logo
logo

"Wilde Euthanasie" am Steinhof

Aus: Peter Schwarz: Mord durch Hunger. "Wilde Euthanasie" und "Aktion Brandt" am Steinhof in der NS-Zeit, Vortrag im Rahmen des Symposions "Zur Geschichte der NS-Euthanasie in Wien", Wien, Mai 2000

 

 

Die "wilde Euthanasie" am Steinhof setzte Ende 1941 nicht im luftleeren Raum ein, sondern sie war die Weiterführung des Massenmordes an geistig und körperlich Behinderten mit anderen Mitteln. Natürlich waren die Morde an den - wie sie in der NS-Diktion abfällig bezeichnet wurden - "Ballastexistenzen", den "unnützen Essern" weiterhin rassistisch und rassenhygienisch motiviert. Mit der Vernichtung von "lebensunwertem Leben" sollte der in den Augen der Nazis vor sich gehenden "negativen Auslese" durch den Krieg, der ihrer Sicht nach den Tod bzw. die Verstümmelung der Gesunden und dafür das Überleben der Kranken fördern würde, massiv entgegengewirkt werden. Vor dem Hintergrund dieses biopolitischen Vernichtungskonzepts treten aber bei der "wilden Euthanasie" die kriegswirtschaftlichen Motive, die schon bei der Begründung der Aktion "T4" eine wesentliche Rolle gespielt haben, stark in den Vordergrund. Die auf der rassenhygienischen Ideologie beruhenden Massenmorde waren auch von enormem kriegswirtschaftlichen Interesse: Es ging darum, Lazarettraum - später Hilfskrankenhäuser für Bombenopfer - zu schaffen, Spitalspersonal freizustellen, Nahrungsmittel, Medikamente, Verbandsmaterial, aber auch Brennstoffe und andere Ressourcen einzusparen bzw. für die rassisch "Höherwertigen" sicherzustellen, v. a. aber sollten die Sozialkosten zugunsten der Kriegswirtschaft dramatisch reduziert werden. (30)

 

Die Nationalsozialisten waren keineswegs die ersten, die im Bereich der Heil- und Pflegeanstalten in Österreich zu eisernen Einsparungen griffen, dafür aber die radikalsten. Die wesentliche Schlechterstellung beim Verpflegskostensatz der Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof gegenüber den anderen Wiener Krankenanstalten geht beispielsweise bereits auf einen Beschluss des Wiener Bürgermeisters vom 17. Mai 1935 zurück. (31) Es handelt sich bei dieser Neuregelung des Verpflegskostensatzes meines Erachtens um jenen so genannten "Halbierungserlass", der in der Literatur herumgeistert und fälschlicherweise den Nationalsozialisten in die Schuhe geschoben wird. (32) Diese Neubestimmung reduzierte die Einnahmen für die Heil- und Pflegeanstalt Steinhof empfindlich. Ab nun erhielt sie ebenso wie die Anstalt Ybbs pro Pflegling täglich 2,80 RM an Verpflegskosten von Seiten des Versicherungsträgers. Zum Vergleich: Das Allgemeine Krankenhaus erhielt für einen Patienten der III. Verpflegsklasse einen Verpflegskostensatz von 7,33 RM. (33) Zur selben Zeit lag der Verpflegskostensatz beim nationalsozialistischen Nachbarn in den bayrischen Anstalten durchschnittlich mit 3 RM sogar um 20 Pfennig über dem Steinhof-Kostensatz. (34)

 

Mit der Aktion "T4" erreichten die Nationalsozialisten am Steinhof allerdings eine ganz neue Qualität der Einsparung, die vorher beinahe unvorstellbar war. Zur Erinnerung: Im Zeitraum vom 9. Juli 1940 bis zum 6. März 1941 wurden vom Steinhof mehr als 3.200 PatientInnen in 15 größeren Transporten zum Teil über die als Tarnungs- und Zwischenstationen dienenden Anstalten Niedernhart bei Linz und Ybbs an der Donau in die Vernichtungsanstalt Hartheim bei Linz transferiert und dort vergast. (35) Mit dem Abtransport und der Ermordung der PatientInnen verringerte sich am Steinhof die Zahl der Verpflegten von 7449 im Jahr 1940 auf 4605 im Jahr 1941 (» Tabelle 1), die insgesamten Verpflegstage gehen von 1,491.582 (1939) auf 656.000 (1941), also beinahe um 900.000, zurück. (36) Diese Entwicklung lässt sich leider nicht mit Zahlenmaterial aus den Haushaltsplänen der Heil- und Pflegeanstalt dokumentieren, da solche in den Direktionsakten nicht vorhanden sind. Die in den Statistischen Jahrbüchern der Stadt Wien veröffentlichten Budgetzahlen sind wiederum nur sehr vorsichtig zu interpretieren, da sich die Einnahmen und Ausgaben auf sämtliche Wiener Heil-, Pflege- und Nervenanstalten beziehen und es sich bei den Zahlen um globale Betriebssummen handelt, die nicht nach Personal-, Sach- und Pfleglingsaufwand differenzieren. Dennoch ist auf der Einnahmenseite im Zeitraum 1940 bis 1941 ein Verlust von mehr als 1 Million RM nachweisbar (» Tabelle 2). (37)

 

