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"ZurZeit": "Corona-Wahnsinn" von rechtsaußen

Neues von ganz rechts - Mai 2020

 

Die Wochenzeitung ZurZeit war bei ihrer Gründung 1997 mit dem Anspruch angetreten, alles zu publizieren, "was klug und nicht links ist". Während man dem zweiten Teil dieses Slogans bis heute treu geblieben ist, wurde der erste unter dem Einfluss der Corona-Pandemie offenbar endgültig aufgegeben – zugunsten eines schrillen Feldzugs gegen die Vernunft.

 

In Ausgabe 15-16/2020 insinuiert ein Autor, dass die Corona-Krise das Resultat "[b]iologische[r] Kriegsführung" durch China sei (eine These, die vom selben Autor in einem Online-Beitrag noch expliziter ausgeführt wurde (siehe: Die extreme Rechte in Zeiten von Corona - Teil 2). Ein weiterer Beitrag in derselben ZurZeit-Ausgabe qualifiziert schlicht "das ganze Land" (China) als "Brutstätte für Seuchen aller Art" (S. 24), einem dritten zufolge hätten "[d]ie Chinesen [...] das Virus in die Welt [gesetzt], ob ihrer barbarischen Esskultur" (S. 50).

 

Während in diesen Einlassungen von einer (mehr oder weniger intentionalen) chinesischen Urheberschaft der Pandemie ausgegangen wird, zeigen andere Autoren der Nummer sich überzeugt, einer noch größeren Verschwörung auf der Spur zu sein. Friedrich P. Ost (mutmaßlich ein Pseudonym) zufolge steht der SARS-Cov2-Virus im Dienst eines düsteren Plans, "den Weg zur 'Neuen Weltordnung' [zu] beschleunigen". Ein "globale[r] Ausnahmezustand" werde inszeniert, um "aus globalen Tätern und Kriminellen zuletzt noch Weltenretter" zu machen. Am Ende stünde "die Eine-Welt-Ordnung der Globalisten", deren "viral ausufernde Globalherrschaft auf unumkehrbar" gestellt werden solle. Der Virus habe dabei bereits jetzt "die Erwartungen seiner Meister übererfüllt". Eine ähnliche Einschätzung liefert der geschäftsführende Redakteur von ZurZeit, Bernhard Tomaschitz: ihm zufolge rufe die Corona-Krise "natürlich bestimmte Kreise auf den Plan, die eine Chance sehen, die Umsetzung der Neuen Weltordnung zu beschleunigen", und dabei die Weltbevölkerung zu "Versuchskaninchen in einem gewaltigen Experiment" machten.

 

Den skurrilen Höhepunkt der Nummer liefert ein Interview mit einem "Endzeitprophet[en]", der eine dritte Erklärung für den Ursprung der Pandemie liefert: der Virus sei eine Strafe Gottes, wie ihm "im Jenseits von der Gottesmutter" offenbart worden sei.

 

Nebenher wird in der Ausgabe das autoritär regierte Belarus für seine indifferente Haltung zur Pandemie gelobt. Die Lukaschenko-Autokratie, für welche ZurZeit schon wiederholt Sympathien hatte erkennen lassen, erweise sich nun als "ein letzter Hort der Freiheit".

 

Die Folgenummer (Nr. 17) schenkt der Covid-19-Pandemie weniger Aufmerksamkeit und widmet sich stattdessen Altbekanntem – wie der Rede von Menschenrechten als "eine[m] der kommunistischen Kampfbegriffe", denen die "Rechte der einheimischen, weißen Europäer" gegenübergestellt werden; dem Hinweis, dass Lenins Großvater "sich ursprünglich Israel Blank" genannt hätte; oder der wiederholten Beschwerde darüber, heute das N-Wort nicht mehr gebrauchen zu sollen.

 

In Nr. 18 feiert die Corona-Thematik ein Comeback – u. a. in Form von antichinesischem Rassismus ("Die gelbe Gefahr"), eines Berichts über "Rassenunruhen" in Paris im Zuge der Pandemiebekämpfung und offensiver Bewerbung der FPÖ-"Allianz gegen den Corona-Wahnsinn". Einem Leserbriefschreiber bleibt die Aufforderung überlassen, "sich endlich gegen die türkis-grünen Hysteriker aufzulehnen und diese auf Panik setzende Bundesregierung, die Staat und Gesellschaft ruiniert, auf dem Müllhaufen der Geschichte zu entsorgen!". Tomaschitz bemüht seinerseits erneut das Feindbild der "Globalisten und der Verfechter der Neuen Weltordnung" – nun erweitert um den Aspekt, dass diese hinter der EU stünden und deren Zentralisierung in der Corona-Krise vorantreiben würden.

 

Ohne expliziten Bezug zur Pandemie-Thematik nimmt Detlef Kleinert die "Globalisierer" ins Visier. Das Wesen der Globalisierung charakterisiert eine Bildunterschrift wie folgt: "Die Unterschiede zwischen den Völkern, Rassen und Kulturen sollen beseitigt werden. Am Ende soll ein leicht manipulierbarer Einheitsmensch stehen." (S. 48 f.) Im Artikel selbst wird George Soros als "einer der erfolgreichsten Zerstörer demokratischer Gesellschaften" beschrieben und ihm – einmal mehr – das "Vorhaben" unterstellt, "Millionen sogenannter Flüchtlinge nach Europa zu schleusen und damit die europäische Kultur zugrunde zurichten [sic!]". Es handle sich dabei um den "kranke[n] Plan eines alten perversen Mannes". Abgerundet wird der Text von Phantasien über angebliche Pläne, die "weiße[] Rasse Europas" durch gezielte Vermischung mit ImmigrantInnen abzuschaffen.

 

Christian Schwochert bleibt es vorbehalten, neben dem rassistischen auch das homophobe Register zu bedienen. Er freut sich über eine polnische Gesetzesinitiative gegen Sexualaufklärung an Schulen. Polen wehre sich damit dagegen, "dass sein Volk mit moralzersetzenden Ideologien vergiftet wird". Die Regierungspartei PiS wird von Schwochert dafür gelobt, "Aktivitäten für LGBTIQ-Rechte [...] als schlechten ausländischen Einfluss, der die nationale Identität bedroht, erkannt und entsprechende Maßnahmen ergriffen" zu haben.

 

Das Inserateaufkommen von ZurZeit wird inzwischen fast gänzlich von der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), einschließlich ihrer Vorfeldorganisationen, ihrer Parteiakademie und ihrer Europaparlaments-Fraktion, getragen. Dementsprechend macht man keinerlei Anstalten mehr, auch nur den Anschein einer journalistischen Distanz zwischen Zeitschrift und Partei zu wahren. Illustriert wird der Grad an Identifikation etwa durch die Kolumnen von Co-Herausgeber Walter Seledec, der in allen hier besprochenen Ausgaben die Lage der FPÖ in der Wir-Form analysiert. "[I]m Interesse unserer Wähler und Unterstützer: Bereitet euch auf die große Abrechnung am Ende des Tages [nach der Corona-Krise] vor! Das erwartet man von uns!", heißt es etwa in Nummer 17.

 

 

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