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Szapira, Jankel

Österreichische Stalin-Opfer (bis 1945)

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Name russisch: Шапиро Янкель (Янгел) Исакович

Geboren: 02.01.1895, Mielnica (Podolien)

Beruf: Buchhalter, Funktionär

Letzter Wohnort in Österreich: Wien

Ankunft in Russland/Sowjetunion: 01.02.1934

Wohnorte in der Sowjetunion: Moskau, Bel'sk (Krasnojarskij kraj)

Verhaftet: 27.06.1941, Moskau

Anklage: Spionage

Urteil: 23.09.1942, Sonderberatung (OSO), 10 Jahre Lagerhaft

Rehabilitiert: 15.09.1956, Militärkollegium des Obersten Gerichts

Emigrationsmotiv: KP-Emigration

Schicksal: überlebte

 

Jankel Szapira (Jakob Schapiro) wurde 1895 in Mielnica (Мельниця-Подільська, unweit von Czernowitz) als Sohn eines Lehrers geboren. Die jüdischen Eltern übersiedelten im gleichen Jahr in die südliche Bukowina. Szapira verließ 1909 das Elternhaus und versuchte sich zuerst als Lehrer in einem Dorf durchzuschlagen. 1910 übersiedelte er in die Stadt Radautz (Rădăuţi), wo er eine Lehre in einem Galanteriewarengeschäft machte. Dort lernte er die marxistisch-zionistische Bewegung Poale Zion kennen und wurde 1911 Mitglied. Als 1913 sein Zwillingsbruder starb, lebte er kurze Zeit bei seinen Eltern in Czernowitz. Er flüchtete dann 1914 vor dem Krieg nach Prag, wo er seine deutsche Schulbildung nachholte, die ihm von den streng religiösen Eltern verwehrt worden war. Nach einer kaufmännischen Ausbildung war er in der Verwaltung der Prager Papierfabrik Fuchs tätig. 1918 kehrte Szapira zu seinen Eltern nach Czernowitz zurück, wo er Vorsitzender der Poale Zion-Jugend wurde. Bis 1920 war er meist arbeitslos. 1920 nahm er als Delegierter der Bukowina am Kongress der Poale Zion in Wien teil. Nach der Spaltung der Organisation ging Jankel Szapira nach Palästina und wurde dort Mitbegründer und Sekretär der Sozialistischen Arbeiterpartei Palästinas, der Vorgängerorganisation der KP Palästinas. Im Mai 1921 verließ Szapira nach einem Pogrom Palästina und arbeitete dann in Wien bis 1927 als Buchhalter in der Papierwarenfabrik Fuchs, einer Filiale des Prager Betriebes.

 

Mit einer Gruppe jüdischer Kommunisten trat Szapira 1923 in die KPÖ ein. Im Juli 1927 verlor er seinen Arbeitsplatz bei Fuchs, weil er während der Unruhen am 15. Juli den Betrieb eigenmächtig (im Auftrag der Partei) eingestellt hatte. 1927-1930 fungierte er als Administrator der Roten Fahne. 1930 übernahm die KPD den Verlag der Roten Fahne und entsandte Szapira nach Berlin, wo er in die KPD übergeführt wurde. Nach seiner Übersiedlung nach Deutschland war Szapira (unter dem Decknamen Jascha) als Buchhalter in einer Reihe parteinaher Firmen tätig, anfangs in Berlin, dann in Köln. Dort wurde er nach dem Verbot der KPD im März 1933 verhaftet und in das KZ Brauweiler (ein Stadtteil von Pulheim bei Köln) eingewiesen. Im Juni 1933 wurde Szapira aus dem KZ entlassen und als unerwünschter österreichischer Staatsbürger des Landes verwiesen. In Wien – die KPÖ war schon verboten – fand er keine Arbeit und hatte wenig Kontakt zu Funktionären der Partei. Nach sechs Wochen erfolgloser Arbeitssuche fuhr er nach Paris, wo ihn sein Freund, der Journalist und Schriftsteller Leo Katz (1892-1954), unterstützte. Mit Unterstützung von Katz und der Roten Hilfe wurde Szapira von der KPD in die KPF übergeführt und als Sekretär der jüdischen Sektion der KPF beschäftigt.

 

Über Vermittlung eines anderen Freundes namens Jakob Knebel, der in der Pariser Filiale von WOSTWAG, einer Handels- und Spionageorganisation aus dem Bereich der sowjetischen Rüstungsindustrie, arbeitete, erhielt er eine Stelle bei WOSTWAG in der Mongolei. Anfang 1934 reiste Szapira über Moskau nach Ulan-Bator (Ulaanbaatar), wo er bis 1939 für die dortige Vertretung von WOSTWAG tätig war. Nach Liquidierung der Gesellschaft fuhr Szapira nach Moskau und fand dort Arbeit als Buchhalter der Sowchose Измайлово. Er protestierte erfolgreich gegen seinen bereits 1933 erfolgten Ausschluss aus der KPÖ, von dem er nicht offiziell in Kenntnis gesetzt worden war. Der Ausschluss war am 28. Jänner 1935 von der IKK (Internationale Kontrollkommission der Komintern) auf Betreiben der KPÖ bestätigt worden, die Szapira Desertion vorwarf, weil er 1933 Wien ohne Zustimmung der KPÖ verlassen hatte. In der Revision hob die IKK am 16. Dezember 1939 den Ausschluss auf, weil Szapira im Jahre 1933 nicht Mitglied der KPÖ, sondern der KPD gewesen war und Szapira auch andere Vorwürfe hinreichend erklären konnte.

 

Am 27. Juni 1941 wurde Szapira in Moskau verhaftet und am 23. September 1942 zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt. Nach Verbüßung seiner Strafe wurde er 1951 in das Gebiet Krasnojarsk verbannt, er lebte unter anderem im Dorf Motygino. Aus der nur wenige Kilometer entfernten Bel'sk (ebenfalls an der Angara), wo er in der Sowchose Решающий arbeitete, richtete Szapira 1953 ein Gnadengesuch an den Vorsitzenden des Obersten Sowjets Vorošilov. Über sein weiteres Schicksal ist nichts bekannt.

 

Szapira war mehrmals verheiratet. Eine Enkelin von Jankel Szapira lebt als Ärztin in Berlin, eine andere in der Mongolei.

 

 

Quelle: RGASPI, GARF

 

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