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Festsonntag der "Anderlverehrer"

Neues von ganz rechts - Juli 1998

Am 12. Juli pilgerten wieder zahlreiche Anhänger der Ritualmordlegende über das Anderl von Rinn nach Tirol, um ihres angeblich von Juden zur Tode gemarterten "Märtyrers" zu gedenken. Etwa 400 Personen waren trotz Verbots des Vatikans und der Diözese Innsbruck zur Feier gekommen.
Ein Sprachrohr dieser Unbeirrbaren ist der Anderl-Bote des suspendierten Kaplans Gottfried Melzer. Neben Berichten über die Wundertätigkeit des Anderl ("Hilfe bei einem Sturz im Garten", "Ein vermißtes Ohrringlein", "Ein verlorener Schlüsselbund" u. ä. m.) findet sich in der jüngsten Ausgabe eine Chronologie der Ereignisse rund um die Äußerungen Robert Prantners in Zur Zeit (5.-11. 12. 1997).

In der Wochenzeitung des Haider-Beraters Andreas Mölzer wärmte der mittlerweile emeritierte Theologe die Anderl-Legende auf, was ihm - nach einer Beschwerde des DÖW - eine Verurteilung durch den Österreichischen Presserat einbrachte. Eine Anzeige des DÖW gegen Prantner wegen des Verdachts der Verhetzung (Paragraph 283 StGB) wurde Anfang Juli von der Staatsanwaltschaft Wien zurückgelegt. (Siehe: Presseerklärung von ADL und DÖW / englisch)
Melzers Chronologie beginnt beim Entzug der Prüfungsvollmacht Prantners an der Philosophisch-theologischen Hochschule Heiligenkreuz im November 1997. Erwähnung findet auch eine parlamentarische Anfrage des geschäftsführenden FPÖ-Klubobmannes Ewald Stadler und Kollegen "zugunsten von Prof. Prantner". Breiter Raum wird dann naturgemäß den "leidenschaftliche[n] Protesten" nach Prantners Zur Zeit-Artikel eingeräumt. Insbesondere das DÖW und die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) werden im Anderl-Boten als Drahtzieher einer Kampagne gegen Prantner genannt, die angeblich nicht nur mit "Protestdemonstrationen" und "Störaktionen" anläßlich einer geplanten Ehrung Prantners durch die Österreichische Widerstandsbewegung gedroht, sondern auch "niederländische Auslandskorrespondenten gegen Prof. Prantner" mobilisiert hätten. Die IKG habe gar "im Staatssekretariat Seiner Heiligkeit" interveniert. Daraufhin soll der Großkanzler des Malteser Ritterordens (S.M.R.O.) erwogen haben, Prantner aus dem diplomatischen Dienst zu entlassen. Dieser Beschluß sei jedoch "auf ein 'Verbot, über Judenfragen zu publizieren'", gemildert worden. Prantner, der noch im März 1998 seine diplomatische Immunität als Gesandter des S.M.R.O. gegenüber der ermittelnden Staatspolizei geltend gemacht hatte, "erbat sich Bedenkzeit, um einen Entschluß zu fassen".

Aus der Einleitung zur Chronologie geht darüber hinaus hervor, daß Prantner im Jänner dieses Jahres bei der Volksbewegung für sittliche und soziale Erneuerung (VBSSE) referierte. Die zunächst vom Innenministerium untersagte VBSSE konnte erst nach einem gegenteiligen Urteil des Verfassungsgerichtshofes 1982 mit ihren Aktivitäten beginnen. Maximilian Baumgartner, Kopf der VBSSE, will "unser Volk, unsere Kinder sowie unsere christlich-abendländische Kultur vor Sittenzerstörung und Kulturzersetzung seitens widergöttlicher und die Kraftquellen der Völker schädigenden Mächte" retten. "Die VBSSE", heißt es in deren Flugblatt weiter, "demaskiert das völkerverderbende Wirken der Freimaurer, beleuchtet die unheilvollen Auswirkungen der Zinsknechtschaft" und möchte die "Arbeiterschaft [...] für eine wahre soziale Volksgemeinschaft gewinnen". An anderer Stelle schreibt Baumgartner: Die "Zionisten und ihre Kollaborationspartner [starteten] eine antideutsche Propagandawelle mit Greuellügen übelster Art". Sein "Erkennen des Weltfeindes" gipfelt in der Feststellung: "Die internationale, volksfremde Geldmacht herrscht schrankenlos". (Mitteilungsblatt Nr. 2 der VBSSE)

Das DÖW hat der Staatsanwaltschaft Steyr am 20. Juli die vermutlich von Melzer verfaßte Broschüre "Ritualmorde und Hostienschändungen als Werke des Hasses der Gegenkirche" (Loreto-Bote, Nr. 14a, 2. verbesserte Auflage 1997) zum Zwecke der Überprüfung der strafrechtlichen Relevanz übermittelt. Diese von Melzer auch vertriebene antisemitische Hetzschrift ist in den Augen des DÖW dazu geeignet, feindselige Gefühle und Haß gegen Juden und Jüdinnen aufzustacheln (Tatbestand der Verhetzung nach Paragraph 283 StGB).

Zum Thema ist eben ein neues Buch erschienen:
Bernhard Fresacher: Anderl von Rinn - Ritualmordkult und Neuorientierung in Judenstein 1945 - 1995, Innbruck-Wien 1998.

 

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