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Ella Falldorf: Ambivalent Continuities

Forced Labor in Artworks of Political Prisoners in the Buchenwald Concentration Camp

Masterarbeit, University of Haifa, 2019 (Abstract)

 

Diese Arbeit wurde mit dem Herbert-Steiner-Anerkennungspreis 2020 ausgezeichnet.

 

 

In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Kunstwerken von Häftlingen aus nationalsozialistischen Konzentrationslagern wurden diese entweder als Zeugnisse des geistigen Widerstands oder als dokumentarisch-historische Illustrationen betrachtet und nur selten mit den Methoden der Kunstgeschichteuntersucht. Im Gegensatz dazu werden sie in dieser Studie als Kunstwerke betrachtet, die über reine Dokumentation hinausgehen und sich nicht auf Widerstandsnarrative reduzieren lassen. Sie werden als subjektive Interpretationen der Lagererfahrungen analysiert. Die Konzentration auf ein Thema – Zwangsarbeit – an einem Ort – dem Konzentrationslager Buchenwald – ermöglicht es, eine Vielzahl vermeintlich ähnlicher Kunstwerke näher zu betrachten. In Buchenwald wurden die meisten Kunstwerke von politischen Häftlingen mit sozialistischem oder kommunistischem Hintergrund sowie einer eher privilegierten Stellung in der Häftlingsgesellschaft geschaffen. Man könnte also erwarten, dass sie die antifaschistische Nachkriegsikonographie vorweggreifen. Doch auch wenn sie sozialistische Bildtraditionen verwenden, zeigt sich bei genauer Analyse eine auffallende Diversität und Ambivalenz.

 

Im ersten Teil dieser Studie wird gefragt, wie sich die Ideologie der Künstler-Häftlinge in ihren Darstellungen einzelner Zwangsarbeiter artikuliert. Häufig eigneten sie sich Zwangsarbeit innerhalb bekannter Referenzrahmen von Arbeit an, wobei die Art der Aneignung vom jeweiligen Zweck und Zielpublikum der Kunstwerke abhing. Die Kunstwerke oszillieren zwischen Idealisierung und Dokumentation, ähnlich wie Werke des frühen Realismus. Doch obwohl alle analysierten Kunstwerke in gewisser Weise an sozialistische Bildideale anknüpfen, verunmöglicht ihr vielfältiger Charakter jede eindimensionale Klassifizierung. Der zweite Teil der Studie wirft die Frage auf, wie die spezifische Art der dargestellten Zwangsarbeit die künstlerische Interpretation beeinflusste. Verglichen werden Darstellungen von Häftlingen, die im Steinbruch Wagen ziehen, und Häftlingen, die Leichen ins Krematorium tragen. Dabei wird deutlich, wie die Begegnung der politischen Häftlinge mit den Schrecken des Holocaust vorherige Deutungsmuster in Frage stellte. Die Leichenträger werden nicht mehr als widerstandsfähig oder heroisch charakterisiert, stattdessen verlagert sich der Schwerpunkt auf die Beziehung zwischen Arbeitern und Leichen sowie den sie umgebenden Gefangenen, die zwischen Leben und Tod stehen.

 

Ella Falldorf, Kunstgeschichtlerin, Jena

 

 

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