Im Zuge der Aktion "T4" werden aber auch für die Heil- und Pflegeanstalt radikal geänderte Strukturen und Voraussetzungen hergestellt, wobei die Euthanasie unter den Bedingungen der Kriegswirtschaft in Form des Hungersterbens, einer der sparsamsten und gleichzeitig grausamen, aber auch "unverdächtigen" Varianten des Mordens, fortgeführt wurde. Diese verheerenden Weichenstellungen waren Ergebnis eines Zusammenspiels von Entscheidungen der Anstaltsleitung, des Wiener Hauptgesundheitsamtes, der Wiener Gauleitung, der Zentraldienststelle "T4" in Berlin und des Reichsbeauftragten für die Heil- und Pflegeanstalten. (38) Der am Steinhof durch die Aktion "T4" frei gewordene Anstaltsraum kam nicht der Heil- und Pflegeanstalt zugute, sondern wurde mit einer Reihe von neuen Institutionen aufgefüllt. (39) Den Anfang dürfte die Einquartierung des Reservelazaretts VIIc im Pavillon 12 gemacht haben. Das Reservelazarett VIIc, das 100 Betten umfasste, war als Fachlazarett für Psychiatrie eingerichtet, in das in erster Linie Selbstmörder aus der Wehrmacht eingeliefert werden sollten. (40) Die Leitung des Lazaretts oblag dem früheren Abteilungsvorstand der Heilanstalt Frauen am Steinhof, dem nunmehrigen Oberstabsarzt Prim. Dr. Leopold Pawlicki. (41) Bei der Sichtung von Krankengeschichtsakten von Lazarettpatienten ist augenfällig, dass diese oftmals in die Heilanstalt am Steinhof zwecks Behandlung von Kriegstraumata bzw. -psychosen überstellt wurden. Die Behandlung bestand großteils aus der Verabreichung von ein bis zwei Dutzend Elektro-Schocks. (42) Ob es sich dabei um die bereits aus dem Ersten Weltkrieg bekannte Faradisierung handelt, bei der Kriegsverweigerer wieder frontdiensttauglich gemacht werden sollten, wage ich nicht zu beurteilen. Es wäre allerdings lohnend, in einem eigenen Forschungsprojekt den Bestand der Krankengeschichtsakten des Reservelazaretts, der vom Bundessozialamt verwaltet wird, genauer zu untersuchen. (43) Ab 1940 wurden in Pavillons der Heil- und Pflegeanstalt folgende weitere Institutionen untergebracht: die Jugendfürsorgeanstalt Am Spiegelgrund samt Sonderschule, die Heilpädagogische Klinik Am Spiegelgrund, später umbenannt in Wiener Städtische Nervenklinik für Kinder sowie die so genannte Arbeitsanstalt für asoziale Frauen. (44)

 

Mit der Umwidmung dieser Pavillons wurde die räumliche Kapazität der Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof um ca. die Hälfte reduziert. Dies führte in den Folgejahren zu einer immensen Überbelegung der Anstalt, da insbesondere ab 1943 der normale Patientenzuwachs durch Sammeltransporte aus dem Altreich ("Aktion Brandt"), aber auch durch Transporte aus anderen Anstalten extrem gesteigert wurde. Im September 1944 mussten laut Bericht des neuen Anstaltsdirektors, Doz. Dr. Hans Bertha, 260 Patienten auf Erdlager einquartiert werden. In seinem Auftrag wurden deshalb 100 Doppelbetten bestellt. (45) Der aus dem steigenden Patienten zuwachs resultierenden Überbelegung der Anstalt stand auf der anderen Seite die drastische Reduktion des Ärzte- und Pflegepersonals gegenüber: Bereits im Dezember 1940 wurden von 27 Ärzten 7 in den Kriegsdienst eingezogen, von 443 PflegerInnen waren schon 110 Pfleger eingerückt. Ein Jahr später stieg die Zahl der kriegsdienstverpflichteten Ärzte auf 8, bei den Pflegern auf 194. (46) Insgesamt fiel etwa ein Drittel des Pflegepersonals und ein Viertel des Ärztepersonals weg. Bei einem Patientenstand am Ende des Jahres 1941 von 2177 und bei einem vorhandenen Personal von 314 PflegerInnen entspricht das Verhältnis Pfleger-Patienten 1 : 6,93 (Pflegeschlüssel). Bei den damaligen therapeutischen Anforderungen wurde die Obergrenze des Pflegeschlüssels von 1 : 7 angenommen, bei dem gerade noch die Versorgung der Patienten gewährleistet werden konnte. (47) Eine Überschreitung dieser Grenze schlug nach damaliger Lehrmeinung unmittelbar in eine qualitative Verschlechterung der Krankenpflege um. Es liegt auf der Hand, dass sich vor dem Hintergrund des totalen Krieges - zwischen 1943 und 1945 - dieser Pflegeschlüssel dem Verhältnis von 1 : 10 annäherte. (48) Das Gros der PatientInnen war extrem vernachlässigt und blieb sich selbst überlassen.

 

In dem Hexenkessel von Überbelegung, Personalreduktion und pflegerischer Vernachlässigung mussten Faktoren wie Kälte, Medikamentenknappheit, Nahrungsmittelkürzung bzw. -entzug sowie die zunehmende Ausbreitung von Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, Ruhr und Typhus katastrophale Folgen zeitigen. Es ist jeder dieser Faktoren für sich schon lebensbedrohend, unter den geschilderten Bedingungen am Steinhof mussten sie - in Summe genommen - einander noch in ihrer letalen Wirkung potenzieren. So ist es evident, dass die Sterblichkeitsrate in den Wintermonaten jedesmal anstieg (» Tabelle 3). (49) Die Pavillons wurden infolge von akutem Kohlenmangel sparsamst beheizt. (50)

 

