logo
logo

Hans Landauer (1921 - 2014)

Der ehemalige Spanienkämpfer, Zeitzeuge und jahrzehntelange ehrenamtliche Mitarbeiter des DÖW Hans Landauer starb am 20. Juli 2014 im Alter von 93 Jahren.

Das DÖW, die Vereinigung österreichischer Freiwilliger in der Spanischen Republik 1936-1939 und die KZ-Gemeinschaft Dachau verlieren mit ihm einen unersetzlichen Weggefährten. Die Trauerfeier fand am 25. Juli 2014 auf dem Friedhof Oberwaltersdorf statt.

 

 

Hans Landauer 

Hans Landauer, 1921 in Oberwaltersdorf (Niederösterreich) geboren und in einem sozialdemokratischen Umfeld aufgewachsen, war einer jener rund 1400 ÖsterreicherInnen, die sich nach Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs entschlossen, auf Seiten der Spanischen Republik zu kämpfen. Kaum sechzehnjährig fuhr der gelernte Blattbindergehilfe (Weberei) im Juni 1937 nach Paris. Um nach Spanien weitergeschickt zu werden, gab er sich älter aus, als er war.

 

 

Hans Landauer (im Vordergrund) bei der Verabschiedung der Internationalen Brigaden am 28. Oktober 1938 in Barcelona

Foto: DÖW, Spanien-Dokumentation
(Aufnahme: Agusti Centelles, Barcelona)

 

 

 

"Ich habe natürlich meinen Reisepass gehabt, und da ist haargenau eingetragen gewesen - 19. 4. 1921, Hans Landauer - das Geburtsdatum. Und der Max [Anlaufstelle der Internationalen Brigaden in Paris] schaut sich den Reisepass an und sagt: 'Hörst, bist du verrückt? Wir schicken doch keine Kinder nach Spanien!' Genau das waren seine Worte. Na ja [...], aber ich habe schnell geschaltet und gesagt: 'Du, pass auf, das ist nicht mein Reisepass, sondern das ist der Reisepass meines Cousins. Und ich bin nicht am 19. April 1921 geboren, sondern am 19. April 1918!' Hat er gesagt: 'Bist noch immer zu jung!' Und dann habe ich gesagt: 'Na, lieber Freund, die Organisation hat mich hergeschickt. Und ich bin überzeugt davon, Abgängigkeitsanzeige ist schon erstattet daheim. Und wenn ich jetzt zurückkomme, wird mich die Gendarmerie ausquetschen, wenn du mich heimschickst. Und ob ich da das Maul halten kann, weiß ich nicht, ob ich es durchstehe.' [...] Na ja, er hat gesagt, er wird sich das überlegen usw. Und er hat es sich überlegt und ich bin dann nicht nach Hause geschickt worden."

Interviewauszug aus dem DÖW-Projekt Erzählte Geschichte

 

Von Perpignan aus über die Pyrenäen, zuerst mit Bussen, dann zu Fuß, gelangte Landauer gemeinsam mit anderen Freiwilligen nach Spanien. Ab Mitte 1937 gehörte er unter dem Namen Hans Operschall den Internationalen Brigaden (dem "12. Februar"-Bataillon) an. Anfang September 1937 wurde er bei Gefechten im Raum Mediana leicht verwundet.

 

"Am 20. Juli [1937], also einen Monat und einen Tag, nachdem ich von zu Hause weg bin, war ich bereits an der Front, und zwar in Quijorna. Wir sind gerade in ein Schlamassel hineingekommen, einen Rückzug. Die Faschisten haben vehement angegriffen und bombardiert. In El Escorial war die Base der Brigade, wir hätten auf Madrid hinuntersehen können, aber Madrid war nie zu sehen, denn es war brütend heiß, diese Dunstglocke über dem Hochland. Man hat nur Rauchwolken und Staubwolken gesehen. Denn zwischen Madrid und El Escorial ist das Kampffeld gewesen. Den ganzen Tag sind die Junkers geflogen, die Ju 52 haben da abgeladen. Eines Abends hat es geheißen: 'So, meine Herren, jetzt fahrt ihr auch nach vorne, heute Nacht. Ihr seid jetzt Verstärkung für das 4. Bataillon', das vor dem Brunete-Feldzug gebildete '12. Februar'-Bataillon. Wir sind über Villanueva de la Cañada nach Quijorna, in der Nacht. Und da habe ich zum ersten Mal in meinem Leben den Leichengeruch in der Nase gehabt, denn auf diesem Feld lagen Hunderte Tote, in den letzten vier Wochen waren dort unheimlich viele Leute umgekommen, und Tierkadaver. Also alles in Verwesung, unter dem Schutt der zusammengebombten Dörfer. Villanueva de la Cañada war dem Erdboden gleichgemacht. Brunete war dem Erdboden gleichgemacht. Man musste mit dem LKW ausweichen."

Interviewauszug aus dem DÖW-Projekt Erzählte Geschichte

 

 

Nach dem Ende des Spanischen Bürgerkriegs (1936-1939) war Landauer in Frankreich in den Lagern Argelès, Saint-Cyprien und Gurs sowie im Gefängnis von Toulon interniert. Im November 1940 wurde er in Paris festgenommen. Am 17. April 1941 von der Gestapo Wien erkennungsdienstlich erfasst, wurde er im Juni 1941 in das KZ Dachau überstellt.

