oktober hatte die im Grenzbereich zum Neonazismus zu verortende Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AFP) ihre 50. "Politische Akademie" im westungarischen Sopron abgehalten. (Siehe: AFP-Tagung an österreichisch-ungarischer Grenze) Dieser Ort sei "ganz bewußt" gewählt worden, stelle Ungarn doch eine "Grenzbastion gegen den Ansturm aus aller Welt" dar und werde dafür "von der vereinten Internationale scharf angegriffen". Auch wären "Zusammenkünfte volkstreuer Menschen" dort nicht Angriffen einer kritischen Presse ausgesetzt. Der Bericht im AFP-Mitteilungsblatt (Folge 532) enthält auch den Hinweis auf die Vorstellung "eines neuen Medienprojekts" – mutmaßlich handelte es sich dabei um die jüngste Initiative von Lászlo Toroczkai.

 

Toroczkai, Gründer und Anführer der HVIM bis 2013, lud im Dezember zu einem internationalen Vernetzungstreffen in den südungarischen Grenzort Ásotthalom, dessen Bürgermeister er ist. Toroczkai, der sich gerne als Pionier des europäischen Grenzzaunbaus inszeniert und von rechtsextremen Medien entsprechend hofiert wird, war wie Szalay heuer auf Olympia-Einladung am Wiener "Akademikerball" zu Gast. Das Vernetzungstreffen im Monat davor diente als Kickoff-Veranstaltung für ein Projekt namens Custodela, das eine geeinte (Online-)Propagandatätigkeit europäischer Rechtsextremer gegen Multikulturalismus und jede Art von Zuwanderung zu verwirklichen sucht. Der deutschen rechtsextremen Zeitschrift ZUERST! (Feber 2016, S. 41 ff.) zufolge nahmen an dem Treffen auch Gäste aus Österreich teil. Auch hier führen die Spuren zur Olympia: der Bericht über die Veranstaltung im Feber-ECKART (S. 22) wurde vom vorerwähnten Olympen Alexander Markovics verfasst, der am heurigen Akademikerball auch mit Szalay posierte. In seinem Bericht erwähnt Markovics auch die HVIM – in der verharmlosenden Bezeichnung als "nationalistische [...] Bewegung". Die in Linz erscheinende rechtsextreme Zeitschrift Info-DIREKT veröffentlichte ein von Markovics "im Dezember" geführtes Interview mit Toroczkai. Passagen desselben fanden sich – ohne Angabe über den Interviewer – wortgleich in der Februar-Ausgabe des vom Unternehmer Ronald Seunig herausgegebenen Querfront-Magazins alles roger? (siehe: "Alles roger?" mit Antisemitismus). Für eine Teilnahme Markovics' am Treffen der Toroczkai-Initiative spricht nicht zuletzt auch der Umstand, dass der IBÖ-Obmann just am 20. Dezember, dem zweiten Tag der Veranstaltung, sein Facebook-Profilbild mit einem Motiv aktualisierte, das ihn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vor dem Grenzzaun von Ásotthalom zeigt. Im Sommer soll es laut ZUERST! ein Folgetreffen des Custodela-Projekts der Toroczkai-Initiative geben.

 

Ganz in die von Toroczkai vorgegebene Mission fügt sich schließlich die seit März aktive Internetpräsenz Unser Mitteleuropa. Betrieben wird die Seite laut Selbstdarstellung von einer "Gruppe patriotischer Menschen aus Deutschland, Österreich und Ungarn". Die parteipolitischen Sympathien für AfD, FPÖ und Jobbik (bei gleichzeitiger Gegnerschaft zu FIDESZ) sind unverkennbar. Neben Ton, Themensetzung und Wertungen deutet auch der Umstand auf eine Involvierung von Olympen hin, dass die Burschenschaft auf ihrer Facebook-Veranstaltungsseite zum 21. April just auf diese Seite verweist.

 

 

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