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Dankesrede von Hans Rauscher

Verleihung des Ferdinand Berger-Preises an Hans Rauscher, Wiener Rathaus, 21. Oktober 2021

 

Vielen Dank, Herr Bundespräsident, Herr Bürgermeister,
danke an die Preisstifter Ernst und René Berger, an das Dokumentationsarchiv,
geschätzte Mitglieder der Jury, meine Damen und Herren, liebe Freunde

 

Wenn man die Geschichte des Ferdinand Berger nachliest – auf der Website des Dokumentationsarchivs ist eine Biografie und ein Zeitzeugeninterview zu finden –, wird man immer wieder von Staunen erfüllt von dem Mut, den diese jungen Leute bewiesen haben, die in den finsteren Dreißiger- und Vierzigerjahren in den Widerstand gegangen sind. Sie haben ihre Freiheit und ihr Leben aufs Spiel gesetzt, um Widerstand zu leisten gegen diktatorische und totalitäre Systeme. So wie Ferdinand Berger, der dafür in die KZ Dachau und Flossenbürg gekommen ist. Der Widerstand – gleichgültig, ob der kommunistische, sozialistische oder der katholische – nötigt uns den größten Respekt ab. Ich darf erwähnen, dass mein Gymnasiallehrer als junger Mann im katholischen Widerstand war und nach Dachau und Mauthausen gekommen ist.

 

Niemand von uns weiß, ob er unter diesen Bedingungen auch so gehandelt hätte. Aber wir können diese Männer und Frauen – es waren viele Frauen darunter – ehren, indem wir mit unseren Mitteln in unserer Zeit, unter viel einfacheren Umständen, unseren Beitrag leisten.

 

So steht es in den Stiftungssatzungen: Der Ferdinand-Berger-Preis wird an jene verliehen, "die durch wissenschaftliche oder publizistische Leistungen oder durch besonderes öffentliches Auftreten einen markanten Beitrag gegen Neofaschismus, Rechtsextremismus, Rassismus oder demokratiegefährdendes Verhalten geleistet haben".

 

Ich bin geehrt, dass die Jury der Meinung war, ich hätte einen markanten Beitrag geleistet. Ich versuche das seit Jahrzehnten und ich bin da überhaupt nicht allein, das zeigen die bisherigen Preisträger und ich sehe heute in diesem Saal und in unserem Land überhaupt viele, die das unermüdlich tun.

 

Wir alle sollten uns aber bei der Gelegenheit dazu ein paar Fragen stellen, die sozusagen unseren publizistischen Kompass betreffen.

 

Erstens: wie groß ist das Ausmaß von Rechtsextremismus, Rassismus und demokratiegefährdendem Verhalten in diesem Lande immer noch?

 

Zweitens: haben wir etwas bewirkt? Und Drittens: was können wir besser machen?

 

Zur ersten Frage: Gestatten Sie mir, mich kurz auf die Forschungen des renommierten SORA-Instituts zu beziehen, das seit einigen Jahren einen sogenannten Demokratie-Monitor erstellt. Man kann die Ergebnisse des Demokratiemonitors grob so zusammenfassen:

 

Die grundsätzliche Zustimmung zur Demokratie ist in Österreich beruhigend hoch, sie pendelt in den letzten Jahren knapp unter 90 Prozent. Am anderen Ende gibt es ein paar Prozent mit ausgesprochen antidemokratischen Vorstellungen.

 

Aber es gibt etwas dazwischen - nämlich relativ viele Mitbürger, die relativ eigenartige Vorstellungen von der Demokratie haben. Wenn man den Leuten nämlich die Aussage vorlegt: "Es sollte einen starken Führer geben, der sich nicht um Parlament und Wahlen kümmern muss", dann stimmen seit Jahren so um die 20 Prozent zu.

 

Zusätzlich hat SORA aber noch erhoben, dass zwischen vier und neun Prozent der Bevölkerung dafür wären, dass die Unabhängigkeit der Gerichte, der Medien, die Meinungs-und Versammlungsfreiheit und die Oppositionsrechte ruhig eingeschränkt werden könnten – alles, wohlgemerkt, im Rahmen der Demokratie. SORA schließt daraus, dass seit 2018 ein Drittel der Bevölkerung autoritäre Demokratievorstellungen äußert und dass sich das verfestigt hätte.

 

Irgendwie ist das ziemlich österreichisch – sehr große Zustimmung zur Demokratie, aber ein bisserl was Autoritäres hätten nicht wenige doch gern.

 

Das nützen manche politischen Kräfte aus – sie versuchen diese latente Neigung zum Autoritären, zum Illiberalen eines nicht unbeträchtlichen Teils der Bevölkerung auf ihre Mühlen zu leiten. Diese Umgestaltung der liberalen Demokratie in eine illiberale, autoritäre haben wir in unserer unmittelbaren Nachbarschaft erlebt und in Ansätzen auch bei uns. Ich glaube, ich muss vor diesem Publikum nicht näher darauf eingehen.

 

Im aktuellen Fall tut die Institution Justiz ihre Arbeit. Aber dasselbe leistet auch eine kritische, investigative und demokratisch wachsame Publizistik. Kolleginnen und Kollegen in etlichen Medien sind da gerade jetzt am Werken.

 

Wir müssen freilich realistisch sein. Lange gewachsene, tief verwurzelte Mentalitäten, rassistisches, fremdenfeindliches, auch autoritäres Denken wird man nicht so leicht beseitigen.

