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"Zur Zeit" feierte Geburtstag

Neues von ganz rechts - November 2001

Am 10. November versammelte sich auf Burg Kranichberg (Gloggnitz/NÖ) aus Anlass des vierjährigen Bestehens des regierungsnahen Wochenblattes Zur Zeit (ZZ) die Führungsriege mehrerer europäischer Rechtsaußenparteien.

Das völkische Treffen stand unter dem Motto "Europas Rechtsparteien und die Medien" und wurde durch ein Impulsreferat des FPÖ-Historikers, wissenschaftlichen Leiters der FPÖ-Parteiakademie und ZZ-Kolumnisten Lothar Höbelt eröffnet. Zuvor richtete noch Barbara Rosenkranz, FPÖ-Landtagsabgeordnete in Niederösterreich, Grußworte an die Versammelten. Sie sei froh, den Tag mit Menschen verbringen zu können, die sich "nicht dem Mainstream anschließen" und "eigenständig und frei" denken. Am Nachmittag fand dann unter Leitung des ZZ-Chefredakteurs Andreas Mölzer eine Podiumsdiskussion "mit prominenten Ehrengästen der Rechtsparteien" statt. Neben einem "hochrangige[n] Mitglied der FPÖ", welches sich als Volksanwalt Ewald Stadler entpuppte, nahmen an der Podiumsdiskussion teil:

 

  • Heinrich Lummer, ehemaliger Berliner Innensenator und rechter CDU-Flügelmann, nebenbei Ehrenpräsident von Joachim Siegerists rechtsextremer Sammlung Die Konservativen. Der polternde Rechtskonservative kommentierte seine Anwesenheit trotzig: "Ich fühle mich in dieser rechtsextremen Runde wohl."

 

  • der in ZZ als "Hoffnung der französischen Rechten" bezeichnete Bruno Mégret, Vorsitzender des Mouvement National Republicain (MNR), einer Abspaltung von Le Pens Front National

 

  • Filip Dewinter, Vorsitzender des Vlaams Blok. Der flämische Nationalist echauffierte sich über den "regelrechte[n] Boykott gegen den Vlaams Blok und die nationale Rechte im Allgemeinen".

 

  • Heli Susi von der estnischen Vaterlandspartei

 

  • Alfred Mechtersheimer, der sich als Vorsitzender von Frieden 2000 und der Deutschland-Bewegung laut Verfassungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen in jüngster Zeit "zu einem der wichtigsten Protagonisten rechtsextremistischer Bestrebungen" gemausert hat. Eingeladen wurde Mechtersheimer als Hauptinitiator der Deutschen Aufbau-Organisation, eines weiteren Sammlungsversuches der zersplitterten rechtsextremen Szene in Deutschland. Er zog gegen den angeblichen Extremismus von "Ausländern" vom Leder und wollte "in der multikulturellen Gesellschaft eine Gefährdung des inneren Friedens" sehen.

 

  • István Csurka, Führer der ungarischen Partei der Gerechtigkeit und des Lebens (MIÉP), der laut APA die Terroranschläge vom 11. September neuerlich offen gerechtfertigt haben soll: "Die unterdrückten Völker der Welt konnten nicht die Erniedrigung durch die Globalisierung, die Ausbeutung und den in Palästina planmäßig durchgeführten Genozid ohne einen Antwortschlag erdulden."

 

Nicht erschienen war der angekündigte "Vertreter aus Italien", auch der stellvertretende kroatische Verteidigungsminister a.D. Kresmir Cosic (HDZ) glänzte durch Abwesenheit. Eine derartige Umgebung wäre den Versuchen der HDZ, im Lager der europäischen Konservativen Aufnahme zu finden, wohl hinderlich gewesen.

Im Vordergrund der Podiumsdiskussion stand die Bestätigung, dass es sich bei Rechtsextremen um Opfer - etwa der "Diktatur der linken Journaille" oder des "p.c.-Terrors" - handle. So durchsichtig die Motive dieser Selbststilisierung auch sind, das Gefühl, dauernd verfolgt zu werden, ist auch authentisch: der Glaube an Weltverschwörungen kennzeichnet Angehörige dieses Milieus seit jeher.

Ausgeklungen ist das Treffen mit einem "festlichen Abendessen im vertraulichen Kreis mit unseren Ehrengästen", zu welchem potentielle Geldgeber geladen wurden. Dabei sollen mehr als ATS 500.000 lukriert worden sein. Laut APA sei auch Horst Mahler, Führungskader der gegenwärtig von einem Verbot bedrohten Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), erwartet worden. Mahler, der unlängst öffentlich ein Verbot der jüdischen Gemeinden in Deutschland forderte und wie Csurka die Terroranschläge in den USA billigte, erschien jedoch nicht. Hingegen hat die APA unter den Saalschützern einen vormaligen Führungskader der neonazistischen VAPO Gottfried Küssels identifiziert. Stark vertreten war die FPÖ: Neben Höbelt, Stadler, Rosenkranz und Gudenus nahm "eine Reihe prominenter Freiheitlicher" (Mölzer) am Treffen teil, darunter Johann Herzog (FPÖ-Stadtrat in Wien) und Nikolaus Amhof (FPÖ-Landtagsabgeordneter in Wien). Anwesend waren darüber hinaus der Grazer Verleger Wolfgang Dvorak-Stocker, der steirische Landesrat a.D. Helmut Heidinger (ÖVP) sowie der Münchner Verleger und ZZ-Financier Herbert Fleissner.