Der mit Abstand schlimmste Faktor der nationalsozialistischen Sparpsychiatrie war jedoch die unzureichende Versorgung der PatientInnen mit Nahrungsmitteln. Die Lebensmittelversorgung war reichseinheitlich mit Erlass des Reichsernährungsministeriums vom 15. Februar 1940 (II/1b-150) geregelt: Darin waren die Zuschläge für Patienten der Allgemeinkrankenhäuser, Tuberkulose-Heilstätten, Kinderkrankenhäuser und Entbindungsanstalten genau geregelt. In Absatz III wurde festgelegt, dass Sonderzuschläge für sonstige Fachanstalten (z. B. Trinkerheilstätten, Heilstätten für Süchtige und Geschlechtskranke), darunter auch Heil- und Pflegeanstalten für Geisteskranke und Epileptiker, nicht in Betracht kommen. (51)

 

Das wahre Ausmaß des Hungersterbens am Steinhof in den Jahren 1942 bis 1945 wird ersichtlich, wenn man einen Blick auf die Entwicklung der Sterblichkeitsrate wirft: Sie klettert 1944 auf 22,14 %, um sich 1945 auf 42,76 % beinahe noch zu verdoppeln (» Tabelle 1). (52) Die Wahrheit kam ärztlicherseits erst im Mai 1945 ans Tageslicht, als der neue Direktor Prim. Dr. Pawlicki in einem ärztlichen Bericht einbekannte: "Infolge der kritischen Ernährungslage hat die Gewichtsabnahme und die Sterblichkeit bei den Patienten bereits in den vergangenen Monaten in bedenklichem Ausmaß zugenommen. [...] Weiters wird bei den Kranken auf den einzelnen Abteilungen das Auftreten von ausgesprochenen Inanitionserscheinungen (Hungerödemen) beobachtet." (53) An anderer Stelle beschreibt der Verwaltungsdirektor Bock die tatsächlichen Lebensmittelrationen der Patienten für die letzten Monate 1944/45: "Bei einer Wochenquote von 0,5 kg Brot pro Pflegling ist das Hauptnahrungsmittel die Kartoffel. Es ist selbstverständlich, dass die seinerzeit festgesetzte Wochenquote von 1 kg pro Person nicht eingehalten werden kann, weil [...] in dieser vorgeschrittenen Jahreszeit der Schwund immer größer wird. [...] Milch wird nur an die Kinder abgegeben. Die vorhandenen geringen Mengen an Reis, Marmelade, Honig [...] werden nur Kindern und Kranken zugewendet." (54) Über Fleisch heißt es nur, dass eine Anlieferung wie bei der Milch dringend notwendig sei. (55)

 

Die Ernährung der Patienten wurde in den Jahren 1942 bis 1945 bewusst fett- und fleischarm gehalten. Die Krankengeschichtsakten und Briefe von Pfleglingen sagen mehr über die Ernährungslage, als es die ärztlichen Berichte tun. Oftmals finden sich nur lapidare Eintragungen wie "klagt über Hunger", "bettelt um Essen", "stiehlt dem Nachbarn sein Stück Brot". (56) Es sind auch Streitigkeiten und regelrechte Prügeleien um Lebensmittel unter den Patienten dokumentiert. Ein aus München-Gladbach stammender 16-jähriger Pflegling schreibt im Januar 1945 an seine Eltern: "Liebe Eltern! [...] Hier ist es sehr schlecht, wir kriegen nur eine Schnitte Brot und ein bisschen Kaffee. [...] Wir liegen den ganzen Tag im Bett. [...] Liebe Mutter, die Kinder werden nie satt gemacht. Die Männer kriegen mehr als wir, wir sollen Hunger leiden. [...] Die schlechten Grüße sendet Dir Dein Josef." (57) Der Brief hat die Eltern von Josef nie erreicht. Einem anderen 13-jährigen München-Gladbach Patienten gelang es, aus einem Kellerraum Fett und Marmelade zu entwenden. Der Diebstahl wurde entdeckt, der 13-jährige unter der Auflage "C-Kost" (Strafdiätkost) auf den Pavillon 6 versetzt, den "Pavillon für Unruhige", der im Patientenjargon "Strafpavillon" genannt wurde, danach machte er nur noch einen "ruhigen, braven" und verschüchterten Eindruck. (58) Darüber hinaus ist auffällig, dass zwar in den Krankengeschichtsakten die gewaltigen Gewichtsabnahmen penibel verzeichnet werden, sich aber in den Obduktionsbefunden der Prosektorin Dr. Uiberrak - entgegen pathologischer Gepflogenheit - niemals eine Beschreibung des äußeren Zustands einer Leiche findet. Interessant ist in diesem Kontext, dass just in jenem aufgefundenen Fall, es handelt sich dabei um einen verstorbenen Wehrmachtsangehörigen, der nicht von Dr. Uiberrak, sondern vom Militärpathologen obduziert wurde, das Protokoll der Leichenöffnung sofort mit dem Satz beginnt: "170 cm lange Mannesleiche [...] in schlechtem Ernährungszustand." (59)

 

