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Extreme Rechte nach den Morden

Neues von ganz rechts - August 2011

Der Anschlag von Oslo und das Massaker von Utoya mit insgesamt 77 Toten, geplant und begangen von einem antisozialistischen, rassistischen und paranoiden Abendlandretter, hat quer durch Europa nicht nur einen Schock, sondern auch eine Debatte über die Mitverantwortung rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien und Internet-Zusammenhänge ausgelöst. Während die Frontleute dieser Parteien empört jede Verantwortung für das gesellschaftliche Klima, das solche Taten erst ermöglicht, zurückweisen, wird an den Reaktionen der zweiten Reihe deutlich, wie berechtigt die Kritik ist.

So meinte etwa Lega Nord-MEP Mario Borghezio, Rechtsausleger mit guten Kontakten zur FPÖ bzw. MEP Andreas Mölzer, die Ideen des Attentäters und Massenmörders seien - "abgesehen von der Gewalt" - "gut, in manchen Fällen sogar sehr, sehr gut": "Es sind Ideen, die hundertprozentig mit vielen Positionen von Bewegungen übereinstimmen, die derzeit alle Wahlen in Europa gewinnen. In Europa denken 100 Millionen Menschen so." Borghezio wollte auch nach dem Blutbad von seiner öffentlichen Forderung nach einem neuen "Kreuzzug" gegen den Islam und seine linken Verbündeten nicht abrücken. Die Reaktion der Lega, immerhin Regierungspartei in einem EU-Staat, spricht Bände: Dieses Lob für das Massenmörderprogramm seien nur die "wirren Fieberfantasien" eines Einzelnen - der weiterhin an führender Stelle in der Partei bleiben darf.

Auch Marine Le Pen, die neue Vorsitzende des Front National (FN), hat ihre liebe Not mit den Reaktionen aus der Partei: Weil etwa Lokalpolitiker Jacques Coutela wissen ließ, dass der Massenmörder vom 22. Juli 2011 "ein Widerstandskämpfer, eine Ikone" sei, weil er "gegen die muslimische Invasion" gekämpft habe, musste er umgehend seine Parteiämter ruhen lassen. Hingegen fiel Le Pen, die gerade gegen massiven innerparteilichen Widerstand versucht, aus dem rechtsextremen Front eine rechtspopulistische Partei zu machen, zu einem anderen Skandal wenig ein. Ihr berühmter Vater, FN-Ehrenpräsident Jean Marie Le Pen, sprach lapidar von einem "Unfall" und meinte, dass die "Naivität" des liberalen und multikulturellen Norwegen im Umgang mit Einwanderung, "Islamismus" und "Terrorismus" schlimmer sei als die Tat.

In Österreich lag es einmal mehr an FPÖ-NAbg. Werner Königshofer, für den entsprechenden Skandal zu sorgen: Zuerst empörte er sich in einem Internetposting über einen Redakteur, der in einem Kommentar zu den Morden in Oslo von der "rechten Gefahr" geschrieben hatte: "Unfassbar, von diesem 'feinen Herrn' hat man noch nie etwas von der islamistischen Gefahr gehört, obwohl diese in Europa schon tausendmal öfter zugeschlagen hat". Kurz darauf verlangte der FPÖ-Spitzenpolitiker in einem Kommentar: "Im Angesicht dieser schrecklichen Ereignisse in Norwegen sollte man in ganz Europa einmal tiefgehender über den Wert des menschlichen Lebens nachdenken. Auch darüber, dass in Europa jedes Jahr Millionen ungeborener Kinder schon im Mutterleib getötet werden."

Damit hatte Königshofer endgültig den Bogen überspannt, am 28. Juli wurde er nach entsprechenden Aufforderungen aus Boulevardmedien von Heinz-Christian Strache persönlich aus der Partei und dem Parlamentsklub ausgeschlossen.

Auch FPÖ-MEP Andreas Mölzer reagierte - auf seine Art. In seinem Wochenblatt Zur Zeit, die nur von einer "Bluttat eines Freimaurers" zu berichten wusste, echauffierte er sich, dass es den Medien nicht reiche, den Täter zum Wahnsinnigen zu erklären: "Für sie muß es schon ein rassistischer Rechtsextremist sein, der hier auf Basis seiner politisch-ideologischen Motivation mordet. Merkwürdig, daß man dies in den Medien nicht oft genug betonen kann, während man umgekehrt den linksextremen Hintergrund von Gewalttätern, den islamistischen oder den ethnischen bei irgendwelchen Diebesbanden aus Südosteuropa verschweigt oder kleinredet." (Zur Zeit 30/2011)

Drei Ausgaben zuvor war in Zur Zeit übrigens noch von der "Verwandlung der rosaroten Multikultiwelt in ein Schlacht- und Trümmerfeld" zu lesen. Diese apokalyptische Vision von der systematischen Zerstörung der "abendländischen Kultur" nimmt ihren Ausgang bei den "grünen und roten" Sozialisten, welche die "Mohammedaner [...] zum Auffüllen der eigenen ausgetrockneten Wählerreservoire dringend" benötigen würden, und endet mit dem Aufruf, dass "heimattreue Österreicher schon jetzt Strategien zum künftigen (Über)Leben [...] in einem postdemokratischen islamischen Europa finden müssen. Solidarität, Zusammenhalt und die Zusammenarbeit aller nichtlinken Kräfte werden künftig von existentieller Bedeutung sein." (Zur Zeit 27/2011, S. 16)

In der deutsch-österreichischen Neonaziszene brach - wie nicht anders zu erwarten - helle Begeisterung für den "gewalttätigen Anti-Sozialdemokratenprotest in Norwegen" (altermedia) aus. Im Schutz der Internet-Anonymität überschlug man sich geradezu in Lobeshymnen auf die Tat und den Täter. Eine Neonazi postete: "Ich habe gerade auf ntv gesehen welche 'Judendliche' das Blutbad (Kein Brausebad!) auf der Insel überlebt haben und was dazu sagen dürften. Es waren Kanacken, Neger und wieder Kanacken wahlweise auch deren Bastarde. Der Norweger Breivik hat wohl erkannt das es sich um eine von staatlichen Stellen bereitgestellte und finanzierte Verkanackungsanlage handelt. Eine Insel zum zwecke der Runterrassung und Rassenschande."

Nach ein paar Tagen zogen jedoch in die Neonazi-Foren die obligaten Verschwörungsmythen (Mossad!) ein, woraufhin die Zustimmungsbekundungen etwas weniger wurden. Bereits am 30. Juli stellte der internationale, zeitweise auch von Österreich aus agierende US-amerikanische Neonazi-Netzwerker David Duke ein Video ins Netz, in dem er eine Verantwortung des "Zionismus" für den Terror in Norwegen behauptet.

Auf dem stark FPÖ-affinen anonymen Rassistenblog SOS Österreich waren ebenfalls zahlreiche zustimmende und schadenfrohe Postings zu finden, ein Neonazi nannte die Tat etwa eine "warnung für alle anderen volksverräter in politik, wirtschaft und justiz".

 

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