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"Lass das gehen. Eine jüdische Familiengeschichte im Spiegel des 19. und 20. Jahrhunderts"

DÖW-Veranstaltung: Buchpräsentation, 4. Dezember 2023


"Lass das gehen, das ist vorbei!", pflegten Wilhelm und Sabine Merl zu erwidern, wenn man sie auf die Jahre von Nationalsozialismus und Holocaust ansprach. Jene Jahre, in denen sie als Teil der jüdischen Bevölkerung in Wien von Verfolgung und Deportation bedroht waren. Pascal Merl hat in jahrelangen Recherchen die Geschichte der Familien seiner Urgroßeltern zusammengetragen.

Wilhelm (Willy) Merl kam im Juli 1906 in Wien zur Welt. Er heiratete Sabine Kornspan, eine gelernte Buchhalterin. Im November 1934 wurde Sohn Harry geboren. Im Gefolge der antijüdischen Ausschreitungen nach dem "Anschluss" im März 1938 wurden Willy und Sabine Merl zum "Straßenreiben" gezwungen. Der Versuch, eine Ausreisegenehmigung in die USA zu bekommen, scheiterte. Nach dem Novemberpogrom 1938 musste die Familie ihre Wohnung räumen, die kleine Goldschmiedewerkstatt aufgeben und einen Monat lang mit einem "Mischlingsehepaar" im 1. Bezirk am Fleischmarkt wohnen, ehe sie im Sammellager Gänsbachergasse 3 in Wien-Favoriten interniert wurde. Im November 1939 wäre die Familie für den dritten Nisko-Transport vorgesehen gewesen, der allerdings gestoppt wurde. Die meisten dafür vorgesehenen jüdischen Männer, Frauen und Kinder blieben bis Februar 1940 im Sammellager in der Gänsbachergasse – so auch Willy, Sabine und Harry Merl.
Danach kam die Familie in eine „Sammelwohnung“ in der Wipplingerstraße im 1. Bezirk. Im April 1940 wurde Willy Merl in ein Arbeitslager am Präbichl-Pass in der Nähe von Eisenerz gebracht, wo er im Straßenbau Zwangsarbeit leisten musste. Dort wurde er der Sabotage bezichtigt und verhaftet, später aber wieder freigelassen. Im Dezember 1940 kam er in das Reichsstraßenbau-Wohnlager Traunsee in Oberösterreich. Im Mai 1941 kehrte Merl nach Wien zurück und arbeitete zunächst als Hilfsarbeiter bei der IKG, später bei der „Vugesta“ , wo auch seine Frau Arbeit fand. Diese Tätigkeit schützte die Eheleute vor der Deportation. Ab April 1942 lebten sie in einer Sammelwohnung im 2. Bezirk am Nestroyplatz, ab Dezember 1944 in der Odeongasse, die letzten Wochen vor dem Ende der NS-Herrschaft versteckt im Kohlenkeller. Die meisten Familienangehörigen von Willy und Sabine Merl überlebten den Holocaust nicht.

Pascal Merl wurde 1990 in Freistadt geboren. Nach dem Abschluss des Gymnasiums studierte er Lehramt Englisch und Geschichte in Linz und schloss das Studium mit einer Arbeit über die Kindheit seines jüdischen Großvaters im Wien der Zeit von Nationalsozialismus und Holocaust ab. Neben seiner Arbeit als Mittelschullehrer begleitete Merl in den vergangenen Jahren seinen Großvater zu Vorträgen und Zeitzeugengesprächen an Schulen und setzt nun dessen Tätigkeit als Vertreter der dritten Generation fort.

Begrüßung und Moderation: Claudia Kuretsidis-Haider (DÖW)
Lesung: Pascal Merl
Musikalische Umrahmung: Mario Merl


Rückfragen unter: claudia.kuretsidis@doew.at, Tel: +43-1-22 89 469 / 315

 

Keine Anmeldung erforderlich. Eintritt frei.

 

Pascal Merl, „Lass das gehen“: Eine jüdische Familiengeschichte im Spiegel des 19. und 20. Jahrhunderts, Neusiedl: Verlag am Rande 2023.
460 Seiten, ISBN 978-3903190580

 

Zeit:

04.12.2023, 19.00-20.30 Uhr

 

Ort:

DÖW, Ausstellung, Altes Rathaus, Wipplinger Str. 6-8, 1010 Wien / Eingang im Hof

 

 

 

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Downloads

Claudia Kuretsidis-Haider

Beitrag aus dem DÖW-Jahrbuch 2020
(975,0 KB)
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