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Richard Fiedler: Anstatt dem "Köpfler" zwölf Jahre

Richard Fiedler, geb. 1903 in Wien, Buchdrucker, 1935/36 9 Monate Haft wegen "Geheimbündelei" und Betätigung für den Republikanischen Schutzbund. Festnahme im Juli 1941 wegen Betätigung für die Rote Hilfe. Am 3. Dezember 1942 vom Volksgerichtshof wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt. Bis Kriegsende in Haft.

Verstorben.

 

 

Wie die Nazis gekommen sind, hätten wir - die überschüssigen Buchdrucker und Setzer - vom Arbeitsamt zum Reichsautobahnbau vermittelt werden sollen. Das wollte ich nicht unterstützen. Ich habe einen Bekannten gehabt, der eine Textildruckerei hatte und gesagt hat: "Ja, wenn du bei mir etwas billiger arbeiten willst ..." Arbeit war ja im Moment genügend da. Jedenfalls habe ich bei dem unterschlüpfen können und mich nicht mehr am Arbeitsamt gemeldet. Doch sie haben mich vorgeladen auf das Arbeitsamt und gesagt: "Sie können ja auf einer Zwei-Touren-Maschine arbeiten. Sie müssen beim 'Völkischen Beobachter' die Arbeit annehmen. Alles andere kommt nicht in Frage. Sie müssen in den Betrieb gehen." Bin ich also hingegangen und habe einen Monat schlecht und recht gearbeitet. Ich habe mir gedacht, sie werden mich hinausschmeißen. Es ist mir aber nicht gelungen, ich habe weiter dort arbeiten müssen. Im 40er Jahr hätte ich einrücken sollen. Da wäre ich zu einer Polizeitruppe gekommen. Und der Obermaschinenmeister ist von München gekommen und hat gefragt: "Wollen Sie 'krautwachtern' oder wollen Sie arbeiten?" Ich habe gesagt: "Ich will arbeiten." Nicht: "Ich will doch nicht zum Militär." Ich war sofort enthoben, unabkömmlich.

 

Inzwischen gelang es mir, in fast allen Abteilungen des Betriebes Gleichgesinnte und Sympathisierende für unsere Widerstandsgruppe zu gewinnen. Wo es ging, versuchten wir den Weisungen der NS-Betriebsführung entgegenzuwirken. So wurden die Druckleistungen herabgesetzt. Die Kontrolluhren haben sie einführen wollen. Die haben wir trotz strenger Weisungen nicht benützt und andere Aktionen durchgeführt. Bei NS-Betriebsappellen waren wir nicht anwesend oder nur als stumme Zuhörer. Wir sammelten für die Rote Hilfe und unterstützten die Mutter des wegen Tätigkeit für die KP in Haft befindlichen Betriebsangehörigen Alfred Fuchs. Wir kauften auch Lebensmittel für ein Kriegsgefangenenlager, wohin ich Verbindungen durch einen Wehrmachtsangehörigen hatte. Wir hatten auch Verbindungen zu Kommunisten in anderen Betrieben des 7. Bezirkes und auch nach Floridsdorf und Stadlau. In Ottakring hatte ich schon früher Verbindung zu dem ehemaligen KP-Bezirksrat Paul Antl, der auch in meiner Wohnung Vorträge über die Sowjetunion abhielt, an denen immer mehrere Personen teilnahmen. [...]

 

Wie groß war denn die Gruppe im Betrieb?

 

So zehn aus mehreren Abteilungen beim "Völkischen Beobachter". [...] Ich habe gewusst, dass ich mit einem Fuß im Grab stehe. Ich war eben Sozialist seit dem 18er Jahr, nicht nur mit dem Mund. Ich habe Leute gehabt bis hinauf in die Buchbinderei und überall so Zirkel, und zwar waren wir natürlich getarnt. Wir haben gesagt: "Für uns ist es nur ein Unterstützungsverein." Und in der Steindruckabteilung habe ich drei Leute gehabt, ein, zwei Frauen, einen Jugendlichen. Dieser Bub hat einen Abendmaturakurs gemacht beim Dr. Roland. Und der Dr. Roland hat auch einen "Halb"- oder "Vierteljuden" gehabt in der Maturaschule, dem er gesagt hat: "Wenn du mir Informationen bringst ..." Leider hat unser junger Genosse das Maul nicht halten können. "Wir haben ganze Abteilungen im 'Völkischen Beobachter'", hat er gesagt. [...] Eines schönen Tages, am 18. Juli 1941, bin ich von der Gestapo von der Buchdruckmaschine heruntergeholt worden. [...] Ebenso der spätere Gemeinderat Weigel von der zweiten Maschine. Die Gestapo sagte gleich: "Stellen Sie sich in den Winkel; und Sie stellen sich dort in den Winkel. Drehen Sie sich nicht um, weil sonst haben Sie ein paar Ohrfeigen." Sie haben nämlich nicht gewusst, wer von uns zweien es war. In der Kantine hat dann der Bub, der war natürlich ganz eingeschüchtert, auf mich gezeigt. Daraufhin hat der andere gehen können. Mir haben sie gleich Eisen angelegt. [...] Bei der Einvernahme ist es gleich angegangen: "Herr Fiedler, wir können mit Ihnen machen, was wir wollen." Da habe ich gewusst, jetzt geht es ums Leben.

