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Jura Soyfer (1912 - 1939)

Am 16. Februar 1939 starb Jura Soyfer, "einer der großen Außenseiter der österreichischen Literatur" (Wendelin Schmidt-Dengler), im KZ Buchenwald.

 

 

Jura Soyfer wurde am 8. Dezember 1912 in Charkow/Charkiv (Russland, heute Ukraine) geboren. Ab 1921 lebte die Familie in Wien. Hier schloss sich Soyfer der sozialdemokratischen Jugendbewegung an, ab 1927 war er bei den "Achtzehnern", einer Gruppe der Vereinigung Sozialistischer Mittelschüler, aktiv.

 

Im Sommer 1932 reiste Soyfer nach Deutschland, aus dieser Zeit sind mehrere Briefe an seine Freundin Maria Szécsi erhalten, in denen er seine Eindrücke schildert:

 

"Die Politik hier beginnt zum Lokalbericht herabzusinken. Tote überspringe ich schon in der Zeitung. Warum die Attentate? willst du wissen. Nun darüber gibt es 30 Theorien, ich glaube die richtigste kennt nicht einmal der Hitler. [...]

Das einzige, was sicher ist, ist dass es morgen oder übermorgen zum Fascismus oder zur Diktatur des Prol. [Proletariats] kommen wird. Also ist das Unsicherste das Sicherste, was Du Dialektik nennen magst."

Jura Soyfer an Maria Szécsi, Berlin o. D. (Sommer 1932)

 

"Gewiss ist aber, daß das deutsche Proletariat heute kein Faktor ist, mit dem man in Deutschland zu rechnen hat. Gewiss ist, daß die Fascisierung, ob nun in Dur oder in Cis langsam, unaufhaltsam über dieses Land kommt, wie ein graues Verhängnis."

Jura Soyfer an Maria Szécsi, Berlin o. D. (Sommer 1932)

 

"In Braunschweig habe ich Hitler gehört [...] und war über die Geistlosigkeit und Brutalität dieses Massenbezauberers baff."

Jura Soyfer an Maria Szécsi, 24. Juli 1932

 

Nach den Februarkämpfen 1934 schloss sich Soyfer wie viele andere enttäuschte SozialdemokratInnen der KPÖ an. Von Mitte November 1937 bis zu seiner Entlassung am 17. Februar 1938 – im Zuge der Amnestie nach dem Berchtesgadener Abkommen im Februar 1938 – befand sich Soyfer in Haft.

 

Wenige Tage später, am 21. Februar 1938, schrieb er an Samuel Mitja Rapoport und dessen Frau (d. i. Maria Szécsi) in den USA:

 

"Bedenke, Menschenskind, wie mir jetzt zumute ist: zum erstenmal im Leben werde ich von einer politischen Wendung nicht allein ideologisch, sondern materiell im armseligsten Sinn getroffen. [...] Ich werde mir vielleicht wirklich morgen die Frage vorlegen müssen: was tut ein jüdischer Schriftsteller, wenn ...? Mensch, ist das nicht grauenhaft?"

 

Aufgrund seiner jüdischen Herkunft und seiner politischen Arbeit gefährdet versuchte Soyfer mit seinem Freund Hugo Ebner am 13. März 1938 in die Schweiz zu flüchten. Beide wurden festgenommen und Soyfer wurde zunächst in das KZ Dachau eingeliefert. Er starb am 16. Februar 1939 im KZ Buchenwald an Typhus.

 

 

Die DÖW-Mitteilungen 209 (Dezember 2012) sind Jura Soyfer gewidmet und enthalten u. a. Beiträge von Wolfgang Neugebauer, Heinz Lunzer, Horst Jarka und Winfried R. Garscha.

 

 

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Mitteilungen 209 / Dezember 2012
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