 

"Wir sind am 5. Juni 1941 von Wien weggefahren, sind die Nacht durchgefahren, am 6. Juni - das werde ich nie vergessen, denn drei Jahre später war die Invasion - sind wir auf dem Hauptbahnhof in München angekommen. Wenn heute Österreicher und Deutsche in Mauthausen, in München oder sonstwo sagen, sie haben nichts gewusst von alldem, was seinerzeit passiert ist, ist das ein Witz. Es war zeitig in der Früh, der Hauptbahnhof von München war stark bevölkert, und wir sind in einem normalen Waggon angekommen, begleitet von der Schutzpolizei. Und wie wir bei den Fenstern rausschauen, heißt es: 'Raus, raus, raus, Tempo, Tempo!' Draußen haben wir etwa zehn SS-Leute sehen können, Totenkopf auf der Mütze und braune Gesichter. Man hat sehen können, sie sind das ganze Jahr draußen in der Sonne, und jeder hielt einen Ochsenziemer in der Hand. Nach der dritten oder vierten Gleisanlage ist ein Mannschaftstransportwagen gestanden mit Bänken. Wie wir vom Waggon runtergestiegen sind, hat der Erste schon einmal eine mit dem Ochsenziemer übers Kreuz gekriegt, und es war ein Hasten und Laufen über die Gleise in Richtung dieses Mannschaftstransportwagens. Und dort auch wieder: Wir waren ungefähr 40 Mann und andererseits zehn SS-Leute - aber die haben einen derartigen Terror ausgeübt und einen derartigen Schrecken eingeflößt, dass auch nur der leiseste Widerstand oder auch nur ein Nicht-Laufen uns überhaupt nicht eingefallen wäre."

Interviewauszug aus dem DÖW-Projekt Erzählte Geschichte

 

 

In Dachau, wo Landauer zunächst im Gleisbau arbeitete, aber mit Glück bald im Arbeitskommando Porzellanmanufaktur unterkam, blieb er bis zur Befreiung Ende April 1945 in Haft.

 

"Wenn man heute vom Widerstand im Lager redet, dann bestand der Widerstand ja vor allem darin, dass man überlebte, denn allzu viel Widerstand hat man nicht leisten können. Wenn in irgendwelchen Werken in oder um das Lager auch nur der Verdacht der Sabotage aufkam, musste das Arbeitskommando antreten und zwei Leute von diesem Kommando sind aufgehängt worden. Meistens waren es Russen. Es gab da ein Kabelwerk. Für Flugzeuge sind bestimmte Kabelstränge gemacht worden, und das hat man natürlich immer wieder prüfen müssen. Man ist draufgekommen, dass einmal eines durchgeschnitten war. Na, wer arbeitet in dem Kommando? Die und die. Aufgehängt, öffentlich im Lager vor dem ganzen Kommando."

Interviewauszug aus dem DÖW-Projekt Erzählte Geschichte

 

 

Nach seiner Rückkehr nach Österreich war Hans Landauer im Polizeidienst tätig, zuerst in Niederösterreich, dann im Innenministerium, wo er bis in die 1960er-Jahre mit der Aufklärung von NS-Verbrechen befasst war. Anschließend als UNO-Beamter auf Zypern im Einsatz deckte er dort 1972 Neo-Nazi-Umtriebe im österreichischen Kontigent auf, was seine Rückberufung durch den damaligen Innenminister Otto Rösch zur Folge hatte - "Disziplinierung des Zeugen und nicht des Täters", sollte Landauer es später nennen. Nach seiner Rehabilitierung war er bis zu seiner Pensionierung im Libanon, als Sicherheitsbeamter der österreichischen Botschaft in Beirut, tätig.

 

Ab 1983 ehrenamtlicher Mitarbeiter des DÖW, baute er hier das Spanienarchiv auf, eine Spezialsammlung, die vielfältigstes Quellenmaterial (Kopien amtlicher Dokumente, Fotos, Briefe, Zeitungsartikel, autobiographische Texte) über die Beteiligung von rund 1400 ÖsterreicherInnen am Spanischen Bürgerkrieg enthält. Diese Sammlung wurde von Hans Landauer, solange es seine Gesundheit erlaubte, selbst betreut. Aktiv tätig war er auch für die Vereinigung österreichischer Freiwilliger in der Spanischen Republik 1933-1939, die er lange als Obmann leitete, sowie für die KZ-Gemeinschaft Dachau.

 

Nicht zuletzt betätigte sich Hans Landauer oft und gern auf publizistischem Gebiet. Gemeinsam mit Erich Hackl veröffentlichte er etwa das Album Gurs. Ein Fundstück aus dem österreichischen Widerstand (2000) und das Lexikon der österreichischen Spanienkämpfer (2003, 2. erw. u. verb. Aufl. 2008), Letzteres ein Standardwerk über das Engagement von ÖsterreicherInnen im Spanischen Bürgerkrieg. Insbesondere mit dem Spanienkämpfer-Lexikon hat Hans Landauer den österreichischen Spanienfreiwilligen ein Denkmal geschaffen, wie er es in seinem einführenden Text zu dieser Publikation (S. 47) formulierte:

 

"Die Zahl der noch lebenden Spanienkämpfer nimmt ab. Bald werden wir an den Fingern einer Hand abzuzählen sein. Deshalb auch hat es mich gedrängt, das Lexikon fertigzustellen. Es ist durchaus für eine kleine Ewigkeit gedacht, als Hinterlassenschaft zu Lebzeiten und als einigermaßen stabiles Fundament für jedes spätere Werk über österreichische Freiwillige auf Seiten der Spanischen Republik. Auf dessen Urheber wartet leichtere und schwerere Arbeit zugleich: Sie werden nur noch Gestalter, nicht mehr Mitwirkende unserer Geschichte sein."

 

 

<< zurück

 

Unterstützt von: