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Richard Fiedler: Todesmarsch

Richard Fiedler, geb. 1903 in Wien, Buchdrucker, 1935/36 9 Monate Haft wegen "Geheimbündelei" und Betätigung für den Republikanischen Schutzbund. Festnahme im Juli 1941 wegen Betätigung für die Rote Hilfe. Am 3. Dezember 1942 vom Volksgerichtshof wegen "Vorbereitung zum Hochverrat" zu 12 Jahren Zuchthaus verurteilt. Bis Kriegsende in Haft.

Verstorben.

 

 

[Nach seiner Verurteilung kommt Richard Fiedler in das Zuchthaus Straubing (bei München), wo er in der Druckerei arbeitet. Nach Dauerbombardements werden die Häftlinge von Straubing schließlich Ende April 1945 in das KZ Dachau geschickt.]

 

Jetzt haben wir fünf Tage Fürchterliches mitgemacht. Sie haben uns auf der Straße getrieben, wo über uns die Tiefflieger waren und neben uns die SS. Wenn die SS über unseren Zug hinausgefahren ist, waren die Tiefflieger schon da. Dann ist alles explodiert, und uns haben sie dort drübergetrieben. Da sind noch so viele drangekommen von den Dum-Dum-Geschossen. So ist es gegangen. Am fünften Tag hat es auf einmal "Halt" geheißen, auf den Straßen bei Freising. Kommen schon Soldaten zurück. "Ja, was ist los?“ - "Die Amerikaner oder die Franzosen sind schon in Dachau." Wir waren von der SS und von unseren Aufsehern umzingelt. Ein Teil der Aufseher war noch bei uns und hat gesagt: "Ja, was machen wir mit ihnen?" Die SS hat gesagt: "Nichts zum Fressen, niederschießen!" Und die haben gesagt: "Nein, wir haben den Auftrag, die Leute nach Dachau zu bringen." Solche Zufälle haben einem das Leben gerettet.

 

Wir waren schon ganz durchnässt, aber wir haben das erste Mal in einem Heustadel bei einem Bauern schlafen können. Sie haben uns zwei Erdäpfel gegeben. Na, und nächsten Tag sind wir weiter. Keine SS da gewesen, wir sind gleich zu den Bauern gerannt um Erdäpfel. Feuer haben wir gemacht. Kaum haben wir das Feuer gemacht, ist die SS da gewesen. "Sofort Abmarsch oder ihr werdet gleich liquidiert." Na, was bleibt übrig. [...] Kaum sind wir hinaus aus dem Tor, hat es schon gekracht, hat schon ein SS-Hauptmann ein paar von uns erschossen und zu unseren Aufsehern gesagt: "Kann man ein paar abknallen?" [...]

 

Durch Landshut sind wir marschiert, und bei der Isar hat es geheißen: "Rasch über die Brücke hinüber, die wird von der SS gesprengt." Wir sind rasch hinüber über die Brücke. Kaum sind wir drüben gewesen, sind schon die Pfosten geflogen. Am nächsten Tag sind wir wieder bei Bauern einquartiert worden. Und in der Nacht kommt die SS und schießt mit den Maschinenpistolen hinein in den Stadel und verschwindet, und fort war der Spuk. Am nächsten Tag - das war der 1. Mai 1945 - wurden die Aufseher und was noch von der SS da war aufgestellt und uns vorgeführt: "Was machen wir mit ihnen?" Ich habe ausgespuckt und habe gesagt: "Das ist der schönste 1. Mai, den ein Arbeiter erleben kann." Das war mein Schlusspunkt. [...]

 

Der Todesmarsch hat von Ende April bis zum 1. Mai gedauert. Da sind noch hunderte Leute im Straßengraben erschossen worden. Wer im Straßengraben gegangen ist, den hat die SS schon erschossen. Ein Fall: Als wir durch eine Ortschaft getrieben worden sind, ist auf einem Zaun ein SS-Lausbub, vielleicht 16, 17 Jahre, gesessen, und als ein alter Mann zu einem Bauern hinrennt ... der Lausbub, der schießt noch gleich. So locker ist unser Leben gewesen. [...]

 

Weggehen haben wir nicht können. Die Amerikaner haben gesagt: "Wir geben euch da in die Ortschaft Heldenberg. Die sollen euch versorgen" und waren fort. Wir haben fortwollen, sind wieder auf die Amerikaner gestoßen, die gesagt haben: "Ihr gefallt uns nicht." Ja, warum haben wir ihnen nicht gefallen? Wir haben eine rote Fahne aufgezogen mit Sichel und Hammer, wir, 60 Österreicher, haben uns zusammengestellt und die "Internationale" gesungen. [...] Dann, beim Heimgehen, haben wir auch noch Schwierigkeiten mit den Amerikanern gehabt. Die haben uns nicht herüber [über die Demarkationslinie] gelassen. Wir haben einen abenteuerlichen Weg einschlagen müssen, dass wir zu den Russen gekommen sind. Die Russen haben uns bei Schwertberg durchgelassen. Eine österreichisch-russische Kommission in Enns hat uns Ausweise ausgestellt, dass wir politische Häftlinge sind.

 

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