 

Aber wir müssen da sein, wenn das politische, das demokratische System in diese Richtung zu kippen droht. Das ist unser Job. Immer wieder aufzuzeigen, wo die autoritäre Reise hingehen könnte, den Gutgläubigen und den Verharmlosern zu sagen: Vorsicht, hier wird gerade eine Grenze überschritten. Nämlich die Grenze von liberaler Demokratie, Rechtsstaat und Pluralismus zu einem autoritären, meist auch zutiefst korrupten System. Schaut noch einmal hin, wem ihr da gerade euer Vertrauen gegeben habt oder es ihm weiter geben wollt. Überlegt euch, wem ihr da gerade Macht übergebt und wie viel Macht ihr ihm übergebt.

 

Ich sage aber auch an dieser Stelle an die Politik: Überlegt euch, wie viel Macht und Geld ihr jenen Medien übergeben wollt, die autoritäre Bestrebungen mehr oder weniger unterstützen.

 

Nicht alle heißen gut oder wollen es auch nur verstehen, was wir da machen. Ich bin oft und oft von Lesern, aber auch von Bekannten gefragt worden: "Was haben Sie denn gegen den und den populären Politiker? Wieso schreiben Sie so kampagnenartig gegen den? Der meint das ja nicht wirklich so. Das ist halt Politik." Ich habe dann in diesen Fällen – ich glaube, ich muss die Namen hier nicht extra erwähnen – geantwortet: "Doch, der meint das so. Der oder die haben nichts Gutes mit unserer Demokratie im Sinn." Ich gestatte mir die unbescheidene Anmerkung: Die Realität war dann auch danach.

 

Zweite Selbstbefragung: Waren wir erfolgreich?

 

Die meisten hier haben den Aufstieg – und den Fall – von politischen Superstars erlebt, die fragwürdige Pläne für den Umbau unserer Demokratie hatten. Diese meist jüngeren Stars haben schon selbst zu ihrem eigenen Fall beigetragen – durch Hybris, durch zu krasses Machtstreben, durch die eigene Hemmungslosigkeit. Aber eine kritische journalistische Öffentlichkeit war da, um von Anfang an darauf hinzuweisen: Da stimmt etwas nicht.

 

Die Aufgabe einer kritischen Öffentlichkeit – und da beziehe ich auch die sogenannte Zivilgesellschaft mit ein – kann immer nur sein, auf die Maßstäbe hinzuweisen, auf die demokratischen Spielregeln, oft auch nur auf den schlichten politischen und menschlichen Anstand. Viel mehr können wir nicht tun. Aber es funktioniert doch manchmal.

 

Das ist der Moment, um kurz auf das Medium hinzuweisen, für das ich nun auch schon einige Zeit arbeiten darf. Der Standard ist eine Gründung von Oscar Bronner, um ein liberales Qualitätsmedium in einem Land zu etablieren, das es mit der Liberalität und der Qualität nicht so hatte. Wir sind nicht mehr nur ein liberales Nischenmedium, sondern ein Powermedium geworden. In der letzten Mediaanalyse stehen wir nun mit 7,3 Prozent Reichweite auf Platz vier der Tageszeitungen. Im Internetauftritt matchen wir uns mit der Krone um den Platz zwei hinter dem ORF. Das ist auch ein Erfolg der Kollegen mit Martin Kotynek an der Spitze.

 

Aber es bleibt noch die Frage an uns selbst: können wir besser werden in unseren "markanten Beiträgen" im Kampf gegen demokratieschädliches Verhalten, Rechtsextremismus, Rassismus?

 

Natürlich können wir das. Ein journalistisches Werkzeug, das jetzt wieder stärker eingesetzt wird, ist der Faktencheck. Die Devise der Demokratieunterwanderer lautet ja Flood the zone with shit – verbreitet, vor allem über die sozialen Medien, so viel faktenwidrigen Mist, dass die Menschen ganz blöd werden und nicht mehr wissen, was wahr ist. In seinem Essay Über Tyrannei. 20 Lektionen des 20. Jahrhunderts schreibt der Historiker Timothy Snyder unter Lektion 10: "Glaubt an die Wahrheit. Fakten aufzugeben bedeutet Freiheit aufzugeben. Wenn nichts wahr ist, dann kann niemand die Macht kritisieren, denn dann gibt es keine Basis, von der aus man es tun kann. Wenn nichts wahr ist, dann ist alles Spektakel."

 

Der bekannte Kulturwissenschaftler Walter Ötsch hat in seinem lesenswerten Buch Populismus für Anfänger (gemeinsam mit Nina Horaczek) der Politik den Rat gegeben, sich von den Demagogen nicht vor sich hertreiben zu lassen, sondern selbst die Themenführerschaft zu übernehmen und eigene Inhalte in den Vordergrund zu stellen.

 

Das kann man auch auf den kritischen Journalismus anwenden. Das heißt nicht, dass man Demagogen, Rechtsextreme, Antidemokraten nicht konfrontieren soll oder darf. Aber wir sollten nicht nur reagieren. Der kritische Journalismus sollte öfter ehrlich die Probleme der Bevölkerung ansprechen, bevor es die Demagogen unehrlich tun.

 

Ich habe mir vorgenommen, künftig mehr darauf zu achten.

 

Ich danke Ihnen.

 

 

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