 

Und er hat gesagt: "Wenn Sie kein umfassendes Geständnis ablegen und Ihre Genossen nicht bekannt geben, können wir Sie nach Berlin schicken, und überhaupt, wir werden mit Ihnen nicht viele Geschichten machen. Wollen Sie gestehen oder nicht?" Ich habe gesagt: "Ich habe nichts zu gestehen." Auf das hinauf habe ich natürlich schon eine Faustwatschen gehabt, dass ich in ein Eck geflogen bin. Dort hat der andere Gestapo-Mann gewartet. Der hat mir auch gleich wieder eine "gezunden" [übergezogen]. So haben sie mich zusammengehauen, und dann haben sie mich in den Keller hinuntergehauen. Daneben in der Zelle war der Erich Puschmann. Auch ein später [1943] Hingerichteter. Da habe ich zum erstenmal in meinem Leben geweint, weil ich gewusst habe, jetzt ist es aus mit mir. Es klingt lächerlich, aber es war so. Die haben im Keller zur Wachmannschaft gesagt: "Der wird heute über Nacht aufgehängt." Und die haben mich tatsächlich so aufgehängt über die Nacht, nur war dort ein Wachmann, der hat so geheißen wie ich, Fiedler, und der hat gesagt: "Wie kommen denn Sie da her? Was machen denn die? Ich muss Sie aufhängen über die Nacht." Habe ich gesagt: "Vielleicht können Sie mir eine Erleichterung verschaffen." Sagt er: "Weißt was, um zehn Uhr komme ich her und stelle dir die Bank hin, und du setzt dich auf die Bank. Aber wehe, wenn du was sagst, dann erschlage ich dich, weil dann bin ich sofort draußen von da ..." Sag ich: "Das werde ich mir gut überlegen, dass ich Sie verrate." In der Früh haben sie mich wieder angehängt. Wie die Gestapo gekommen ist, bin ich umgefallen, habe markiert. Ich war noch ganz gut beieinander, aber aus den Augen ist das Blut gespritzt, weil sie mich so mit Fäusten traktiert haben und mit Fußtritten. Und so ist es halt gegangen drei Tage und Nächte. Haben sie mich immer wieder hinaufgeholt und immer wieder zusammengehauen. [...]

 

Sie haben von mir nichts Gescheites herausgebracht. Ich habe alles abgestritten, ich habe gesagt: "Wir Buchdrucker haben immer nur gesammelt, weil unser Kollege eingesperrt war, nicht weil er ein Kommunist, sondern weil er ein Kollege war." Bei dem bin ich geblieben. Und das haben sie gewusst. Haben sie gesagt: "Na, gut ist es, werden wir Sie halt zum Chef führen." Der Gestapo-Chef hat gesagt: "Herr Fiedler, ich mache Sie aufmerksam, wir befinden uns im Krieg mit Russland. Sie können sich vorstellen, dass wir mit Ihnen machen können, was wir wollen. Und ich gebe Ihnen noch einmal den guten Rat, sagen Sie uns alles, was Sie wissen von ihren ganzen Genossen, nur so kommen sie vielleicht mit dem Leben davon." Natürlich habe ich weiterhin nichts gesagt, und wie sie gesehen haben, den hauen sie umsonst zusammen und sie haben auch genug andere - damals ist eine große Verhaftungswelle gekommen, allein von Ottakring sind mindestens 20 geholt worden -, bin ich überstellt worden. [...]

 

Ich kam in das Amtsgericht Schiffamtsgasse. Dort war ich viele Monate in Einzelhaft. Und dann haben sie mir hineingegeben einen Kommunisten und einen katholischen Studenten aus Klosterneuburg. Sie haben uns keinen Spaziergang, nichts erlaubt. Im Dezember 1942 bin ich zur Verhandlung gekommen. Mittlerweile haben sie schon so viele zum Tode verurteilt gehabt. Wir haben das alles auch erfahren. Hie und da waren die Aufseher anständig. Das waren nämlich noch alte Justizbeamte. [...] Bei der Verhandlung habe ich mein Leben verteidigt, so gut ich können habe.

 

Was hat man Ihnen vorgeworfen?

 

"Hochverrat". Die Anklage hat ein Todesurteil verlangt. [...] Mein Verteidiger ist zu mir - ich bin auf der Anklagebank gesessen - gekommen und hat gesagt: "Mein Name ist Dr. Bernwieser" - im 45er Jahr haben wir ihn dann eingesperrt, aber leider nicht lange -, "ich bin Ihr Vertreter, ich gebe Ihnen den guten Rat, legen Sie ein Geständnis ab, sonst ist es aus mit Ihnen." Und der hat dann sogar die Todesstrafe für mich beantragt. Das war mein Verteidiger. Was hat sich da abgespielt? Die lesen die Anklageschrift gegen mich durch. Auf einmal stutzen sie, der Richter und die zwei Beisitzer. Hinten ein großes Hitlerbild. Ein SS-Führer war einer der Beisitzer. Ich habe mir gedacht, da bin ich schon auf der Schlachtbank. Der Vorsitzende hat auf einmal getuschelt. Meldet sich der SS-Mann zu Wort, sagt: "Kann ich den Angeklagten etwas fragen?" "Ja, ja." Sagt er: "In was für einem Anhaltelager waren Sie schon?" Sage ich: "Im Anhaltelager Wöllersdorf." - "So, so. Na, ist gut!" War der wahrscheinlich auch in Wöllersdorf, als ich dort war, hat sich als Held gefühlt, und vielleicht - bei der Urteilsbegründung war er dabei. Den Antl hatten sie vorher hingerichtet. Der war Kronzeuge gegen mich. So hat sich das abgespielt. Was war noch? Weil ich vom "Völkischen Beobachter" war, haben sie sich gedacht, das geht bis ins Ausland. Ich habe anstatt dem "Köpfler" zwölf Jahre gekriegt. Und die Aufseher haben gesagt: "Na, heute haben s' ein Glück gehabt, heute hat es keine 'Köpfler' gegeben."

 

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