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Die extreme Rechte in Zeiten von Corona

Neues von ganz rechts - März 2020

 

Die Covid-19-Pandemie lässt keinen Bereich des öffentlichen Lebens unbeeinflusst. Auch die extreme Rechte macht hier keine Ausnahme. Sie kann ihre propagandistische Tätigkeit offline nicht wie gewohnt entfalten, Veranstaltungen wurden abgesagt oder stehen vor der Absage. So ist etwa eine Durchführung des jährlichen Ustaša-Nostalgietreffens im Kärntner Bleiburg/Pliberk Mitte Mai, zu dem im heurigen Jubiläumsjahr zehntausende TeilnehmerInnen erwartet wurden, inzwischen auch gesundheitspolitisch nicht mehr zu verantworten (siehe: kurier.at/chronik/oesterreich/erstmals-seit-69-jahren-kein-rechtsextremer-aufmarsch/400788152).

 

Während der Offline-Aktionismus pausiert, zeigt die rechte bis rechtsextreme Medienlandschaft sich online sehr rührig und kann mit "alternativen" Sichtweisen auf die Corona-Krise teils erhebliche Reichweitensteigerungen erzielen, wie der Data Scientist Josef Holnburger anhand von Telegram-Kanälen mit Schwerpunkt Deutschland aufzeigt (siehe: twitter.com/holnburger/status/1244559851524677637). Auch in österreichischen Medien des rechten Randes stellt die Pandemie dieser Tage das zentrale Thema dar. Dabei lassen sich einzelne Rahmungen und Erzählungen herausfiltern, die sich im rechtsextremen Online-Diskurs aktuell besonderer Beliebtheit erfreuen.

 

  • Hinsichtlich der Einschätzung der aktuellen Entwicklungen dominiert eine skeptische Betrachtungsweise. Sie reicht von der Annahme, dass die Situation überdramatisiert werde – gerne belegt mit "kritischen Stimmen" vermeintlicher Experten – bis hin zu ausgewachsenen Verschwörungstheorien über eine vermeintliche "Urheberschaft" der Krise und die dahinterliegenden "Motive" (die Budapester Denkfabrik Political Capital hat anhand der ungarischen Online-Desinformationslandschaft Kategorien solcher Verschwörungstheorien identifiziert; siehe: www.eurozine.com/gone-viral). Über die Stoßrichtung – traditionell-antiamerikanisch/-antisemitisch oder modern-antichinesisch – herrscht dabei noch Uneinigkeit.

  • Die von europäischen Regierungen zur Eindämmung der Pandemie getroffenen Maßnahmen werden teils als überschießende, teils schlicht als unzulässige Eingriffe in bürgerliche Freiheiten gewertet, was sich trefflich in die ohnehin seit Jahren von rechts getrommelte Erzählung eines herandräuenden "neuen Totalitarismus" fügt.

  • Maßnahmen von offizieller Seite gegen "Fake News" und Desinformation im Zusammenhang mit der Pandemie werden als Zensur bzw. unzulässige Einschränkungen von Meinungsfreiheit dargestellt. Auch das dabei beklagte, vermeintliche "Meinungskartell" von Regierenden und Mainstream-Medien stellt seit geraumer Zeit ein beliebtes Angriffsziel der extremen Rechten dar, zumal Maßnahmen gegen Desinformation sie in ihrer Geschäftsgrundlage angreifen und daher schon aus wohlverstandenem Eigeninteresse abgelehnt werden.

  • Wie jeder Gegenstand der öffentlichen Debatte wird auch die Covid-Pandemie auf das Kernthema der extremen Rechten hin zugespitzt: ihr Streben nach maximaler ethnischer Homogenität. Die Gesundheitskrise wird dabei als Argument für die Umsetzung altbekannter Forderungen instrumentalisiert: die temporäre Suspendierung (oder überhaupt die dauerhafte Abschaffung) des Asylrechts, mehr oder weniger dauerhafte Grenzschließungen, pauschale Ausgangssperren für Asylwerbende und eine Forcierung des Abschiebewesens.

  • Im Einklang mit der seit je von rechtsaußen geübten Feindbildpflege werden einzelne Fälle, in denen "Ausländer" oder Angehörige anderer missliebiger Minderheiten die Krise (angeblich oder tatsächlich) auszunutzen versuchten oder offizielle Anordnungen missachteten, genüsslich ausgeweidet. Kernbotschaft ist dabei die Setzung, dass die jeweilige Feindbildgruppe sich über die Regeln erhebe, denen die autochthone Mehrheitsbevölkerung sich zu unterwerfen habe – und ihr dies von einer "inländerfeindlichen" Politik auch zugestanden werde.

  • Mit Blick auf die Zeit nach der Bewältigung der Krise wird geargwöhnt, dass Letztere als Legitimation für allerlei drohendes Ungemach herangezogen werden solle – von einer dauerhaft verschärften Zensur und Überwachung bis hin zur Abschaffung des Bargelds .

  • Gleichzeitig kann auch aus rechtsextremer Perspektive der Krise Positives abgewonnen werden. Man ortet eine Renaissance volksgemeinschaftlicher Verbundenheit, einen Rollback vermeintlicher "Dekadenzerscheinungen" in den Bereichen Geschlechterverhältnis und Sexualität und sieht sich in der eigenen Weltanschauung bestätigt: so unterstreiche die Pandemie, dass der "Globalismus" gescheitert sei und durch eine Stärkung der Nationalstaaten überwunden werden müsse – u. a. in Form der Abschaffung transnationaler Bewegungsfreiheiten, einer Renationalisierung des Wirtschaftslebens und des Ausbaus nationaler Autarkie.

 

 

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