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Friedrich Leinböck-Winter (1920 - 1943)

"... in Feuer und Flamme geraten"

 

Opfer der NS-Militärjustiz

 

 Friedrich Leinböck-Winter

Friedrich Leinböck-Winter wurde im November 1942 vom Feldgericht des Kommandierenden Generals und Befehlshabers im Luftgau Norwegen dreimal zum Tode verurteilt - wegen "Vorbereitung zum Hochverrat", wegen "Zersetzung der Wehrkraft [...] in Tateinheit mit Verabredung eines Kriegsverrats" und wegen "Kriegsverrats in Tateinheit mit Zersetzung der Wehrkraft [...], Vorbereitung zum Hochverrat [...] und militärischem Diebstahl"; wegen Abhörens ausländischer Sender wurde er zusätzlich mit drei Jahren Zuchthaus bestraft.

 

 

 

Friedrich Leinböck-Winter, 1942

(Foto: DÖW)

 

 

 

Leinböck-Winter wurde am 11. 5. 1920 in St. Pölten in eine katholisch geprägte Familie geboren, 1930-1934 gehörte er der Marianischen Studentenkongregation - geleitet vom Ordenspriester August Wörndl (1894-1944) - an; später trat er in die Hitler-Jugend ein. Um sein Berufsziel Regisseur zu erreichen, zog er im Herbst 1940 nach Wien und besuchte dort ein Semester lang ein Schauspielseminar. Dort, so wurde ihm vorgeworfen, kam er in Kontakt zu "england- und judenfreundlich[en]" Kreisen (um Rosa Joseffy, die Pflegemutter eines Schauspielschülers) und habe Anfang 1941 eine illegale Organisation, die "Radikal Sozialistische Partei", mitbegründet. Ziel sei es u. a. gewesen, Preußen zu zerschlagen, "die südlich des Main liegenden Gebiete des Altreichs sollten von diesem losgelöst und zusammen mit der Ostmark, Böhmen, Mähren und Ungarn zu einem neuen Staatenbund zusammengeschlossen werden". (Anders als das Militärgericht sah der Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof, der nach der Festnahme Leinböck-Winters gegen Rosa Joseffy ermittelte, "einen zur Anklageerhebung ausreichenden Nachweis einer hochverräterischen Betätigung gegen die Beschuldigte Joseffy nicht erbracht", wie er am 19. 10. 1943 vermerkte.)

 

Im November 1941 wurde Leinböck-Winter zur Wehrmacht eingezogen, ab Anfang 1942 war er in Norwegen, zunächst in Aarnes, dann in Kristiansand im Einsatz. Bereits in Aarnes erörterte Leinböck-Winter mit anderen Soldaten Fluchtpläne nach Großbritannien. In Kristiansand lernte er zwei jugendliche Norweger (15 bzw. 16 Jahre alt) kennen und weihte sie in seine Pläne, eine "Norwegische Freiheitsbewegung" (NFB) zu gründen, ein. In der NFB sollten sowohl Norweger als auch Österreicher erfasst werden. Um Mitglieder zu werben, verfasste Leinböck-Winter einige Aufrufe. Einen davon, gerichtet an die Österreicher, schickte er an Pater Wörndl, mit dem er ab Juli 1942 in Briefkontakt stand (eine Abschrift des Aufrufs sowie der Briefe Leinböck-Winters an Wörndl wurden dem späteren Urteil gegen Wörndl als Anhang beigefügt):

 

"Wir wissen alle, was uns Hitler 1938 versprochen hat. Wir wissen auch, wie er uns dieses Versprechen gehalten hat.
Nicht die Freiheit und das Recht, nicht jene Zufriedenheit und schon gar nicht den Frieden hat er uns gebracht, sondern harte Zwangsarbeit in Dienstverpflichtungen bei kargem Lohn und einen furchtbaren Krieg hat er uns gebracht und verlangt nun noch, dass wir uns in himmelstürmender Begeisterung für ihn hinmorden lassen sollen. Wenn wir die Freiheit der Österreicher sehen wollen, so müssen wir ins Konzentrationslager bei Dachau schauen.
Es bleibt nur uns [sic!] eine Feststellung übrig: Österreich ist durch einen Österreicher verraten worden. [...]
Kämpft nicht für eine Wahnsinnsidee. Kämpft für Eure Heimat. Kämpft für Europas Freiheit und Recht."

 

Mehrfach betonte Leinböck-Winter in seinen Briefen an Wörndl die Notwendigkeit einer streitbaren Kirche, so schrieb er etwa am 9. 8. 1942, wenige Tage nach der Gründung der NFB:

 

"Mir widerstrebt es, jeden Streich geduldig hinzunehmen! Ich bin Katholik, das heißt: ich bin Kämpfer! [...]
Wahrer Gottesdienst liegt nicht im sinnlosen Lippengebet! Er liegt im Gebet des Herzens und der Faust! Und so ist denn die Stunde gekommen, wo wir alle, einer wie der andere, antreten müssen zum Kampfe um Freiheit und Recht! Kämpft um die Heimat - Ihr kämpft um Gott! Lieber Freund! Sie sprachen von meiner Sendung als Katholik! Wie recht haben Sie damit! Ich habe meine Sendung erkannt und ich führe sie durch, unter allen Umständen!"

