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Josef Anton Baldermann (1941 - 2022)

 Nachruf von Marianne Enigl

„Mein Weihnachtswunsch: Seid nicht traurig, nicht weinen, Burli soll seine Kindheit heiter sehen und Erinnerung behalten, seid nur gut und lieb zu ihm und unter Euch, so wird sich mit der Zeit auch dieser Schlag des Schicksals ausgleichen. Nur immer zusammenhalten.“

(Brief von Josef Anton Baldermann aus dem Gefängnis in Berlin-Plötzensee am 24. Dezember 1942 an seine Familie in Wien)

Lieber Josef!

Ich möchte meinen Nachruf als Brief an Dich schreiben. Als Zeichen dafür, dass wir im Gespräch bleiben und in Gedanken mit Dir weiter reden, dich so in lebendiger Erinnerung behalten wollen.

Du warst der „Burli“, um den dein Vater in seinem Weihnachtsbrief aus Gefängnis Berlin-Plötzensee sich so gesorgt hat. Er war bereits wegen Widerstands gegen die Nazis zum Tod verurteilt, als er Weihnachten vor genau 80 Jahren an Deine Mutter und Dich geschrieben hat. Dein Vater war ein Kind des Roten Wien, „Nur immer zusammen halten“, solidarisch sein, mit dieser politischen Botschaft hat er euch bis zuletzt versucht aufzurichten. In seinem Abschiedsbrief hat er am 2. März 1943 deine Mutter gebeten, Dir seine Liebe zur Natur, den Tieren und den Menschen weiter zu geben: „Gesunde Menschen an Körper und an Geist wird die neugeordnete Welt notwendig brauchen.“

Josef, Du warst ein kleiner Bub als Dein Vater von den Nazis hingerichtet worden ist. Du hast ihn nie kennenlernen können. Und doch hast Du alles dafür getan, dass er und seine mit ihm hingerichteten Arbeitskameraden nicht vergessen werden. Jetzt hast Du im 82sten Lebensjahr selbst den letzten Weg beendet, Deine Stimme ist inmitten Deiner Familie in Wien verstummt.

Für mich bist Du ein Kind des Widerstandes. Die vielen Vollzieher der Nazi-Diktatur vom Werksspion in der Brigittenau bis zum Scharfrichter in Berlin haben Dir Deinen Vater geraubt.

Es sind mehr als 8000 Opfer des politischen Widerstandes gegen die Nazis in Österreich, von denen das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes Daten gesammelt und online gestellt hat. Wie viele Kinder so wie Du einen Elternteil oder sogar beide Eltern verloren, wissen wir nicht. Doch Deine Mutter und Du Ihr habt alles, was Euch vom Vater geblieben war, bewahrt: mit seinem letzten Lohnzettel, den Fotos aus Naturfreunde-Tagen und den so berührenden Haftbriefen ist das vor allem sein kleines Tagebuch, in das er als junger Sozialdemokrat schrieb, wie er vor den Nationalratswahlen 1923 in der Nacht den aufreibenden Dienst als Plakatwache machte, „aber ich tat es mit Begeisterung für eine gute Sache“. Dieses so besondere archivalische Vermächtnis hast Du mir als Grundlage für mein Buch über Deinen Vater anvertraut: „Baldermann, Wien 1903 – Berlin/Plötzensee 1943 Eine Arbeitergeschichte im Roten Wien“ (mandelbaum verlag, 2017). In der Frankfurter Allgemeine Zeitung hieß es, mit dieser Biographie wurde er „stellvertretend für die vielen weiterhin ungenannten ´kleinen Leute` in die Erinnerung an den NS-Widerstand eingeschrieben“.

An Deinen Vater denkend, hast Du immer Tränen in den Augen gehabt. Im Jahr 2013 als der heutige Wiener Bürgermeister und damalige Wohnbaustadtrat Michael Ludwig einen Gemeindebau nach Deinem Vater benannt hat. Oder im Jahr 2016, als die von Dir so verehrte Käthe Sasso, eine der letzten noch lebenden Widerstandskämpferinnen, mit dem Berufstitel ausgezeichnet wurde und sich mit großer Wärme der „Roten Hilfe“ erinnerte, in der viele wie Dein Vater Geld für verhaftete Genossen gesammelt haben. Oder als wir gemeinsam mit Deiner Frau Maria in Berlin waren, um auf Einladung der Gedenkstätte Deutscher Widerstand das Buch „Baldermann“ vorzustellen. An dem furchtbaren Ort in Berlin-Plötzensee, wo Dein Vater hingerichtet worden ist, hast Du einen Kranz niedergelegt und wir weinten mit Dir. Es sind so viele gemeinsame Momente die vielen Deiner Mitmenschen und mir immer im Gedächtnis bleiben werden.

Deiner Frau, Deinen drei Kindern und Deinem kleinen Enkelsohn bist Du das gewesen, was Deinem Vater so gewaltsam verwehrt worden ist: der überaus fürsorgliche liebevolle Familienvater: „Nur immer zusammenhalten.“ Ebendas hast Du Dir immer auch von Deiner Partei, der Sozialdemokratie, gewünscht.

Lieber Josef, Ruhe in Frieden.


                                Marianne Enigl, Wien im Dezember 2022

 

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