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Am 20.8.1938 wurde die "Zentralstelle für jüdische Auswanderung" eingerichtet.

Seit August 1938 befand sich in der Prinz-Eugen-Straße 20-22 (Palais Rothschild) im 4. Wiener Gemeindebezirk die "Zentralstelle für jüdische Auswanderung". Sie wurde auf Initiative Adolf Eichmanns errichtet, um die Vertreibung und Beraubung der österreichischen Jüdinnen und Juden zentral zu lenken. Die Israelitische Kultusgemeinde Wien, zionistische Organisationen und Hilfsorganisationen mussten Devisen und Einreisevisa beschaffen. Die zur Auswanderung gezwungenen Jüdinnen und Juden durften neben persönlichen Habseligkeiten nur so viel Geld mitnehmen, wie sie zur Erlangung der Einreiseerlaubnis in das künftige Exilland benötigten. Der gesamte übrige Besitz fiel spätestens im November 1941 an das Deutsche Reich.

Palais Rothschild (1906)

Ab Oktober 1939 organisierte die Zentralstelle für jüdische Auswanderung auch die Deportation von mehr als 48.000 österreichischen Jüdinnen und Juden in die Ghettos, Konzentrations- und Vernichtungslager. Nach Abschluss der Massendeportationen im Oktober 1942 übernahm die Gestapo die Zuständigkeit für die Deportation aus Wien. Am 6. Juli 1942 übersiedelte die Zentralstelle für jüdische Auswanderung in die Castellezgasse 35. Im Frühjahr 1943 wurde sie aufgelöst.

Adolf Eichmann und die österreichische Nachkriegsgeschichte

Adolf Eichmann (1906–1962) war einer der zentralen Täter des Holocaust. Er bildete 1938 als junger SS-Offizier in Wien in der Zentralstelle für jüdische Auswanderung eine Gruppe von Deportations-Spezialisten heran, die in den darauf folgenden Jahren Zehntausende Menschen in den Tod schickten. 1944 leitete er in Budapest die Deportation von mehr als 400.000 jüdischen Männern, Frauen und Kindern nach Auschwitz.

Eichmann gelang nach 1945 – wie vielen anderen NS-Tätern mit Hilfe der katholischen Kirche – die Flucht nach Argentinien, wo er, dank intensiver Recherchen insbesondere von Simon Wiesenthal, vom israelischen Geheimdienst aufgespürt und im Mai 1960 nach Jerusalem entführt wurde. Hier fand von 10. April bis 15. August 1961 der Prozess gegen ihn statt, in dessen Verlauf auch die Namen einer Reihe seiner österreichischen Mitarbeiter zur Sprache kamen, die bis dahin unbestraft geblieben waren – darunter Franz Novak, sein "Transportoffizier" in Budapest. Am 11. Dezember 1961 verkündete das Bezirksgericht Jerusalem das Todesurteil. Nach Bestätigung des Urteils durch den israelischen Obersten Gerichtshof und der Ablehnung des Gnadengesuchs wurde Eichmann am 1. Juni 1962 gehenkt.

Der Eichmann-Prozess löste in den österreichischen Medien ein breites Echo aus. Bereits vor dem Prozess berichteten nicht nur die großen Tageszeitungen, sondern auch regionale Wochenblätter – erstmals seit der unmittelbaren Nachkriegszeit – ausführlich über die nationalsozialistischen Verbrechen. Simon Wiesenthal machte in einer Pressekonferenz darauf aufmerksam, dass 13 der 30 engsten Mitarbeiter Eichmanns Österreicher waren und sich von diesen noch acht unbehelligt in Freiheit befanden. Das Medienecho trug sicher dazu bei, dass auch die österreichische Justiz wieder gegen NS-Täter aktiv wurde, im Innenministerium wurde eine eigene Abteilung zur Ausforschung von NS-Verbrechern gebildet.

Obwohl die Bundesregierung zwei Prozess-Beobachter nach Jerusalem entsandt hatte, erfolgte keine öffentliche Stellungnahme. Österreich betrachtete sich zu dieser Zeit noch als "Opfer", die Regierung bemühte sich nachzuweisen, dass Eichmann Deutscher war. Tatsächlich war Adolf Eichmann formal kein Österreicher, da er bereits volljährig war, als sein aus Solingen nach Linz zugewanderter Vater die österreichische Staatsbürgerschaft annahm. Er ist jedoch in Linz aufgewachsen und Nationalsozialist geworden, und auch seine Mitarbeiter – die so genannten "Eichmann-Männer" – waren großteils Österreicher.


Literatur:

Anderl, Gabriele / Rupnow, Dirk: Die Zentralstelle für jüdische Auswanderung als Beraubungsinstitution. Wien/München (Oldenbourg Verlag) 2004.
Milotová, Jaroslava: Die Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Prag. Genesis und Tätigkeit bis zum Anfang des Jahres 1940. In: Theresienstädter Studien und Dokumente (4/1997), S. 7-30.
Hájková, Anna: The Making of a Zentralstelle (Die Eichmann-Männer in Amsterdam). In: Theresienstädter Studien und Dokumente (10/2003), S. 353-382.

 

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