 

Wörndl reagierte auf Leinböck-Winters Briefe mit Befriedigung, am 21 8. 1942 schrieb er ihm: "Aus Deinem Brief sehe ich, dass Du ein ganz begeisterter Junge geworden bist, der früher so stille Fritz ist in Feuer und Flamme geraten. Gut so!" (Anklageschrift des Oberreichsanwalts beim Volksgerichtshof gegen August Wörndl, 22. 10. 1943)

 

Nach der Gründungsversammlung der NFB am 1. 8. 1842 - mit Leinböck-Winter und einem weiteren Wehrmachtangehörigen fanden sich fünf Norweger auf einer unbewohnten Insel ein - kam es im Laufe von nicht einmal drei Wochen zu mehreren Treffen: neue Mitglieder (die meisten unter oder knapp über 18 Jahre alt) wurden aufgenommen, "Ämter" und "militärische Ränge" verteilt, "Dezernate" (Pressewesen, Sprengstoffbeschaffung u. a.) geschaffen, Mitgliedsbeiträge eingehoben etc. Bei der letzten Versammlung (zwischen dem 15. und 19. 8. 1942) erklärten die norwegischen Mitglieder ihren Austritt: "Sie hielten sich für zu jung und hatten die Lust zur Mitwirkung bei diesem Unternehmen verloren. Daneben war ihnen die Gefährlichkeit ihres Tuns allmählich klar geworden." Leinböck-Winter soll laut Feldurteil bei dieser Gelegenheit erklärt haben, "es gäbe kein Zurück, für Verräter sei kein Platz".

 

Ein Brief Leinböck-Winters vom 26. 8. 1942 an Wörndl macht deutlich, unter welchem Druck er zu diesem Zeitpunkt stand:

 

"Mein Weg soll ein Kreuzweg sein, aber er soll einem Siegeszug gleichen und ich will mein Kreuz aufstellen auf Golgatha als ein Zeichen des Sieges! [...] Viele werden mich zurückschlagen und nur wenige werden mich aufnehmen! Doch am Ende werden sie rufen: Hosanna, der da kommt im Namen des Herrn! Ich bin nicht größenwahnsinnig, doch ich fühle, was ich spreche, in mir! Das lässt mich nicht schlafen und nicht essen! Ein anderer wäre vielleicht schon erschöpft zusammengebrochen, mich aber hält die von Gott gegebene Kraft aufrecht. [...]
Am 18. ds. ist also wieder einer gefallen! [Wörndl hatte ihm über die Hinrichtung eines Deserteurs berichtet.] Wieder ein Opfer der Schmach dieser Welt! Ich weiß nicht, wenn [sic!] meine Stunde kommen wird, aber ich weiß, dass sie nicht mehr fern sein kann."

 

Nachdem einer der norwegischen Jugendlichen die Gruppe verraten hatte, wurde Leinböck-Winter am 29. 8. 1942 festgenommen. Am 17. 11. 1942 versuchte er sich in der Haft das Leben zu nehmen; in einem Brief an das Feldgericht der Luftwaffe erklärte er alle bisherigen Aussagen für ungültig: "Ich allein muss die Schuld tragen [...] Alle, von Josephi [= Joseffy) bis zu den Norwegern, sie waren nur die Werkzeuge des Schicksals, um mich auf meinen Kreuzweg zu bringen, auf dass er mit einem abschließenden Blutopfer gewürdigt werde!"

 

Vom 23. bis 30. 11. 1942 fand in Oslo die Verhandlung gegen insgesamt 31 Angeklagte (unmittelbar Beteiligte und Mitwisser) statt. Die von Leinböck-Winter "während seiner Untersuchungshaft vorgebrachten religiösen Ideen" wertete das Gericht als "Haftreaktion", er habe versucht, "vor seiner eigenen Verantwortung und vor seinem Gewissen zu fliehen und sich seinem Handeln eine theatralische Rechtfertigung zu geben". Mit Leinböck-Winter wurden drei weitere Wehrmachtangehörige und zwei Norweger zum Tode verurteilt, Leinböck-Winter wurde am 11. 4. 1943 hingerichtet.

 

Auch August Wörndl wurde in diesem Zusammenhang 1944 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt; ihm wurde zur Last gelegt, er habe "unter Berufung auf seine Priesterautorität einen deutschen Soldaten fortgesetzt habsburgisch-separatistisch verseucht und ihn darin bestärkt, auch andere hochverräterisch zu zersetzen".

 

 

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