Wichtig scheint mir auch, auf den Zusammenhang zwischen Unterernährung und Infektionskrankheiten hinzuweisen. Was Hermann Arnold in seinem Aufsatz "Hunger" über die Wechselbeziehung zwischen Tuberkulose und Hunger aussagt, kann auch auf andere Infektionskrankheiten wie Ruhr und Typhus übertragen werden: "Hungernde Menschen sind in extrem hohem Maße der Tuberkulose ausgeliefert und Tuberkulosekranke, die chronisch hungern, dem baldigen Tode." (60) Bei der Übertragung von Krankheiten dürften die Infektionspavillons 19 und 22 eine besondere Rolle gespielt haben, dazu aber später. Das exorbitante Ausmaß des Hungersterbens spiegelt sich auch in den Krankengeschichtsakten von 341 verstorbenen männlichen Patienten, die genauer ausgewertet wurden: Von diesen im Zeitraum 1941 bis 1946 verstorbenen Patienten wird mit 162 Fällen Marasmus als häufigste Todesursache angegeben. Als Marasmus wird eine hochgradige Abmagerung aufgrund quantitativer Unterernährung bezeichnet. 88 Patienten starben an Lungenentzündung, in 71 Fällen wird Herzinsuffizienz, in 53 Fällen Lungentuberkulose und in 62 Fällen Dick- und Dünndarmentzündungen als Todesursache genannt. Symptome des Hungersyndroms finden sich beinahe in jeder einzelnen dieser 341 Krankengeschichtsakten: Rapide Gewichtsabnahme, starker Durchfall, Ödeme, Verdacht auf Infektionskrankheiten. Besonders bei blutigem Dünnstuhl wird oftmals "Ruhr?" in Klammer geschrieben. (61)

 

Die "wilde Euthanasie" erfährt am Steinhof mit der Ernennung des "überzeugten, einsatzfreudigen und aktiven Nationalsozialisten" (62) Dozent Dr. Hans Bertha am 1. Januar 1944 zum Direktor der Heil- und Pflegeanstalt eine radikale Qualitätsänderung: Unter der Ägide des fanatischen Rassenhygienikers und ehemaligen "T4"-Gutachters (63) Bertha stiegen die Todesfälle am Steinhof explosionsartig an. 1944 war Bertha an den Diskussionen über die so genannte "E-Frage" der führenden Reichspsychiater beteiligt, der Euthanasie unter den Bedingungen des fortwährenden Krieges. Es ging dabei um das lautlose Töten mit Medikamenten, aber auch durch Hunger, obwohl dies von Prof. Hermann Paul Nitsche und anderen Euthanasie-Verantwortlichen wegen der Zielungenauigkeit abgelehnt wurde. (64) Dr. Bertha wollte sich als Motor der Euthanasie fühlen, von Beginn seiner Tätigkeit als Direktor am Steinhof an war er bemüht, die "wilde Euthanasie" effizienter zu gestalten. In einem Schreiben vom 18. Jänner 1944 - zwei Wochen nach der Amtsübernahme - an die Personalabteilung des Anstaltenamtes begründet er die Notwendigkeit der Einstellung einer Schreibkraft für die Prosektur folgendermaßen: "Im Jahr 1943 wurden 782 Verstorbene seziert und rund die Hälfte der sezierten Gehirne der histologischen Untersuchung zugeführt. [...] Im Zuge der erbbiologischen Forschung ist geplant, in Hinkunft sämtliche Verstorbene - also durchschnittlich 1400 - der Obduktion zuzuführen. Die Prosektorin [...] ist daher nicht imstande, auch noch schriftliche Arbeiten zu verrichten." (65) Selbst wenn man zur Zahl der 1943 verstorbenen Patienten der Heil- und Pflegeanstalt die Verstorbenen der Nervenklinik für Kinder Am Spiegelgrund addiert, ist man von der Zahl 1400 noch relativ weit entfernt. Bertha ging also bereits im Jänner 1944 davon aus, dass hinkünftig mit einem Plansoll von beinahe doppelt so vielen Todesfällen wie 1943 zu rechnen sei. Vom 3. bis 5. Juli 1944 fand am Steinhof eine Tagung statt - ob auf Initiative von Bertha wissen wir nicht -, bei der Direktoren psychiatrischer Anstalten aus dem gesamten Deutschen Reich das weitere Vorgehen in der Euthanasie-Frage erörterten. Was genau besprochen wurde, ist gleichfalls nicht bekannt. In der Folge wurde jedenfalls am 17. August 1944 in Berlin eine Ausweitung der Krankentötung beschlossen. (66) Tatsache ist, dass im Oktober 1944 erstmals mehr als hundert Patienten verstarben (» Tabelle 3). (67)

 

Einen zweiten Höhepunkt erreichte das Massensterben am Steinhof ab April 1945, wofür die mit der Befreiung durch die Rote Armee einsetzende besonders große Hungersnot in Wien ausschlaggebend war. Die monatliche Sterberate lag nun über 200. (68) Nach dem Ende der NS-Herrschaft werden in den Akten zum ersten Mal die Infektionskrankheiten, denen Hunderte Patienten zum Opfer fallen, beim Namen genannt. Zunächst wird der Pavillon 13 als zusätzlicher Infektionspavillon rekrutiert, anschließend im Juli 1945 in den Pavillons der aufgelassenen Fürsorgeanstalt Am Spiegelgrund ein zentrales Infektionskrankenhaus eingerichtet. (69) Die Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof erhält in dieser schwierigen Situation eine Fülle an Lebensmittel- und Medikamentenspenden von Seiten der russischen, später der französischen Besatzer, von Seiten des Irländischen Roten Kreuzes, von den amerikanischen Quäkern und von der "Schweizer Spende", um nur einige Hilfsorganisationen zu nennen. (70) Trotz aller Anstrengungen war die Sterberate 1945/46 nicht auf das Vorkriegsniveau zu senken. Die Folgen der nationalsozialistischen Psychiatriepolitik blieben weiterhin spürbar, die vom NS-Regime hergestellten Rahmenbedingungen, aber auch die Personalkontinuität ließen sich nicht beseitigen. Im Zeitraum 1942 bis 1945 forderte die "wilde Euthanasie" am Steinhof insgesamt mehr als 3500 Opfer, von 1938 an gerechnet beträgt die Zahl der NS-Opfer über 4300 (» Tabelle 4).