Die aktuelle FPÖ-Spitze wollte sich nicht hinter die Mölzersche Einladungspolitik stellen. Vielmehr meinte FPÖ-Generalsekretär Peter Sichrovsky zur Teilnahme von Stadler und Rosenkranz, dies sei deren private Entscheidung gewesen und nicht durch einen offiziellen Beschluss der Parteispitze gedeckt. Auch die Vizekanzlerin und FPÖ-Frontfrau Riess-Passer kam der Aufforderung der Opposition nach und distanzierte sich von Treffen und Blatt ihrer Parteifreunde Mölzer und Gudenus. Wobei sich die "Distanzierung" in der Leugnung jeglicher Beziehung zwischen Zur Zeit und FPÖ erschöpfte. Was davon zu halten ist, wird von den derart im Regen stehen Gelassenen nicht ohne Häme angedeutet: "Es liegt ferne, der Frau Vizekanzlerin der Unwahrheit zu zeihen, man will nicht in Verruf kommen, am rechten Bein ihres Sessels zu sägen." (ZZ 47/2001, S. 4)

Anders das Verhalten der ÖVP-Spitze: Bundeskanzler Schüssel kanzelte beim Pressefoyer nach dem Ministerrat (13. 11.) etwa einen Journalisten ab, der es wagte, ihn nach seiner Meinung zum völkischen Treffen zu fragen. Geübt in der Abwehr von Kritik an der FPÖ erklärte Schüssel die TeilnehmerInnen am ZZ-Treffen zu Personen, "die sich im demokratischen Spektrum bewegen" würden. Und weil dem so ist, bedeute jede Kritik an diesen eine "Diffamierung". Am 22. November verteidigte er im Parlament die Presseförderung für Zur Zeit: Dabei schob er einmal mehr die Qualifizierung von ZZ-Beiträgen als antisemitisch und rechtsextrem den Gerichten zu. Tatsächlich gibt es in Österreich aber kein Gesetz gegen Rechtsextremismus, und antisemitische Verhetzung wird nur in den seltensten Fällen von der Justiz auch als solche geahndet. Verboten ist hingegen NS-Wiederbetätigung. Genau diese wurde im nun geförderten Blatt aber betrieben. Die Verurteilung eines ZZ-Autors nach dem Verbotsgesetz fand sogar Eingang in den jüngsten Rechtsextremismus-Bericht des Innenministeriums.

Hinter der Distanzierung seitens der FPÖ-Führung steht unter anderem die Uneinigkeit bezüglich einer Vernetzung und gemeinsamen Kandidatur der Euro-Rechten. Während die PragmatikerInnen in der Partei Haiders Absicht, bei den nächsten Wahlen zum Europäischen Parlament (1994) mit einer europaweiten Liste anzutreten, als bloße Aufforderung zur Unterordnung verstanden wissen wollen, suchen die völkischen Fundamentalisten das personelle wie inhaltliche Bündnis. Sichrovsky brachte in seiner Reaktion zum ZZ-Treffen erstere Position zum Ausdruck: Die FPÖ "hat weder die Absicht noch das Ziel, gemeinsam mit so genannten 'rechten' oder 'rechtsextremen' Parteien in Europa zusammenzuarbeiten oder gemeinsame Listen für nationale oder europaweite Wahlen zu erstellen". Dies stehe nicht im Widerspruch zur von Haider "angekündigten Idee europaweit mit einer freiheitlichen Liste bei den nächsten EU- Wahlen anzutreten". Das bedeute aber "keinesfalls [...], dass die FPÖ sich jenen Parteien anschließt, die sich selbst als das 'rechte Lager' in Europa definieren".

Mölzer, vormaliger FPÖ-Chefideologe und -Bundesrat, stößt sich an dieser Abgrenzung: "Insbesondere die erfolgreichen Rechtsparteien haben die Tendenz, Berührungsängste gegenüber anderen ideologisch nahe stehenden Gruppen zu entwickeln. Dies deshalb, da man meint, politisch korrekt vorzugehen, um koalitionsfähig und regierungswürdig für das politische Establishment zu sein. Demgemäß sind etwa Rechtsparteien, die zur Zeit an der Regierung sind, [...] einigermaßen sorgfältig darauf bedacht, Kontakte zu anderen Rechtsparteien zu meiden." (ZZ 45/2001, S. 1)

Aber wie so oft dürfte auch hier eine Art Arbeitsteilung Platz greifen: Während man sich an der Spitze der FPÖ den Annäherungsversuchen europäischer Rechtsextremisten gegenüber offiziell verschließt, wird in der zweiten Reihe und im FPÖ-Vorfeld emsig an einer Vernetzung gearbeitet. Tatsächlich versuchen Mölzer und Kameraden, die FPÖ-Spitze vor vollendete Tatsachen zu stellen, wenn diese ihren Wunsch nach einer europäischen freiheitlichen Liste verwirklichen will.

So oder so, das Treffen auf Burg Kranichberg sollte einer Intensivierung der Zusammenarbeit innerhalb der europäischen Rechten auch jenseits einer etwaigen gemeinsamen Kandidatur dienen. Dabei war der Ort nicht zufällig gewählt. Mölzer streicht die Rolle Österreichs und der FPÖ beim Aufbau einer Euro-Rechten offen heraus: "Die FPÖ schaffte den Durchbruch gegen die Ausgrenzung Rechter. [...] [Die Freiheitlichen] waren Ende der 90-er Jahre auch die Ersten, die mit ihrer Regierungsbeteiligung [...] für Mitte-Rechts-Bündnisse in Europa den Weg frei machten. [...] Faktum bleibt, dass seit der Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen immer häufiger quer durch Europa zuvor als rechtsextrem diffamierte Gruppierungen als koalitions- und bündnisfähig [...] erachtet werden." (ZZ 45/2001, S. 6)

 

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