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Brainin, Boris

Österreichische Stalin-Opfer (bis 1945)

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Name russisch: Брайнин Борис Львович

Geboren: 10.08.1905, Mykolajiv (Nikolaev, Ostgalizien)

Beruf: Schlosser, Deutschlehrer, Übersetzer, Schriftsteller

Letzter Wohnort in Österreich: Wien

Ankunft in Russland/Sowjetunion: 12.03.1935

Wohnorte in der Sowjetunion: Engels (Wolgadeutsche Republik)

Verhaftet: 05.10.1936, Engels

Anklage: antisowjetische Propaganda und Agitation, Mitgliedschaft in einer konterrevolutionären Organisation

Urteil: 21.08.1937, Sonderkollegium des Obersten Gerichts der Wolgadeutschen Republik, 6 Jahre Lagerhaft

Gestorben: 11.03.1996, Wien

Rehabilitiert: 12.09.1957, Plenum des Obersten Gerichts der UdSSR

Emigrationsmotiv: KP-Emigration

Schicksal: überlebte

 

Boris Brainin wurde 1905 in Mykolajiv (Nikolaev, südlich von Lemberg) in Ostgalizien geboren, er war der Bruder von Wilhelm Brainin. Die Familie floh 1905 vor Pogromen in der Heimat nach Wien. Der Vater, ein unpolitischer gläubiger Jude, war zuerst Ziegelarbeiter am Wienerberg, später Vertreter bei der Landmaschinenfabrik Hofherr & Schrantz. Die Mutter sympathisierte mit dem Kommunismus und war in Wien mit Trockij bekannt. Boris Brainin lernte Schlosser, beendete 1925 die Handelsakademie und die Werkmeisterschule im Arsenal. Nach zwei Jahren Arbeitslosigkeit machte er die Externisten-Matura und studierte Deutsch und Geographie an der Wiener Universität. Die Promotion fand am 6. Februar 1934 statt. Politisch engagierte sich Brainin in der Jugendbewegung der SDAP, trat aber am 1. Mai 1931 der KPÖ bei. Er wurde Funktionär des Kommunistischen Jugendverbandes in Wien-Hernals, leitete die Spieltruppe Rotes Tempo und schrieb Lieder für sie.

 

Am 13. Februar 1934 flüchtete er zu seinem Schwiegervater nach Tarnów (Polen) und richtete von dort ein Einreise- und Arbeitsgesuch für die UdSSR nach Moskau. Obwohl als politischer Emigrant nicht anerkannt, konnte er in die UdSSR einreisen und fand Arbeit als Deutschlehrer an der Pädagogischen Hochschule in Engels. Die Kaderüberprüfungskommission der KPÖ in Moskau, die von Brainins Verhaftung offenkundig nichts wusste, hielt ihm entgegen, dass er ohne Erlaubnis der Partei ("gerügt, aber zur Kenntnis genommen") in die UdSSR gefahren sei. Daher weigerte sich die KPÖ, seine Überführung in die VKP (b) zu unterstützen. Boris Brainin wurde am 5. Oktober 1936 - am gleichen Tag wie sein Bruder - verhaftet und am 21. August 1937 wegen antisowjetischer Agitation zu sechs Jahren Lagerhaft verurteilt.

 

Brainin lebte von 1955, dem Jahr der Entlassung aus dem Gulag, bis 1963 in Tomsk, wo er an der Universität lehrte, dann übersiedelte er nach Moskau. Im Juni 1992 kehrte er mit Hilfe des Wiener Bürgermeisters Helmut Zilk nach Österreich zurück. Boris Brainin starb im März 1996 in Wien. Er publizierte auch unter den Namen Sepp Österreicher, Natalie Sinner, Berthold Brandt, Klara Peters. Sein Sohn Valerij Brajnin ist ein bekannter russischer Musikwissenschaftler.

 

 

Quelle: RGASPI, Archiv der Universität Wien

 

Siehe auch Robert Streibel, Das fünfte Pseudonym. Das Leben des Humoristen, Übersetzers und Lagerhäftlings Boris Brainin, in: Hans Schafranek (Hrsg.), Die Betrogenen. Österreicher als Opfer stalinistischen Terrors in der Sowjetunion, Wien 1991, S. 125-153.

 

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