 

 

Tabellen

 

Tabelle 1
Sterblichkeitsrate in der Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof 1935-1948, 1952, 1962

 

Jahr Verpflegte/Jahr Sterbefälle Sterblichkeitsrate
1935 7867 625 7,95 %
1936 7903 516 6,53 %
1937 8274 631 7,63 %
1938 8306 701 8,44 %
1939 7709 749 9,72 %
1940 7449 795 10,67 %
1941 4605 640 13,9 %
1942 4492 742 (746) 16,52 %
1943 4771 851 (859) 17,84 %
1944 5145 1139 (1155) 22,14 %
1945 5182 2216 (2303) 42,76 %
1946 3803 726 19,1 %
1947 4295 561 13,06 %
1948 4970 600 12,07 %
1952 6600 701 10,62 %
1962 8113 867 10,68 %

 

Quelle: PKH Baumgartner Höhe, Statistiken; Zahlen in Klammern: Eigene Nachzählungen im Zuge der Erstellung einer Datenbank nach den Indexbüchern (Indexbuch Männer 1945: Buchstabe A kaum leserlich; ca. 50 Männer dürften in der Auflistung fehlen).

<< zurück

 

 

 

Tabelle 2
Finanzgebahrung der Gemeinde Wien (ordentlicher Haushalt): Einnahmen und Ausgaben
Budgetposten: Heil- und Pflegeanstalten 1938-1947

 

Jahr Verpflegte/Jahr
(nur Steinhof)
Einnahmen
(alle Anstalten)
Ausgaben
(alle Anstalten)
1938 8306 1,169.241 RM 5,957.275 RM
1940 7449 3,811.661 RM 5,747.180 RM
1941 4605 2,785.259 RM 5,408.371 RM
1942 4492 4,862.214 RM 6,542.721 RM
1943 4771 5,482.214 RM 6,525.728 RM
1944 5145 5,535.913 RM 6,171.144 RM
1945 5182 1,843.655 RM 3,657.549 RM
1946 3803 1,995.097 öS 5,501.926 öS
1947 4295 2,529.592 öS 10,449.381 öS

 

Quelle: Statist. Jahrbücher der Stadt Wien 1938-1947; Betriebssummen nicht nach Personal-, Sach- und Pfleglingsaufwand differenziert; Summen beziehen sich auf sämtliche Anstalten der Stadt Wien.

<< zurück

 

 

 

Tabelle 3
Sterbefälle in der Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof 1942-1945: Verteilung nach Monaten

 

1942
(Sterbefälle: 746, Monatl. Mittelwert: 62,2)

Jan. Feb. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.
61 57 65 61 84 75 37 40 60 68 68 70

 

1943
(Sterbefälle: 859, Monatl. Mittelwert: 71,4)

Jan. Feb. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.
72 61 99 49 64 66 47 58 74 79 92 96

 

1944
(Sterbefälle: 1155, Monatl. Mittelwert: 96,3)

Jan. Feb. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.
86 80 86 90 126 80 97 75 90 118 118 109

 

1945
(Sterbefälle: 2303, Monatl. Mittelwert: 192)

Jan. Feb. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez.
100 111 209 241 197 150 206 214 225 297 193 160

 

<< zurück

 

 

 

Tabelle 4
NS-Opfer am Steinhof (ohne Opfer der Aktion "T4")
Berechnungsmethode nach Heinz Faulstich

 

Jahr Sterblichkeitsrate in % NS-Opfer in %* NS-Opfer in Zahlen
1935-1937 7,4 (Durchschnitt) --- ---
1938 8,44 1,04 86
1939 9,72 2,32 179
1940 10,67 3,27 244
1941 13,9 6,5 299
1942 16,52 9,12 410
1943 17,84 10,44 498
1944 22,14 14,74 758
1945 42,76 35,36 1833
1938-1945 --- --- 4307

 

* NS-Opfer in %: Differenz aus jährlicher Sterblichkeitsrate und der durchschnittlichen Vorkriegssterblichkeitsrate (hier 7,4 %).

 

<< zurück

 

 

 

Anmerkungen

 

30) Faulstich, a. a. O., S. 304 ff.; Schmuhl, a. a. O., S. 230 ff.

<< zurück

 

31) Beschluss des Herrn Bürgermeisters vom 17. Mai 1935, M.-Abt. 16: IX-6590/35; dieser Beschluss findet sich in WStLA: Gemeindeverwaltung des Reichsgaues Wien, Hauptabteilung E, Gesundheitswesen und Volkspflege, Anordnungen des Anstaltenamtes, Normalien der Magistratsabteilung 17, 483/1942, S. 4 ff.

<< zurück

 

32) Heinz Faulstich sieht im so genannten "Halbierungserlass" wiederum jenen gemeinsam von Arbeits- und Innenministerium herausgegebenen Erlass vom 5. September 1942, der die Beziehungen der Fürsorgeverbände zu den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Unterbringung von Geisteskranken regelt. Die wichtigste Neuerung dieses Erlasses bestand in einer Vereinfachung des bis dahin komplizierten Abrechnungswesens in der Psychiatrie: Die Unterbringungskosten für Psychiatriepatienten sollten nun ungeachtet der Einweisungsgründe in eine Anstalt je zur Hälfte von dem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung und dem Fürsorgeverband getragen werden. Der Erlass benachteiligte über die Heranziehung der Angehörigen zu den Kosten der Sozialhilfe psychisch Kranke gegenüber anderen Kranken. Vgl. dazu: Faulstich, a. a. O., S. 295 f.; Uwe Peters, Wörterbuch der Psychiatrie und medizinischen Psychologie, München 1990, S. 217.

<< zurück

 

33) WStLA: Gemeindeverwaltung des Reichsgaues Wien, Hauptabteilung E, Gesundheitswesen und Volkspflege, Anordnungen des Anstaltenamtes, Normalien der Magistratsabteilung 17, 483/1942, S. 3 ff.

<< zurück

 

34) Faulstich, a. a. O., S. 142 ff.

<< zurück

 

35) Susanne Mende führt in ihrer Dissertation nur 14 Transporttermine an, nach den Recherchen von Dr. Gerhart Marckhgott vom OÖLA (Projekt "Hartheim-Gedenkbuch"), aber auch nach meinen eigenen Nachforschungen dürfte es sich aber tatsächlich um 15 größere "T4-Transporte" vom Steinhof gehandelt haben. Die Differenz der Transportdaten erklärt sich möglicherweise aus dem Umstand, dass Mende zum Zeitpunkt ihrer Diss. nicht alle relevanten Patientenindizes zur Verfügung standen. Siehe: Mende (1998), a. a. O., S. 96; Gerhart Marckhgott/Philipp Wagner, Arbeitsbericht über die Erhebung von Patientenverlegungen aus der Wiener Heil- und Pflegeanstalt "Am Steinhof" in die Tötungsanstalt Hartheim, in: Virus - Beiträge zur Sozialgeschichte der Medizin, hg. vom Verein für Sozialgeschichte der Medizin, Nr. 1, Wien- Melk 2000, S. 28-31.

<< zurück

 

36) Statistiken, Archiv PKH Baumgartner Höhe.

<< zurück

 

37) Statistische Jahrbücher der Stadt Wien 1938-1947, Wiener Stadt- und Landesbibliothek.

<< zurück

 

38) Eine wichtige Quelle für dieses organisatorische Zusammenwirken sind die Akten der Direktionsregistratur der Landesheil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien Am Steinhof bzw. der Wagner von Jauregg Heil- und Pflegeanstalt der Stadt Wien, M. Abt. 209, WStLA; vgl. Mende (1998), a. a. O., S. 68-106; 1941 wurde ein Reichsbeauftragter für die Heil- und Pflegeanstalten eingesetzt, dessen Aufgabe darin bestand, im Einvernehmen mit dem Leiter der Reichsarbeitsgemeinschaft Heil- und Pflegeanstalten die planmäßige Bewirtschaftung des gesamten vorhandenen Anstaltsraumes im ganzen Reichsgebiet zu organisieren. Mit dieser Funktion wurde Herbert Linden, Ministerialrat in der Abteilung Gesundheitswesen im Reichsinnenministerium betraut: siehe Verordnung über die Bestellung eines Reichsbeauftragten für die Heil- und Pflegeanstalten vom 23. Oktober 1941, RGBl. Nr. 121/41.

<< zurück

 

39) Vgl. WStLA: Die Gemeindeverwaltung des Reichsgaues Wien vom 1. April 1940 bis 31. März 1945, Verwaltungsbericht, hg. vom Magistrat der Stadt Wien, Abt. für Statistik (kurz: Verwaltungsbericht der Stadt Wien 1940-1945), S. 206 ff., S. 210, S. 214 ff.; Festrede von Dir. Prim. Dr. Wilhelm Podhajsky (1959), a. a. O., S. 347.

<< zurück

 

40) Dokument "Aufnahme in fremde Lazarette", Bestand des Reservelazaretts VIIc, Archiv des Bundessozialamtes; der anfängliche Planbelag von 100 Betten wurde im März 1943 auf 130 Betten aufgestockt, siehe dazu: Verwaltungsbericht der Stadt Wien 1940-1945, a. a. O., S. 206 ff.; siehe auch: Direktionsregistratur Nr. 848/43, M. Abt. 209, WStLA; mit Kriegsende wurde das Lazarett wieder aufgelöst: Direktionsregistratur Nr. 168/45, M. Abt. 209, WStLA.

<< zurück

 

41) Die leitende Funktion Pawlickis lässt sich sowohl durch seine Unterschriften auf den bereits zitierten Akten der Direktionsregistratur, M. Abt. 209, WStLA, als auch durch seine Signatur in einigen Krankengeschichten von Reservelazarettpatienten belegen: siehe beispielsweise Unterschrift Pawlickis vom 11. 11. 1943 in der Krankengeschichte 1785/43, Ignaz B., Krankengeschichtenarchiv, PKH Baumgartner Höhe.

<< zurück

 

42) So u. a. zu finden in der Krankengeschichte 1505/41, Karl K., und in der Krankengeschichte 3112/41, Johann St., beide: Krankengeschichtenarchiv, PKH Baumgartner Höhe.

<< zurück

 

43) Archiv des Bundessozialamtes Wien.

<< zurück

 

44) Siehe dazu: Matthias Dahl, Die Tötung behinderter Kinder in der Anstalt Am Spiegelgrund 1940 bis 1945, in: Eberhard Gabriel/Wolfgang Neugebauer (Hg.), NS-Euthanasie in Wien, Wien-Köln-Weimar 2000, S. 75-92; Susanne Mende, Die Wiener Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof in der Zeit des NS-Regimes in Österreich, in: Eberhard Gabriel/Wolfgang Neugebauer (Hg.), a. a. O., S. 61-73; siehe gleichfalls: Dahl (1996, 1998), a. a. O.; Mende (1998, 2000), a. a. O.; Neugebauer, Klinik Am Spiegelgrund, a. a. O.; Czech (1999), a. a. O.; zur Jugendfürsorgeanstalt (Erziehungsheim) Am Spiegelgrund seien folgende Publikationen erwähnt: Alois Kaufmann, Totenwagen. Kindheit am Spiegelgrund, Wien 1999; Peter Malina, Verfolgte Kindheit. Die Kinder vom "Spiegelgrund" und ihre "Erzieher", in: Alois Kaufmann, a. a. O., S. 94-118; Johann Gross, Spiegelgrund: Leben in NS-Erziehungsanstalten, Wien 2000; Gertrud Baumgartner / Angela H. Mayer, Arbeitsanstalten für sogenannte "asoziale Frauen" im Gau Wien und Niederdonau: Forschungsprojekt im Auftrag des BM für Wissenschaft und Forschung, Wien 1990.

<< zurück

 

45) Schreiben des ärztlichen Direktors Doz. Dr. Bertha an die Abteilung E 8, Verwaltungsabteilung des Anstaltenamtes, Direktor Freunthaller vom 18. 9. 1944, Direktionsregistratur Nr. 2165/44, M. Abt. 209, WStLA.

<< zurück

 

46) Die hier verwendeten Zahlen sind der Personalbewegung für die Monate Dezember 1940 und Dezember 1941 entnommen: Bestand "Personalbewegung 1936-1941", Archiv PKH Baumgartner Höhe. Nach dieser Quelle liegen folgende Zahlen betreffend den Ärzte- und Pflegepersonalstand am Ende des Monats Dezember 1940 vor: 27 Ärzte (davon 7 eingerückt), 252 Pfleger (davon 110 eingerückt), 191 Pflegerinnen; der am Steinhof verbleibende Pflegepersonalbestand beträgt demnach: 443. Die Zahlen betreffend den Ärzte- und Pflegepersonalstand am Ende des Monats Dezember 1941 lauten: 28 Ärzte (davon 8 eingerückt), 285 Pfleger (davon 194 eingerückt), 223 Pflegerinnen. Der vorhandene Pflegepersonalstand beträgt 314.
Die von Mende in ihrer Dissertation (Mende 1998, a. a. O., S. 72 f.) vorgelegten Zahlen, die das Pflegepersonal betreffen, können für eine Berechnung des Pflegeschlüssel nicht herangezogen werden. Diesen Zahlen, die auf den Krankenanstaltsstatistiken der Jahre 1939 bis 1941 beruhen, dürfte eine unscharfe Definition des Begriffs "Pflegepersonal" zugrundeliegen. Im Statistischen Jahrbuch der Stadt Wien wird das Steinhof-Pflegepersonal für das Jahr 1942 mit 603 (Statist. Jahrbuch der Stadt Wien, S. 106 f.) beziffert, das dürfte dem gesamten nichtärztlichen Personal der Heil- und Pflegeanstalt entsprochen haben. Die von mir verwendete Quelle der "Personalbewegung 1936-1941" gewährleistet als einzige eine präzise Bestimmung der Größe des Pflegepersonals. Die Statistiken der Personalbewegung enden ebenso wie die Jahresanstaltstatistiken mit dem Jahr 1941, da in den letzten Kriegsjahren "nicht-kriegswichtige" Statistiken untersagt wurden (Vorbemerkung im Statistischen Jahrbuch der Stadt Wien 1943- 1945, Wiener Stadt- und Landesbibliothek).

<< zurück

 

47) Diese Zahl wurde 1937 von dem schleswig-holsteinischen Anstaltsdezernenten Dr. Straub in der Diskussion um die Sparvorschläge des Anstaltsdezernenten der hessischen Provinzialverwaltung, Fritz Bernotat, als oberste Grenze genannt, bei der gerade noch eine "wirksame Therapie" möglich sei. Siehe: Faulstich, a. a. O., S. 116 ff, S. 245 f.

<< zurück

 

48) Ich habe bereits in einer Fußnote auf die schwierige Quellenlage für die exakte Berechnung eines Pflegeschlüssels hingewiesen. Für 1941 habe ich folgende Daten verwendet: Patientenstand am Ende des Jahres 1941 (2177), Summe des Pflegepersonals unter Abzug der zum Kriegsdienst eingezogenen Pfleger vom Stand Dez. 1941 (314), der Pflegeschlüssel beträgt demnach 1 : 6,93. Ab 1943 ist mit größter Sicherheit weiteres Personal vom Steinhof für den Kriegsdienst (Ostfront) abgezogen worden, leider sind darüber keine Zahlen vorhanden. Wenn man allerdings den Pflegepersonalstand vom Dezember 1941 von 314 hypothetisch in Beziehung setzt mit dem Patientenstand am Ende der Jahre 1943 (2424) und 1944 (2579), würden sich folgende Pflegeschlüssel ergeben: 1943 (1 : 7,7); 1944 (1 : 8,21). Infolge der weiteren Personalverknappung kann jedoch davon ausgegangen werden, dass sich der Pflegeschlüssel dem Verhältnis von 1 : 9 bzw. 1 : 10 angenähert hatte.

<< zurück

 

49) Vom Verf. nach den Steinhof-Patientenindizes 1941-1945 zusammengestellte Statistik.

