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Mayr, Albin

Österreichische Stalin-Opfer (bis 1945)

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Name russisch: Майер Альбин Альбинович

Geboren: 01.05.1908, Wien

Beruf: Elektriker

Letzter Wohnort in Österreich: Wien

Ankunft in Russland/Sowjetunion: 25.04.1934

Wohnorte in der Sowjetunion: Moskau

Verhaftet: 08.10.1943, Moskau

Anklage: Landesverrat

Urteil: 03.05.1944, Sonderberatung (OSO), 10 Jahre Lagerhaft

Gestorben: 07.01.1996, Wien

Rehabilitiert: 20.08.1955, Militärkollegium des Obersten Gerichts

Emigrationsmotiv: Schutzbund-Emigration

Schicksal: überlebte

 

Albin Mayr wurde 1908 in Wien geboren. Er stammte aus einem sozialdemokratischen Elternhaus und hatte sieben Geschwister. Im Alter von 15 Jahren wurde er Mitglied der SAJ, wo er u.a. seine spätere Frau Maria Dinda und den Schriftsteller Boris Brainin kennenlernte. Mayr absolvierte eine Elektrikerlehre und arbeitete von 1916 bis 1932 bei Siemens-Schuckert in einer Montage-Abteilung. 1928 wurde Mayr Mitglied der SDAP und des Schutzbundes, nach seiner Entlassung von Siemens-Schuckert 1932 war er Sprengelleiter in der SDAP; im Schutzbund war er stellvertretender Zugsführer und gehörte dem Führungskreis um Heinz Roscher an. Im Februar 1934 nahm er an den Kämpfen im Schlinger-Hof in der Brünner Straße in Wien-Floridsdorf teil, wobei er ein Maschinengewehr bediente. Weil die Polizei seine Rolle bei den Kämpfen nicht entdeckte, kam er nach kurzer Haft frei und gelangte über die ČSR mit dem ersten Schutzbundtransport nach Moskau. Seine Frau folgte ihm wenig später.

 

Mayr arbeitete im Moskauer Elektrowerk Электрозавод, wo er für Reparaturen zuständig war. Seit den Aktivitäten beim Schutzbund hatte er großes militärisches Interesse und war Mitglied bei der paramilitärischen Organisation OSOAVIACHIM (Общество содействия обороне, авиационному и химическому строительству). Im Herbst 1935 machte er einen kurzen Ausbildungskurs bei der Roten Armee. Parteiintern galt er als zuverlässig, so dass er im November 1936 unter dem Decknamen Georg Feigl zu den Internationalen Brigaden nach Spanien fahren konnte. Im Kampf um Madrid wurde er verwundet. Er besuchte dann die Offiziersschule in Albacete und nahm an den großen Schlachten des Jahres 1937 teil. 1938 erlitt er einen schweren Beinbruch bei einem Motorradunfall.

 

Im April 1939 kam er nach Moskau zurück und nahm - nach einer weiteren Operation an seinem gebrochenen Bein - die Arbeit im wieder auf. 1940 kam seine Tochter Tamara zur Welt. Im September 1941 begann er eine geheime Funkerausbildung. Im Mai 1942 nahm er an einer Agentenausbildung teil, im Juli 1942 begann die Vorbereitung auf seinen Einsatz in der "Ostmark". Ende September 1942 erreichte er (unter dem Agentennamen Georg Martens) auf einem britischen Schiff Großbritannien, um dort das erkrankte Mitglied des Pickaxe Coffee Teams Leopold Stancl zu ersetzen. Mayr, Anton Barak und das Ehepaar Hildegard und Wilhelm Wagner sollten von einem britischen Flugzeug mit dem Fallschirm bei Wiener Neustadt abspringen, um - mit gefälschten Papieren ausgestattet - den Sowjets Informationen zu liefern (da die Front weit im Osten verlief, erreichten die sowjetischen Flugzeuge das österreichische Gebiet nicht). Das Unternehmen war insgesamt schlecht vorbereitet, beispielsweise waren die Papiere leicht als Fälschungen erkennbar und Hildegard Wagner war krank, so dass das gesamte Team den Absprung hinter den feindlichen Linien verweigerte. Während der erzwungenen Rückfahrt per Schiff von Großbritannien durch den Panamakanal nach Vladivostok versuchte die Gruppe, sich dem Zugriff der sowjetischen Behörden zu entziehen. Ihre Flucht misslang jedoch, weil Kanada den Flüchtlingen kein Asyl gewährte.

 

Am 8. Oktober 1943 kamen die vier Österreicher in Vladivostok an und wurde sofort inhaftiert. Im November wurde sie nach Moskau überstellt. Nach zahlreichen Verhören erging am 3. Mai 1944 das Urteil: zehn Jahre Lagerhaft wegen Landesverrats. Albin Mayrs Gulag-Laufbahn begann im Volgolag am Stützpunkt Perebory, unweit von Rybinsk im Gebiet Jaroslavl'. Dort kamen ihm seine handwerklichen Fähigkeiten zugute, denn er verstand sich auf die Reparatur von Maschinen und Musikinstrumenten. Er durfte auch Besuch von seiner Frau und seiner Tochter empfangen. 1947 wurde Mayr in den Hohen Norden, in ein Lager bei Noril'sk verlegt, wo er als Vorarbeiter auf Baustellen eingesetzt wurde.

 

Nach zahllosen vergeblichen Eingaben wurde 1954 festgestellt, dass ein Urteil wegen Landesverrats unhaltbar war, weil Mayr nie sowjetischer Staatsbürger gewesen war. Als er am 20. August 1955 rehabilitiert wurde, lebte er bereits einen Monat in Österreich. Mayr blieb Mitglied der KPÖ. Er starb 1996 in Wien.

 

 

Quelle: RGASPI, Interview, Wiener Friedhofs-DB etc.

 

Siehe auch Barry McLoughlin, Gruppenschicksal: Die Coffee-Agentengruppe im Zweiten Weltkrieg, in: Barry McLoughlin/Josef Vogl, ... Ein Paragraf wird sich finden. Gedenkbuch der österreichischen Stalin-Opfer (bis 1945), Wien 2013, S. 82-108.

 

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