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Hermann Lackner: Der Brucker Schutzbund

Hermann Lackner, geb. 1900 in Bruck a. d. Mur, Funktionär der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei und des Republikanischen Schutzbundes, Festnahme nach dem Februar 1934, Haft bis Ende 1935, illegale Tätigkeit, nach 1938 erneut verhaftet, KZ Dachau bis 1945.

 

1945-1949 Landtagsabgeordneter in der Steiermark, 1949-1962 Nationalratsabgeordneter, Bezirkssekretär der SPÖ Bruck a. d. Mur, führender Funktionär des Bundes Sozialistischer Freiheitskämpfer.

 

Verstorben 1984.

 

 

Der Brucker Schutzbund war der einzige in ganz Österreich, der am 12. Februar innerhalb kürzester Zeit - muss sagen, innerhalb von Minuten - das ganze Gebiet besetzt gehabt hat. Mit Ausnahme von Mariazell. Der ungeheure Fehler, der in Wien vor allem gemacht worden ist, war, dass sich der Wiener Schutzbund auf die Verteidigung eingestellt hat. Da hab ich den Krieg schon verloren. Und der Brucker Schutzbund war der einzige, der sofort offensiv geworden ist. Nach fünf Minuten war die Gendarmerie ausgeschalten. Der Koloman Wallisch war der politische Leiter vom Schutzbund. So fähig und so tüchtig er als politischer Vertrauensmann, als Agitator, als Redner war, so a Niet'n war er als Soldat.

 

Es ist mir unverständlich: Zu einem Zeitpunkt, als in Bruck schon alles erledigt war, hatte man in Wien noch nicht einmal den Schutzbund vollständig alarmiert. Jede Ortsgruppe hat ihre Weisungen gehabt. Heute verschanzt man sich hinter: "Wir haben auf den Befehl gewartet." Das ist falsch, denn jede Schutzbundortsgruppe wusste, was sie zu tun hatte, nur gemacht haben es die meisten nicht! In Peggau ist eine Straßengalerie gewesen, die Schutzbundgruppe von Peggau hätte die Galerie sprengen müssen. Getan haben sie es nicht. Es gibt in der Nähe zwei Zementwerke, also Sprengmittel waren in Hülle und Fülle vorhanden. In Wagna hätten sie die Landschabrücke sprengen sollen. Sie haben es nicht gemacht. Die Knittelfelder hatten den Auftrag, zu der Enge bei Preg Lastwagen zu schicken, die liegt zwischen St. Michael und Knittelfeld. Diese Engstelle wäre abzuriegeln gewesen. Gemacht haben sie es nicht. Im Gegenteil, die sind aus Knittelfeld nicht herausgegangen. Knittelfeld lässt sich nicht anders verteidigen, weil es mitten in einer Ebene liegt. Die Brucker hatten den Auftrag, sofort offensiv zu werden und die Gendarmerie außer Kampf zu setzen. Die Gendarmeriekaserne ist umzingelt worden, aber der Sturmangriff ist misslungen. Der Kommandant von der ersten Kompanie, der Bezirksobmann der Jugend, Sepp Linhart, ist im Hof gefallen. Sie haben geglaubt, die werden sich ergeben, aber das haben die nicht getan. Wenigstens haben die nicht aus der Kaserne herauskönnen, und dann hat man noch ein Maschinengewehr davor aufgestellt, so haben die nichts mehr machen können. Nur am nächsten Tag hat der Zauber angefangen. Militär aus dem Burgenland, aus Niederösterreich, aus Graz, aus der Untersteiermark, aus Kärnten ist angerückt. Zusätzlich Heimatschutztruppen aus Kärnten, Oberösterreich und dem Burgenland. Die Leute haben gesagt, es glich einem Heerlager.

 

Wir haben in Bruck von vornherein festgelegt, dass wir damit rechnen müssen, dass ein paar von unseren Leuten verhaftet werden. Für so einen Fall sind Leute bestimmt worden, die der Gendarmerie nicht besonders bekannt waren und die dann einspringen sollten. Jene, die von den Aufmarschplänen gewusst haben, und die, die die Waffenverstecke gekannt haben, waren nicht dieselben. Das waren zum großen Teil Leute, die nie aufmarschiert sind, die in der Öffentlichkeit nicht so bekannt waren. Die Schutzbündler mussten mit Hausdurchsuchungen rechnen, und so haben andere den Auftrag gehabt, die Waffen zu verstecken. Übrigens, der Brucker Schutzbund hat sich durch Diebstähle vom Heimatschutz selbst bewaffnet. Wir haben nichts von Wien gebraucht.

 

In der Folge sind eine Unmenge Leute bei uns verhaftet worden. Fast alle sind gesessen: im heutigen Stadtsaal - das hätte das Arbeiterheim werden sollen, aber wir haben nicht genug Geld gehabt es fertig zu bauen -, dann im ehemaligen Kinderheim und in den Arrestzellen.

 

Einen Teil haben sie nach Leoben überstellt. Aber sie haben Pech gehabt, denn sie haben von den Schutzbündlern bei den Einvernahmen nichts Gescheites herausbekommen, das haben die Prozesse gezeigt. Keine einzige Gruppe hat zusammengepasst, die Leute waren von den verschiedensten Kampfplätzen zusammengewürfelt. [...] Um den einen, der den Posten vor der Gendarmeriekaserne erschossen hatte, haben unsere Frauen Angst gehabt, Männer waren ja keine mehr heraußen, er könnte angeklagt und vielleicht zum Tode verurteilt und hingerichtet werden. Meine Frau war mit der Frau vom Kerkermeister bekannt und deshalb wurde sie beauftragt, einen Seifenabdruck von den Schlüsseln zu machen, einen Schlüsselabdruck. Sie wollten ihn in der Nacht herausholen, denn in der Nacht gab es bei den Bezirksgerichtszellen keine Wache. Der aber hat gesagt: "Nein, ich steh für das ein, was ich getan hab, aber flüchten will ich nicht."

 

Das Standrecht ist dann aufgehoben worden, und er ist dem Gesetz gemäß angeklagt worden und hat vier Jahre gekriegt. [...]

 

Ich habe wegen dem 12. Februar, bei dem ich gar nicht dabei war, zwei Jahre Kerker erhalten. Mit der sonderbaren Begründung, ich muss die Waffenverstecke meines Bataillons gewusst haben. Ich habe dem Vorsitzenden der Gerichtsverhandlung gesagt: "Sie waren doch der Kommandant des Leobner Heimatschutzsturmbataillons, das auch aufgelöst worden ist, denn das waren Nazi. Wenn das die Begründung bei mir ist, dann müssten Sie wahrscheinlich auch die Waffen ihres Bataillons gewusst haben." Hat er geschmunzelt und gesagt: "Schauen Sie, was wollen wir zwei uns unterhalten. Ich habe den Auftrag bekommen, Sie zu verurteilen, und den habe ich erfüllt. Es gibt doch keine Unabhängigkeit der Gerichte mehr. Wenn ich nicht meinen Posten verlieren will, muss ich schweigen." Er ist dann ein waschechter Nazi geworden.

 

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