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Robert Adler: Der typische Josefstädter

Robert Adler, geboren 1913 in Wien, Sohn des austromarxistischen Theoretikers Max Adler (1873-1937), 1927 Austritt aus der Israelitischen Kultusgemeinde, Studium der Physik, Promotion 1937, Arbeit bei einem Patentanwalt. 1939 über Belgien nach Großbritannien, von dort im Juni 1940 in die USA.

Verstorben 2007 in den USA.

 

 

Ich war politisch ganz naiv, der typische Naturwissenschaftler und der typische Josefstädter auch. Ich meine, es war doch ein so ruhiger Bezirk. Nichts ist dort vorgekommen. Es war sehr schwer, sich vorzustellen, daß sich das je ändern würde. Im März 1938 habe ich mich natürlich, wie alle anderen, die in der gleichen Lage und jüdischer Abstammung waren, fragen müssen: Was machst du jetzt? Ich bin mit vielen anderen beim amerikanischen Konsulat Schlange gestanden, um eine Quotennummer zu bekommen. Ein Jahr später bin ich emigriert. Ich war noch ein ganzes Jahr in Wien. Ich habe sogar noch während des Jahres ein bisserl Geld verdient. Ich war Lehrer für Radioreparaturen in Umschulungskursen für Auswanderer.

 

Das war eine Schule von einem Herrn Ingenieur Vogel. Ich habe keine Ahnung, was sein persönlicher Hintergrund war, aber er hatte eine Fachschule für technische Berufe, ich glaube, in der Neubaugasse. Plötzlich, nach dem "Anschluß", hat Vogel Leute gesucht, die praktische Kurse für Auswanderer lehren konnten. Ich wußte genug von Radios, und jemand hat mich als Lehrer vorgeschlagen für Radioreparatur. Ich habe das natürlich gemacht, das war ganz interessant für mich. In diesen Kursen waren eher junge Leute, so in den Zwanzigerjahren. Viele haben gar nicht gewußt, wohin. Ich meine, die Leute wollten raus. Welches Land auch immer möglich war, dort sind sie hingegangen. Aber sie wollten etwas Praktisches lernen. Ob es ihnen wirklich geholfen hat, das ist schwer zu sagen. [...]

 

Ich hatte zu der Zeit ein kleines Zimmerchen gemietet, in der Josefstädterstraße. Einmal sind zwei junge Burschen gekommen. Ich habe die Tür aufgemacht, und sie haben mich gefragt: "Sind Sie Jude?" Ich habe natürlich sagen müssen: "Ja." Da haben die gesagt: "Aufwaschen!" Wir sind also zu irgendeinem Lokal in der Josefstädterstraße gegangen, das sie beschlagnahmt hatten. Da waren schon andere junge Leute. Es war aber sehr zivilisiert, wie alles in der Josefstadt, scheinbar. Die haben uns gesagt: "Ihr müßt's das putzen!" Sie haben sogar Kübel und Fetzen gehabt. Dann sind die zwei verschwunden, vielleicht, um noch andere Leute abzuholen. Das Komische war, daß die anderen jungen Leute geglaubt haben, ich bin einer von den Nazis, weil ich blondes Haar gehabt habe. Sie haben mich um Instruktionen gefragt, und ich habe ihnen gesagt: "Ich bin doch kein Nazi! Ich bin doch a Jud'!" Sie haben mir nicht vertraut, sondern geglaubt, ich schwindle und will sie bespitzeln. Das war eine verrückte Geschichte. Wir haben dann ein paar Stunden lang dort geputzt, und dann haben sie uns gehen lassen, alle.

 

 

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