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Rudolfine Muhr: Wir hatten mit der Untergrundarbeit keine Erfahrung

Rudolfine Muhr, geb. 1900 in Wien, Metallarbeiterin. In der Betriebszellenarbeit der Revolutionären Sozialisten aktiv, zwischen 1934 und 1938 mehrmals verhaftet. Am 22. August 1939 neuerliche Festnahme, Haftentlassung im April 1940.

1945-1949 Wiener Gemeinderat (SPÖ), 1949-1969 Bundesrat, 1959-1963 Sekretärin des Bundesfrauenkomitees der SPÖ, stellvertretende Vorsitzende des Bundes Sozialistischer Freiheitskämpfer.

Verstorben 1984.

 

 

Ich war 1933 kurze Zeit arbeitslos, habe aber dann wieder einen Posten in der Metallindustrie bekommen und dieselbe Arbeit in einem kleinen Betrieb gemacht. In diesem Betrieb habe ich fünf Jahre gearbeitet, aber nie einen Urlaub gekriegt, weil immer, bevor der Urlaub gekommen ist, wurde der Betrieb geschlossen. Dann sind wir wieder neu aufgenommen worden, allerdings ohne Urlaubsanspruch. [...]

 

Von 1934 an habe ich illegal gearbeitet, und zwar im Betrieb. Ich habe sehr viele Menschen gekannt, sehr viele Leute, Funktionäre - und mit denen war ich in Kontakt. Der Sinn unserer illegalen Arbeit war, in den Menschen das sozialistische Bewusstsein zu erhalten. Man konnte nicht so arbeiten wie früher. Es war auch gefährlich, denn immer wieder, wenn einer erwischt worden ist und er hat eine Arbeit gehabt, dann hat er seine Arbeit verloren. Hat er keine Arbeit gehabt, war das natürlich auch schlimm, denn der hat dann nie mehr die Arbeitslosenunterstützung bekommen. Ich habe auch am Aufbau der Sozialistischen Arbeiterhilfe mitgearbeitet. Wir mussten doch die Menschen, deren Vater oder Bruder oder Sohn verhaftet worden war, unterstützen. [...]

 

Wir hatten mit der Untergrundarbeit keine Erfahrung, wie wir eine illegale Widerstandsorganisation aufbauen und führen könnten. Wir machten viele Fehler. Zum Beispiel: Die erste illegale "Arbeiter-Zeitung" wurde mir zur Verteilung durch einen Genossen ins Haus gebracht. Auf dem Paket stand recht deutlich mein Name und meine Adresse. Zum Glück wurde der Bote nicht geschnappt. Sonst hätten er und auch ich eine Polizeistrafe bekommen und ich wäre bereits, ehe ich zu wirken begonnen hatte, polizeibekannt gewesen. Am 15. Juli 1934 organisierten wir eine Kundgebung zum Gedenken an die Opfer des 15. Juli 1927. Im Wienerwald, auf der Predigerstuhlwiese, versammelten sich Tausende Teilnehmer. In Gruppen marschierten sie durch den Wald zum Kundgebungsplatz. Viele Kundgebungsteilnehmer hatten Flugblätter und Streuzettel mit sozialistischen Parolen mit. Die Weisung war: "Beim Rückmarsch dieses Material streuen." Leider wurde damit zum Teil bereits vor der Kundgebung begonnen. Außerdem haben viele Frauen eine rote Weste oder ein rotes Tuch ziemlich auffällig in der Hand getragen. An der Spitze der Versammlung standen Liesinger Jugendliche mit roten Fahnen und haben gesungen: "Unsterbliche Opfer, ihr sanket dahin." Dann hat Rosa Jochmann eine Gedenkrede gehalten. Kaum hatte sie die ersten Sätze gesagt, erschienen Sturmscharler in der Waldlichtung. Die Genossen Johann Fröhlich, Richard Lehmann und Reitmayer stellten sich gegen sie und schon krachten Schüsse. Die Sturmscharler verletzten Fröhlich und Lehmann tödlich, Reitmayer wurde schwer verletzt. Dieser furchtbare Ausklang der Kundgebung zeigte uns, dass solche Aktionen nicht mehr gemacht werden können.

 

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