logo
logo

Das Arbeitserziehungslager Oberlanzendorf

"Geschlagen wurde bei jeder Gelegenheit, ob mit Grund oder ohne Grund, das war der Lagerwache gleich. Manchmal taten sie es aus Langeweile. So haben sie einmal einen Häftling geschlagen, weil er angeblich 'blöd schaute'. Ich glaube, der Mann war ein Ausländer, der wurde so schwer misshandelt, dass er zusammenbrach. Im Anschluss daran trieb derselbe SS-Mann alle Leute in die Mitte des Raumes zusammen, außer den Capos. Auch mich ließen sie aus, weil ich der einzige politische Häftling war. Dann hat er singen kommandiert und hat im Takt auf die Köpfe der Häftlinge mit der Peitsche geschlagen."

Zeugenaussage von Ludwig Radosch, 21. 1. 1947
(WStLA, Volksgericht Wien, Vg 1 Vr 4750/46)

 

Prügelstrafen und andere Misshandlungen prägten den Alltag im Arbeitserziehungslager Oberlanzendorf (heute: Lanzendorf) bei Wien ebenso wie Mangelernährung und katastrophale hygienische und sanitäre Verhältnisse; dokumentiert sind auch Hinrichtungen und Erschießungen auf der Flucht. In das größte Arbeitserziehungslager Österrreichs - weitere befanden sich u. a. in Reichenau (Innsbruck) und Schörgenhub (Linz) - wurden zunächst als "arbeitsscheu" oder "asozial" eingestufte Männer eingewiesen. Ab 1942 überstellte die Gestapo Wien, unter deren Leitung das Lager stand, zunehmend ausländische Zwangsarbeiter nach Oberlanzendorf. Haftgrund waren verschiedene Arbeitsdelikte wie Arbeitsniederlegung, Arbeitsvertragsbruch, Arbeitsflucht, unerlaubtes Verlassen des Arbeitsplatzes etc. Oft war die Internierung in Oberlanzendorf nur eine Zwischenstation auf dem Weg Richtung Konzentrationslager. Ab 1943 waren Frauen - sowohl Zwangsarbeiterinnen als auch politische Gefangene wie die ehemalige (und spätere) sozialdemokratische Nationalratsabgeordnete Gabriele Proft - in Oberlanzendorf in einem eigenen Lager inhaftiert. In der Folge und insbesondere ab 1945 mit Heranrücken der Kriegsfront wurden auch Schutzhäftlinge, WiderstandskämpferInnen, ungarische Juden und Jüdinnen, Kriegsgefangene, "unangepasste" Jugendliche ("Schlurfs", "Swing-Jugend") - beispielsweise der spätere Radiomoderator Günther "Howdy" Schifter (wegen Übertretung des Tanzverbots) - in das Arbeitserziehungslager Oberlanzendorf überstellt. Die daraus resultierende chronische Überfüllung des Lagers - die Baracken waren für etwa 400 Gefangene konzipiert, im Winter 1944/45 waren dort bis zu 2000 Personen untergebracht - spiegeln auch die Sterberaten der Oberlanzendorfer Häftlinge wider, die ab 1943 drastisch ansteigen.

 

Meldung_Download PDF

 

 

 

 

Meldung der Gestapo Wien, Arbeitserziehungslager Oberlanzendorf, 12. August 1941 (DÖW 16.851)

Die Meldung führte zur Festnahme von Karl Reck und Johann Rindl. Rindl wurde aufgrund seiner jüdischen Herkunft am 12. Mai 1942 von Wien nach Majdanek deportiert und kam dort am 26. Juli 1942 um.

 

Download

 

 

 

 

 

"Im Wald wurde der Häftling mit dem Gesicht zu einem Baum gestellt und durch Genickschuss erschossen. Daraufhin habe zumeist ich unter Mithilfe eines anderen Posten eine Grube ausgehoben, den Erschossenen hineingelegt mit dem Gesicht nach oben und die Grube wieder zugeschüttet. [...] Mich hat nicht interessiert, was Milianovic [richtig: Adam Milanovicz, stellvertretender Wachkommandant des Arbeitserziehungslagers Oberlanzendorf] machte bzw. nach welchen Grundsätzen er sich für Erschießen der Häftlinge richtete. Wenn also Milanovicz beispielsweise jemanden zum Erschießen bestimmt hätte, der nicht so ermüdet war, so müsste das Milanovicz verantworten, ich selbst hatte bzw. hätte keine Bedenken gehabt, den Erschossenen zu begraben, zumal ich ja zu dieser Arbeit von Künzel [Karl Künzel, Kommandant des Arbeitserziehungslagers Oberlanzendorf] bestimmt worden war."

Beschuldigtenvernehmung von Martin Braun, 2. 4. 1948

Das Volksgerichtsverfahren gegen ihn wurde im September 1948 eingestellt.
(WStLA, Volksgericht Wien, Vg 1 Vr 4750/46)

 

Im Zuge der Auflösung des Lagers Anfang April 1945 wurden die meisten Häftlinge freigelassen. Von den rund 400 in Richtung KZ Mauthausen in Marsch gesetzten Schutzhäftlingen wurden etwa 40 bis 50 von den SS-Wachmannschaften erschossen, andere starben unterwegs an Erschöpfung. Die meisten der rund 200 Personen, die am 16. April 1945 in Mauthausen eintrafen, wurden dort ermordet.

 

In den Volksgerichtsprozessen nach 1945 wurden zwei ehemalige Kommandanten des Arbeitserziehungslagers Oberlanzendorf verurteilt: Karl Künzel zu lebenslangem schwerem Kerker, Karl Schmidt zu 12 Jahren schwerem Kerker (Urteil des LG Wien als Volksgericht, 26. 6. 1950). Schmidt wurde 1954, Künzel 1955 aus der Haft entlassen. Adam Milanovicz, dem im Verfahren besondere Grausamkeit vorgeworfen wurde, erhielt 20 Jahre Zuchthaus (Urteil des LG Wien als Volksgericht, 14. 5. 1952), er wurde Weihnachten 1956 amnestiert.

 

 

Downloads

Die nachfolgenden Dokumente stammen zum Großteil aus dem Volksgerichtsverfahren gegen Karl Künzel und Karl Schmidt (WStLA, Volksgericht Wien, Vg 1 Vr 4750/46 / Angaben beim PDF).

 

 

 

<< Fotos und Dokumente 1938-1945 (Übersicht)

 

Themen

NS-Terror
Unterstützt von: