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Hans Maršálek (1914 - 2011)

Der Geburtstag des Widerstandskämpfers Hans Maršálek, Gründer des Museums und Archivs der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, jährte sich 2014 zum 100. Mal. Maršálek unterstützte das DÖW viele Jahre als Mitglied des Vorstands und gehörte bis zu seinem Tod 2011 dem Kuratorium des DÖW an.

 

Hans Maršálek wurde am 19. Juli 1914 in Wien als Ján Maršálek geboren. Seine Eltern waren wie viele andere aus dem Böhmerwald nach Wien gekommen, um hier Arbeit zu suchen. Maršálek wuchs im Arbeiterbezirk Hernals in einem sozialdemokratisch bestimmten Umfeld auf - beide Elternteile waren in tschechischen sozialdemokratischen Vereinen aktiv und gehörten der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei an, der Vater war sozialdemokratischer Bezirksrat. Auch Hans Maršálek, der eine Lehre als Schriftsetzer absolvierte, engagierte sich früh politisch, zunächst in der Sozialistischen Arbeiterjugend. Nach dem Februar 1934 schloss sich Maršálek dem Widerstand gegen den "Ständestaat" an. So war er für die Rote Hilfe, die insbesondere die Familien politisch Verfolgter unterstützte, tätig. Auch zur Gruppe der Revolutionären Sozialisten um den (1944 hingerichteten) Wiener Hauptschullehrer Johann Otto Haas hatte er Kontakt. Als Hans Maršálek nach dem "Anschluss" 1938 zur Deutschen Wehrmacht einberufen wurde, flüchtete er mit Unterstützung von Johann Otto Haas nach Prag, wo er in Verbindung zu Revolutionären Sozialisten und Angehörigen der tschechischen Kommunistischen Partei stand. Nach der Besetzung Böhmens durch Hitlerdeutschland im März 1939 half er mit, österreichische und deutsche NS-Gegner außer Landes zu bringen.

 

Seine Kontakte zu tschechischen Kommunisten führten ihn 1941 für einige Monate nach Wien zurück: er sollte in Österreich die Verbindung zu kommunistischen Angehörigen der Deutschen Wehrmacht herstellen. Über seine Freundin (und spätere Ehefrau) Anna Vavak traf er tschechische NS-GegnerInnen in Wien. Später erinnerte sich Maršálek in einem Interview an das Scheitern seiner urspünglichen Mission:

 

"Ich hab' kaum Kontakte gefunden. Denn '41, da war eine Begeisterung da, die tief hineingegangen ist in die Kreise der politischen Gegner des Nationalsozialismus. Nach diesen militärischen Erfolgen, da wurde jeder Widerstand als hoffnungslos betrachtet. Da war einerseits Angst und andrerseits Hoffnungslosigkeit.
Diese Zeit, diese dreieinhalb Monate, die ich da in Wien war, waren schrecklich für mich, dieses demütigende Betrachten eines Geisteskranken, der da irgend etwas will, was völlig unrealistisch ist - das ist ein Narr, der einen Widerstand organisiert!
Ich hatte früher doch viele Bekannte durch meine Tätigkeit bei der 'Roten Hilfe', da waren sehr viel Kontakte. Aber 1941 war's unmöglich. Da hat man gespürt, daß es vielen lieber war, keine Kontakte anzubahnen und nichts von mir zu wünschen. [...]
Also, ich muß noch ergänzen, daß ich damals keine Kommunisten gekannt hab'. - Man muß da ja aufpassen. - Sicher, ich hab' in der 'Roten Hilfe' gearbeitet. Ich hab' halt ein bißl kommunistisch und ein bißl sozialdemokratisch gefühlt und hab' den Unterschied nicht so groß gemacht, nicht so gemacht, wie ich's heute aus der Zeitgeschichte höre oder lese, oder wie's die Führer damals wahrgenommen haben. [...]
Ich habe damals jedenfalls nichts erreicht in Wien. Ich sollte Kontakte anbahnen zum Houdek und Valach, Leute, die ich von früher, vom Turnverein, gekannt hatte, die beim Militär waren. Ich hab' aber keine Verbindung gekriegt.
So ungefähr war '41 die Stimmung in Wien! Bis auf diesen Kreis der Wiener Tschechen. Da war nicht diese Stimmung. Da war diese Stimmung nicht! Aber mit den Tschechen, mit den Leuten um Nemeč, da hab' ich gesehen, es ist aussichtslos, was zu beginnen. Ich hatte doch Erfahrung mit konspirativer Arbeit aus Böhmen, aber da, bei denen, ist alles offen besprochen worden. Da haben vielleicht 20 Leute darüber geredet, was sie als nächstes anzünden wollen."

Interview mit Hans Maršálek, zit. nach: Erika Thurner, Hans Maršálek - Der Weg eines Wiener Tschechen ins KZ, in: Zeitgeschichte, Heft 2/1989, S. 90-112, hier S. 100.

 

Nach dreieinhalb Monaten in Wien reiste Maršálek im August 1941 wieder nach Prag. Im September 1941 begann in Wien die Verhaftungsaktion gegen die Mitglieder der von der Gestapo Wien als "Tschechische Sektion der KPÖ" verfolgten Gruppe. Hans Maršálek wurde in Prag am 28. Oktober 1941 festgenommen und in der Folge von dort an die Gestapo Wien überstellt. Ende September 1942 wurde er in das KZ Mauthausen eingewiesen.

 

Nach einigen Wochen in verschiedenen Arbeitskommandos wurde er auch aufgrund seiner slawischen Sprachkenntnisse Schreiber in der Lagerschreibstube und ab Mai 1944 zweiter Lagerschreiber. Bereits im Herbst 1943 hatte sich bei den aus politischen Gründen inhaftierten Österreichern eine Widerstandsgruppe gebildet, der auch Maršálek angehörte. Ziel war es, die Lagerfunktionen der Lagerselbstverwaltung zu besetzen, um so die Überlebenschancen zu erhöhen. Ab März 1944 war die Schreibstube des KZ nur noch mit politischen Häftlingen besetzt und wurde zum Zentrum des Widerstandes. Seine Position als Lagerschreiber konnte Maršálek in vielen Fällen nützen, um Mithäftlingen zu helfen. Gleichzeitig gewann er dadurch wertvolle Kenntnisse über das KZ Mauthausen - nach der Befreiung 1945 war er ein wichtiger Zeuge im Dachauer Mauthausen-Prozess (29. März bis 13. Mai 1946).

 

Ende Mai 1945 wieder in Wien, trat Hans Maršálek in den Polizeidienst ein. Maršálek war an der Errichtung und Erhaltung der Gedenkstätte Mauthausen maßgeblich beteiligt, 1963 wurde er vom Bundesministerium für Inneres damit betraut, in der Gedenkstätte Mauthausen ein Museum einzurichten. Bis zu seiner Pensionierung 1976 war er Leiter der Gedenkstätte und des Museums Mauthausen.

 

Insbesondere verdient machte sich Maršálek um die wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte des KZ Mauthausen; davon zeugen zahlreiche Publikationen, am bekanntesten seine Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen, bis heute ein Standardwerk (2006 in 4. Auflage erschienen).

 

Im Hinblick auf ein "Niemals wieder" war es sein Anliegen, vor allem junge Menschen über die NS-Vergangenheit aufzuklären und ihnen zeithistorisches Wissen zu vermitteln. Der ehemalige wissenschaftliche Leiter des DÖW, Wolfgang Neugebauer, erinnerte (anlässlich des 90. Geburtstages Maršáleks) an die beeindruckenden Fähigkeiten Maršáleks, historische Fakten weiterzugeben: "Meine erste Führung durch das ehemalige KZ Mauthausen erfolgte durch Maršálek und ist mir bis heute in Erinnerung geblieben - nicht weil er dramatische oder deklamatorische Erklärungen gab, sondern im Gegenteil: durch ruhige, sachliche, informative Ausführungen kam eine Fachkompetenz zum Ausdruck, die sowohl auf seinen Erfahrungen als Häftling als auch auf seiner Arbeit als Gedenkstättenleiter basierte." Hans Maršálek engagierte sich in verschiedenen Überlebendenorganisationen, er war u. a. Vorstandsmitglied der Österreichischen Lagergemeinschaft Mauthausen (der Vorgängerorganisation des Mauthausen Komitees Österreich) und Gründungsmitglied des Internationalen Mauthausenkomitees.

 

In Anerkennung seiner Verdienste um den Aufbau der KZ-Gedenkstätte Mauthausen und der wissenschaftlichen und publizistischen Aufarbeitung der Geschichte der KZ Mauthausen wurde Hans Maršálek 2009 von der Johannes Kepler Universität Linz der Ehrendoktor der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften verliehen. Maršálek starb am 9. Dezember 2011 im 98. Lebensjahr.

 

 

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