<< zurück

 

50) Zahlreiche Akten der Direktionsregistratur belegen die zunehmende Ressourcenverknappung und die eisernen Sparmaßnahmen vor allem in den Jahren 1944 und 1945. Hier kann exemplarisch nur eine kleine Auswahl der vorhandenen Akten der Direktionsregistratur zitiert werden: Brennstoff-Sparmaßnahmen 2725/44, Brennstoffversorgung der Besitzer von Dienstwohnungen 1952/44, Wäschereikohle/Kontingentkürzung 1515/44; Kohlenanforderung 172/45 vom 30. 4. 1945 (darin heißt es u. a.: "Es fehlt die Möglichkeit zum oftmaligen Wäschetausch, was besonders auf Infektionsabteilungen und auf den Pavillons der Unreinen böse Folgen hat."), Brennstoffbedarf 1945/1946 152/45 (Nach der beiliegenden Liste ging der Koksverbrauch für die Heizung der Pavillons von 803,9 t 1941/42 auf 642 t 1944/45 zurück.); Direktionsregistratur M. Abt. 209, WStLA.

<< zurück

 

51) Sammlung von Bestimmungen allgemeiner Bedeutung und von Verwaltungsverfügungen über die Ernährungs- und Kriegswirtschaft, Haupternährungsamt Berlin, Dienstblatt Teil XII, 4a: Sonderregelungen für Anstalten usw., B 4 a, S. 1 ff., Wiener Stadt- und Landesbibliothek, Sign. C 95961.

<< zurück

 

52) Statistiken, Archiv PKH Baumgartner Höhe.

<< zurück

 

53) Ärztlicher Bericht Dr. Pawlickis vom 25. 5. 1945, Direktionsregistratur 225/45, M. Abt. 209, WStLA.

<< zurück

 

54) Bericht über die Ernährungslage von Verwaltungsdirektor Bock: Die Lebensmittelvorräte nach dem Stand vom 24. 5. 1945, Direktionsregistratur 225/45, M. Abt. 209, WStLA.

<< zurück

 

55) Ebd.

<< zurück

 

56) Vgl. Eintragungen in den Krankengeschichten 1055/40 Wilhelm J. (Brief der Dir. an Herrn Wilhelm J. betr. seines Sohnes vom 12. 1. 1941: "[...] Besonders anfangs klagte er über großen Hunger und nach den Mahlzeiten wieder über Hunger. 'Rettet mich, bin nur noch Haut und Knochen', etc., das war immer wieder der Inhalt der Briefe."); 2397/40 Ottokar G. (Krankengeschichte, 14. 11. 1941: "[...] geht zu den anderen Betten und bettelt sich etwas zum Essen."); 1686/43 Arnulf U. (Krankengeschichte, 1. 6. 1944: "Bekam vom Mitpflegling K., dem er sein Butterbrot wegnehmen wollte, das rechte Auge blau geschlagen."); Krankengeschichtenarchiv PKH Baumgartner Höhe.

<< zurück

 

57) Brief von Josef P., Krankengeschichte 485/43 Josef P., Krankengeschichtenarchiv PKH Baumgartner Höhe.

<< zurück

 

58) Krankengeschichte 490/43 Gerhard R., Krankengeschichtenarchiv PKH Baumgartner Höhe.

<< zurück

 

59) Obduktionsbericht des Luftgaupathologen Doz. Dr. Homma, Luftgau XVII, vom 9. 12. 1941, Beilage zur Krankengeschichte 662/41 Franz R., Krankengeschichtenarchiv PKH Baumgartner Höhe.

<< zurück

 

60) Hermann Arnold, "Hunger", in: Annales Universitatis Saraviensis, Medizin XVII, Saarbrücken 1970, S. 205.

<< zurück

 

61) Auswertung einer Stichprobe von 341 im Zeitraum 1938 bis 1946 in der Heil- und Pflegeanstalt Am Steinhof verstorbenen männlichen Patienten, Krankengeschichtenarchiv PKH Baumgartner Höhe.

<< zurück

 

62) Akt Dr. Hans Bertha, 5141, Berlin Document Center, BA Berlin; siehe ebenso Personalakt Dr. Hans Bertha, WStLA.

<< zurück

 

63) Nach Michael Hubenstorf war Bertha einer der Hauptorganisatoren der "Aktion T4" in Österreich. Siehe: Michael Hubenstorf, Medizin ohne Menschlichkeit, Teil 2, in: Wiener Arzt, 6, Juni 1995, S. 24.

<< zurück

 

64) Klee, a. a. O., S. 443 ff.; Schmuhl, a. a. O., S. 232 ff.

<< zurück

 

65) Schreiben des ärztlichen Direktors Dozent Dr. Bertha an die Abt. E 9, Personalabteilung des Anstaltenamtes, Reichsgau Wien, vom 18. 1. 1944, Direktionsregistratur 129/44, M. Abt. 209, WStLA.

<< zurück

 

66) Klee, a. a. O., S. 443 ff.; Schmuhl, a. a. O., S. 232 ff.

<< zurück

 

67) Vom Verf. nach den Steinhof-Patientenindizes 1941-1945 zusammengestellte Statistik.

<< zurück

 

68) Ebd.

<< zurück

 

69) Direktionsregistratur 176/45, 208/45, 225/45, M. Abt. 209, WStLA; Die Verwaltung der Bundeshauptstadt Wien vom 1. April 1945 bis 31. Dezember 1947, Verwaltungsbericht, hg. vom Magistrat der Bundeshauptstadt Wien, Wien 1949, S. 179 f. (Wiener Stadt- und Landesbibliothek).

<< zurück

 

70) Direktionsregistratur 203/45, M. Abt. 209, WStLA; Direktionsregistratur 936/47, 1017/47, 62/48, 141/48, Archiv PKH Baumgartner Höhe; siehe auch: Hans Riemer, Wien dankt seinen Helfern, Eine Darstellung der Auslandshilfe im ersten Jahre ihrer Wirksamkeit, Wien 1946.

<< zurück

 

 

>> Die "Aktion Brandt" am Steinhof

<< zurück zur Übersicht

 

Unterstützt von: