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Presseförderung für "Zur Zeit"

Neues von ganz rechts - November 2001

"Österreich neu regieren": Steuergeld für Vorfeldorgan des Rechtsextremismus

 

Von Andreas Peham


Laut dem Nachrichtenmagazin profil unterstützt die österreichische Bundesregierung Andreas Mölzers Wochenblatt Zur Zeit mit 800.000 Schilling aus den Mitteln der Presseförderung. Auf den Charakter von Zur Zeit als publizistisches Bindeglied zwischen Konservativismus und Rechtsextremismus wurde vom DÖW wiederholt hingewiesen.

 


Brückenbau zwischen Konservativismus und Rechtsextremismus

Andreas Mölzer, der eifrigste Publizist der extremen Rechten in Österreich, sieht es als eine seiner Aufgaben, die völkische Weltanschauung salonfähig zu machen. Dazu versuchte er zunächst das rechtsextreme FPÖ-Vorfeldorgan Aula für konservative Autoren zu öffnen und so aus der weitgehenden Isolation zu führen. Nachdem jedoch das "freiheitliche Magazin" aus Graz Mitte der 90-er Jahre wegen Holocaust-Leugnung nach dem NS-Verbotsgesetz verurteilt worden war, kehrte Mölzer der Aula den Rücken und konzentrierte sich in der Folge auf die Herausgabe einer Österreich-Ausgabe der deutschen Wochenzeitung Junge Freiheit (JF), welche im Verfassungsschutzbericht regelmäßig als Publikation im Grenzbereich zwischen Konservativismus und Rechtsextremismus erwähnt wird. Aus dem österreichischen JF-Ableger entstand im Herbst 1997 Zur Zeit, wobei die enge Zusammenarbeit mit den deutschen Gesinnungskameraden fortgesetzt wurde. Darüber hinaus ist die JF im Besitz eines zehnprozentigen Anteils am W3-Verlag, dem Eigentümer von Zur Zeit. Als weitere Anteilseigner scheinen u. a. der deutsche Verleger Herbert Fleissner (20 %), der von Finanzminister Grasser als Personalberater engagierte Joachim Kappel (10 %), der Grazer Leopold Stocker Verlag (10 %), der Wiener Karolinger-Verlag (10 %) sowie Mölzer selbst (mit ebenfalls 10 %) auf. Herausgegeben wird Zur Zeit von Mölzer, der gleichzeitig auch die Chefredaktion innehat, dem FPÖ-Bundesrat John Gudenus und dem Botschafter a. D. Johann Dengler.

Zunächst war dem Projekt seine Herkunft noch deutlich anzumerken: In der ersten Ausgabe schien im Impressum der amtsbekannte Kärntner Neonazi Helmut Adolf Sch. als Graphik-Verantwortlicher auf. Auch die AutorInnen des Blattes entstammten anfänglich mehrheitlich dem rechtsextremen Milieu. Doch mit der Zeit schienen immer mehr Konservative als Zur Zeit-AutorInnen auf.

Mitte 2000 erfuhren Mölzers Brückenbauversuche jedoch einen Rückschlag: Der rechtskonservative Publizist Kurt Dieman beendete überraschend seine Tätigkeit für Zur Zeit, nicht ohne "in einer Grazer Lokalpostille [Steirische Wochenzeitung] wüste Abrechnung zu halten". (<i 30-31/2000, S. 5) Dieman "bezichtigte ZZ-Chefredakteur [Mölzer] der 'reinen Anschlusspropaganda', stellte die ZZ-Herausgeber Johann Josef Dengler und Bundesrat John Gudenus als 'Mittel zum Zweck, ehrbare Aushängeschilder' bloß und titulierte das redaktionelle Umfeld der 'Zur Zeit' als 'altdeutsch Faschierte'". Im Info-Dienst der Katholischen Presseagentur (Nr. 221) attestierte Dieman Mölzer schließlich eine "problematische und widerspruchsvolle Haltung zu Österreich". (S. 2) Er gestand jedoch ein, Mölzers Deutschnationalismus lange Zeit nicht ernst genug genommen zu haben: "Im Anschluss an die deutsche Vereinigung veröffentlichte dieser [Mölzer] ein Buch mit dem verräterischen Titel: 'Und wo bleibt Österreich?' Schon damals hätten bei allen um eine Annäherung zur FPÖ bemühten Katholiken und Patrioten die Alarmglocken läuten müssen!" Und weiter: "Den Ruf der Leipziger Demonstranten von 1989, 'wir sind ein Volk', deutet Mölzer als 'Kampfansage an die Verfechter des Status quo von 1945'. Dieser Status ermöglichte das Wiedererstehen eines selbständigen Österreich: getragen von der Mehrheit eines sich zur österreichischen Nation bekennenden Volkes und nicht von ein paar altdeutsch faschierten Großdeutschtümlern!" (Ebenda, S. 3) Laut Dieman möchte Mölzer "rot-weiß-rote Schlagbäume fallen sehen, wie einst im Unheilsmärz 1938". Da dieser Wunsch aufgrund der Gesetzeslage nicht offen formuliert werden könne, müsse der Zur Zeit-Chefredakteur wahre "Eiertänze" aufführen, um der strafrechtlichen Verfolgung zu entgehen. Alles in allem handle es sich beim Mölzer-Buch aber um "nur allzu plump getarnte Anschlusspropaganda". (Ebenda, S. 4)


Ritualmordlegende wieder aufgewärmt

Im Dezember 1997 sorgte Zur Zeit erstmals für Aufregung in einer breiteren Öffentlichkeit: In der Ausgabe 7/1997 griff der konservative Theologe Robert Prantner tief in das Repertoire des christlichen Antijudaismus. Unter dem Titel "Gratwanderung auf einer Einbahnstraße" wärmte er insbesondere die mittelalterliche Ritualmordlegende wieder auf. "Es wäre eine Verfälschung der Geschichte," schreibt Prantner, "etwa bestimmte Ritualmorde zu mittelalterlicher Zeit dem phantasiebestimmten 'Hass des Nationalsozialismus' zuzuschreiben. Auch Verbrechen von jüdischen Menschen an Christen sind beklagenswerte Geschichte, an Kindern, wie etwa dem seligen Märtyrerkind Anderl von Rinn wie an erwachsenen Menschen zu vorösterlicher Zeit." (S. 4)

Als Hintergrund aller Ritualmordlegenden erscheint der Vorwurf des "Gottesmordes" durch "die Juden" und die Behauptung ihrer verschwörerischen Tätigkeit zur Vernichtung des Christentums. Auch bei Prantner kommt dies deutlich zum Ausdruck, wenn er in Zur Zeit von den "blutigen Verbrechen jüdischer Vertreter (nicht 'des Judentums' an sich) an katholischen Christen" schreibt. Denn wen sollten die der Verbrechen bezichtigten Juden und Jüdinnen sonst "vertreten", wenn nicht das Judentum oder zumindest die gesamte örtliche Gemeinde, die schon von den antijüdischen Eiferern im Mittelalter kollektiv des Ritualmordes bezichtigt wurde? Weiter unten gibt Prantner dann auch jede diesbezügliche Zurückhaltung auf: "Auch das Blut gemordeter Christen, vergossen durch jüdische Hand, schreit zum Himmel! So erwartet man einen Kongress der Weltjudenheit auf religiöser Grundlage, in dessen Verlauf das 'Neue Gottesvolk' - des 'Neuen Testaments', geboren aus dem Blute Jesu, am Kreuze durch den Hohen Rat der Judenheit vor knapp 2000 Jahren - um Verzeihung gebeten wird." Im Rückfall hinter das II. Vatikanische Konzil macht Prantner also wieder die "Judenheit" für den Tod Jesu verantwortlich und behauptet zudem eine Bringschuld der "Weltjudenheit" - früher: "Weltjudentum". Dieses weigere sich bis heute beharrlich, sich für "durch jüdische Hand" begangene "Verbrechen" zu entschuldigen: "Denn niemals schienen diese jüdischen Persönlichkeiten die Demut in ihrem eigenen Sinne und Gewissen zu mobilisieren, auch ein Wort, eine Geste, ein Zeichen des Bedauerns, der Reue, der Entschuldigung zu setzen." Prantners antijüdische Ausfälle beziehen ihre Energie aus einem weiteren altbekannten Vorwurf, nämlich aus dem der Blindheit und der Verweigerung "gegenüber den zentralen Wahrheiten der christlichen Offenbarung, wie der Gottheit [...] des jüdischen Sohnes der Jüdin Maria, Jesus von Nazareth".

Schließlich attackiert Prantner den Innsbrucker Altbischof Stecher, der mit dem Spuk und Aberglauben rund um den "Judenstein" von Rinn ein (offizielles) Ende machte. Stecher "war schlecht beraten, für die Liquidation der Verehrung des kleinen Märtyrerkindes eine goldene Ehrenmedaille der Innsbrucker Kultusgemeinde und/oder der jüdischen Loge B'nai B'rith just am Fronleichnamfeste der katholischen Kirche entgegenzunehmen". Auffallend deutlich erscheint hier die Parallele zu Gerd Honsiks Neonazi-Postille HALT (57, Jänner/Februar 1991). Dort heißt es unter dem Titel "Der Judas von Rinn": "Es ist wohl kein Zufall, dass Bischof Stecher von der einfältigen Herde des katholischen Kirchenvolkes unbemerkt, kürzlich von der atheistischen Freimaurerloge B'nai B'rith ausgezeichnet worden ist."

Abschließend bekräftigt Prantner sein Festhalten am antijüdischen Kult und bittet "um die Fürsprache des von der römisch-katholischen Kirche selig gesprochenen Märtyrerkindes Anderl von Rinn am 'Judenstein', dem das gläubige Volk die Treue hält". Damit befindet sich der Theologe in der Gesellschaft prominenter heimischer RechtsextremistInnen. So mobilisiert etwa Hemma Tifner in ihrem (regelmäßig in Zur Zeit beworbenen) Blatt Die Umwelt Gleichgesinnte aus Österreich und dem benachbarten Bayern alljährlich zur "Anderlfeier".

Während die Staatsanwaltschaft Wien in Prantners Ausfällen den Tatbestand der Verhetzung nicht erkennen konnte und eine Anzeige niederschlug, verurteilte der Österreichische Presserat den Artikel.


NS-Apologie und Holocaust-Leugnung

Ende Jänner 2001 wurde der Zur Zeit-Autor Hans Gamlich nach dem NS-Verbotsgesetz zu einer einjährigen bedingten Haftstrafe (noch nicht rechtskräftig) verurteilt. Er hatte in der Ausgabe 23/1999 nationalsozialistische Verbrechen geleugnet und grob verharmlost. In seinem Beitrag "Zweifel, Vater der Erkenntnis" (S. 11) nennt Gamlich Adolf Hitler einen "großen Sozialrevolutionär", dessen Stellvertreter Rudolf Heß einen "kühnen Idealisten". Die Schuld Nazi-Deutschlands am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wird durchwegs geleugnet; nicht die NS-Führung, sondern Churchill habe laut Gamlich "Europa in die Katastrophe" gestürzt. Der Überfall auf die Sowjetunion, der am Beginn des rassistisch und antisemitisch motivierten Vernichtungskrieges stand, wird bei Gamlich zu einer "notwehrhaften Präventivaktion" "zum Schutz Europas". Den Holocaust und die Anzahl der sechs Millionen Opfer desselben bezeichnet er abwechselnd als "Dogma" und "Mythos", welcher "im größten Schauprozess der Weltgeschichte in Nürnberg institutionalisiert" wurde und "sich nurmehr quasireligiös begründen" lasse. Im Rückgriff auf bekannte rechtsextreme und neonazistische Geschichtsfälscher ("Revisionisten") behauptet Gamlich die Unmöglichkeit der "Massenvergasungen mittels Zyklon-B" in den nationalsozialistischen Vernichtungslagern. Dabei bezieht er sich auf die "naturwissenschaftlich-technischen Gutachten" etwa von Germar Rudolph, der sich derzeit auf der Flucht vor einer Strafverfolgung befindet und bereits 1995 in Stuttgart wegen Volksverhetzung und Aufstachelung zum Rassenhass verurteilt wurde. Auch die übrigen, von Gamlich angeführten Vertreter der so genannten "Auschwitzlüge" (Robert Faurisson, Fred A. Leuchter) wurden bereits in Frankreich und Deutschland angeklagt oder verurteilt.

Unmittelbar nach dem Erscheinen dieses "revisionistischen" Artikels ließ Zur Zeit-Chefredakteur Mölzer seinen Rücktritt verkünden. Jedoch wurde dafür nicht Gamlichs Umgang mit der historischen Wahrheit verantwortlich gemacht, sondern Mölzers "zeitliche Belastung im Rahmen seiner neuen Beratertätigkeit für die Kulturabteilung der Kärntner Landesregierung und den Kärntner Landeshauptmann" (Zur Zeit 25/1999, S. 2). Als Nachfolger wurde Helmut Müller, "Schriftleiter" des rechtsextremen Eckartboten und bei Zur Zeit zuvor bereits leitender Redakteur, eingesetzt.


Gegen "Weltjudentum" und "Freimaurerei"

Erwartungsgemäß schlug Zur Zeit unter Müllers Leitung weiterhin deutliche Töne an. So suggeriert Ivan Denes in der Ausgabe 43/1999, beim Holocaust und der Erinnerung daran handle es sich vorrangig um einen "Identitätsstifter" des "US-Judentums" (S. 8). Daneben stellten die Leiden der Juden und Jüdinnen laut dem Zur Zeit-Autor eine Quelle für Macht und Einfluss dar, habe sich doch mit zunehmender Präsenz des "Holocausts" in der US-amerikanischen Öffentlichkeit "die Position des US-Judentums von der Peripherie der Gesellschaft [...] in das Zentrum des politischen und wirtschaftlichen Lebens und der Medienbranche" verschoben. Die angebliche Herrschaft des Judentums solle nun auch auf internationaler Ebene mittels "Auschwitzkeule" (Martin Walser) abgesichert werden. Dazu müssten jüdische Organisationen - so Denes - mittels "Restitutionsforderungen" versuchen, "die Vorstellung vom Holocaust auf internationaler Ebene dauerhaft zu sichern, wobei ein Leidensmonopol beansprucht und der Vergleich mit anderen Völkermorden mit theologischem Eifer bekämpft wird".

Noch deutlicher wurde Kurt Dieman in seiner Kolumne: Der erzkonservative Publizist sah sich angesichts der Reaktionen im Ausland auf die FPÖ-Erfolge an Waldheim-Zeiten erinnert. Damals wie heute stünden hinter der "Hetze gegen unser Volk und Vaterland" die "Freimaurerei" und die "hinter dieser stehenden internationalen Mächte" (Zur Zeit 43/1999, S. 19). Der Staatssekretärin im Außenamt, die als erste auf die negativen Reaktionen im Ausland hingewiesen habe, empfiehlt Dieman kurzerhand, "ihre politische Tätigkeit vom Außenministerium in die Knesset zu verlegen".

Auch mit dem Abdruck von LeserInnenbriefen belegen die Zur Zeit-Macher ihre Weltanschauung. So schrieb ein Helmut N. : "Wenige außer Ihnen [Dieman] wagen heute noch, die de facto Weltherrschaft des Judentums und ihres verlängerten Armes, der Freimaurerei, anzusprechen. [...] Die jüdische Machtergreifung im Kapitalismus [...] und Bolschewismus [...] hat zweifellos wesentlich zum nun schon beinahe hundertjährigen europäischen Bürgerkrieg beigetragen, wobei die Alternativen, Hitler auf der einen und ein nicht jüdisch dominierter Kommunismus á la Stalin oder Rotchina wahrlich nicht besser waren (sind)." (10/2000, S. 19)
Der Leserbrief wurde vom DÖW an die Staatsanwaltschaft Wien zwecks Überprüfung der strafrechtlichen Relevanz (Verhetzung) weitergeleitet. Diese sah jedoch neuerlich keinen Grund zum Einschreiten.

Nach Mölzers Rückkehr auf den Posten des Chefredakteurs (Ende 1999) blieb der Antisemitismus das einigende Band. So verlangte ein "Norbert Niemann" (Pseudonym) ein Ende der "Vergangenheitsbewältigung": "Nun heißt es zwar im alttestamentarischen Denken, dass gesühnt werden müsse bis 'ins siebente Glied', in einer zunehmend schnellebiger werdenden Zeit sind die Ereignisse in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts aber für die heutige Generation in eine derartige Ferne gerückt, dass trotz ständiger medialer Aufbereitung und trotz der intensivsten Bemühungen Hollywoods ein Schuldbewusstsein kaum mehr vorhanden sein kann." (1-2/2000, S. 1) Laut "Niemann" müssen "weitere Forderungen nach Wiedergutmachung [...] für neue Generationen immer mehr nach brutalem 'Abzocken' und 'Abkassieren' aussehen". Neben dem "alttestamentarischen Hass" wärmt er mit der Behauptung, die Juden und Jüdinnen seien selbst am Antisemitismus schuld, ein weiteres antisemitisches Stereotyp auf: "Das, was es bislang höchstens noch als ein Vorurteil unter vielen anderen in unseren Breiten gegeben hat, nämlich den Antisemitismus, könnte auf diese Art wieder entstehen. Nehmen dies die Betreiber der erneuerten Wiedergutmachungsforderungen bewusst in Kauf?" Auch die Behauptung, die "Juden" würden den Holocaust zu ganz anderen Zwecken als der "Vergangenheitsbewältigung" ausnützen, darf in "Niemanns" Schlussstrichforderung nicht fehlen. So behauptet er, die "Debatten" um Wiedergutmachungen seien ein "Instrument aktueller politischer Bestrebungen". Und weil der "Jude" für Antisemiten seit jeher auch in politischer Hinsicht den prototypischen Anti-Deutschen darstellt, besteht kein Zweifel über das Ziel dieser Bestrebungen: "Allzu große deutsche Eigenständigkeit pflegt man nahezu schon gewohnheitsmäßig mit dem Hinweis auf die NS-Vergangenheit zu unterbinden."

Auch in ihrer Abwehr der Kritik an der freiheitlichen Regierungsbeteiligung schlug Zur Zeit wiederholt antisemitische Töne an. Der breiten internationalen Ablehnung der FPÖVP-Koalition widmete man gar eine Sondernummer, in welcher die "Hintergründe" der gegenwärtigen Kampagne aufgedeckt wurden, nämlich "der alte Deutschenhass, der auf dem kleinen Österreich abgeladen werden kann, und jüdisch-israelische Ambitionen, einen Buhmann zu haben, um weitere finanzielle Forderungen zu legitimieren" (7a/2000, S. 1). Laut Mölzer sei es "bequem, das kleine Land zu prügeln, wenn es darum geht, die Deutschen insgesamt bußfertig und zahlungsbereit zu halten". Mit dem Bild des "hässlichen Deutschen" könne "man Wahlkämpfe in New York führen wie Hillary Clinton und Milliarden lukrieren wie Rechtsanwalt Fagan". In der Ausgabe 15/2000 ritt der katholische Fundamentalist Friedrich Romig eine Attacke gegen eine angebliche Verschwörung, hinter der der ehemalige "Europabeauftragte" von Bischof Krenn eine "liberal-sozialistisch-kommunistisch-internationalistische Clique" vermutete, die nicht nur Bundespräsident Klestil die Präambel zur Regierungserklärung "in die Feder diktiert" habe, "sondern die auf Knopfdruck auch die Großdemonstration in Wien und die 'spontanen' Proteste in Brüssel, Paris, Lyon, London, New York, ja sogar im fernen Sydney organisiert hat". (S. 3) Für alle, die noch nicht wissen, wer damit gemeint ist, hat Romig noch einen Hinweis parat: "Es ist die gleich Clique, die schon beim Waldheim-Komplott aktiv war, nur jetzt noch massiver." Bei ihrem neuerlichen Griff nach der Weltherrschaft bediene sich diese "Clique" der von Romig so verachteten Werte wie "Humanität, Gleichheit, Brüderlichkeit, Menschenrechte, Solidarität, Antinationalismus, Antifaschismus, Demokratie, Toleranz, Pluralismus". Derartiger Weltanschauung entspricht auch die von Romig betriebene Relativierung von NS-Verbrechen, bei welcher der "braune Holocaust an den Juden" nicht nur mit dem "roten Masenmord an den Klassenfeinden und Konterrevolutionären" auf eine Stufe gestellt wird, sondern auch mit dem "'demokratischen' Massenmord an den Ungeborenen".

Daneben stoßen Antisemiten auf ihrer Suche nach jüdischen Verschwörungen auch heute auf die Börse. So enthüllte ein Josef Berger: "Eine Allianz von Sozialistischer Internationale und internationaler Hochfinanz ist seit Antritt der neuen Regierung bestrebt, an der Wiener Börse die Kurse der führenden Aktien 'herunterzuprügeln'." (15/2000, S. 12)


Gesprächspartner, Kameraden und Gäste

Wiederholt bot Zur Zeit darüber hinaus in- und ausländischen Rechtsextremisten ein Podium. In der Ausgabe 46/1999 (S. 3) stand etwa der deutsche Rechtsextremist Horst Mahler (NPD) als Interviewpartner zur Verfügung. Der Rechtsanwalt mit linksradikaler Vergangenheit bewegt sich seit geraumer Zeit im organisierten Rechtsextremismus und Neonazismus. Zunächst durfte Mahler in Zur Zeit die alte antisemitische Leier vom "weltweit wuchernde[n] Spekulationskapital", das die "Völker [...] in ihrer Existenz" bedrohe, anstimmen. Dann machte er die militärische Zerschlagung des Nationalsozialismus für den "Niedergang Deutschlands" verantwortlich. Auch in seinem öffentlich propagiertem "Politikmodell" offenbart sich rechtsextreme Gesinnung: Mahler setzt "nicht mehr auf den parlamentarischen Mechanismus", denn "da verläuft sich alles", sondern auf den volksgemeinschaftlichen Effekt, welcher die liberale Parteiendemokratie überflüssig mache. Mahler bekundete gegenüber Zur Zeit schließlich ganz offen, dass er gemeinsam mit seinen Kameraden die "parlamentarische Regierungsform [...], die uns in diesen beiden Weltkriegen aufgezwungen worden ist, die undeutsch ist", in einer nationalen "Revolution" überwinden will.

In der Ausgabe 21/00 findet sich ein Interview mit Frank Vanhecke, dem Vorsitzenden des rechtsextremen Vlaams Blok (VB). Die Kontakte zu den flämischen Nationalisten wurden in der Folge weiter ausgebaut: Im Sommer 2000 beehrte (neben den FPÖ-PolitikerInnern Barbara Rosenkranz und Hans Christian Strache u. a.) die VB-Politikerin Ingrid Verachtert das Zur Zeit- Sommerfest. Umgekehrt nahm Mölzer im Juli 2001 an der "Sommeruniversität" der VB- Jugendorganisation im Tiroler Lechtal teil. Der von den Veranstaltern als "Kulturminister in Kärnten" vorgestellte Mölzer sprach dort laut Ankündigung über "Nationalistische Kulturarbeit" in Österreich.

Bezeichnend ist auch die Zur Zeit-Berichterstattung über die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD). In der Ausgabe 24-25/2001 (S. 8) wird nicht ohne Wohlwollen über "NPD-Erfolge in Sachsen" berichtet. Die "Achtungserfolge" der rechtsextremen Partei hätten gezeigt, "dass unermüdliche rechte Basisarbeit vom Volk honoriert wird und dieses sich nicht von Verbotsanträgen in seinem Abstimmungsverhalten irritieren lässt". In der Ausgabe 32/2001 (S. 8) wird unter dem Titel "Klarheit im Denken und Tun" ein "Positionspapier" der rechtsextremen NPD wohlwollend besprochen. Die aufgrund ihrer Verstrickungen mit dem militanten Neonazi-Netzwerk in Deutschland gegenwärtig einem Verbotsverfahren ausgesetzte NPD legt darin ihre Vorstellungen einer "Neuen Ordnung" dar. Unmittelbar zu Wort kommt die NPD in Person ihres Prozessbevollmächtigten Horst Mahler. Dieser "legte in einem kurzen Gespräch die heikle Situation dar, in der sich gegenwärtig Polizei und Justiz befinden". Laut Mahler würden die deutschen Behörden mittlerweile das Verbotsverfahren scheuen, weil sie Angst hätten, dass die systematische Durchsetzung der deutschen Neonaziszene und ihres parteiförmigen Armes durch Agenten des Verfassungsschutzes auffliegen könnte.

Viel sagend ist auch ein sympathisierender Bericht über den deutschen Liedermacher Frank Rennicke. Als prominenter Neonazi ist Rennicke Stammgast in deutschen Verfassungschutzberichten und polizeilichen Ermittlungen ausgesetzt. Das hält die Zur Zeit- Macher jedoch nicht von einer Würdigung ab, ganz im Gegenteil: Rennicke sei nur "politisch nicht korrekt". (26/2000, S. 12)

Gleiches gilt für die kleine Hommage an Peter Dehoust, den Mitherausgeber der deutschen rechtsextremen Monatszeitung Nation & Europa: Der als "Autor zahlreicher zeitgeistkritischer Bücher" und "charakterfester Kämpfer für die Wahrung der nationalen Identität und gegen Dekadenz und Geschichtsfälschung" (24-25/2001, S. 8) vorgestellte Dehoust gilt als eine der zentralen Führungsfiguren im internationalen Netzwerk der extremen Rechten und findet sich seit Jahren an prominenter Stelle in den deutschen Verfassungsschutzberichten. Dorthin hat es auch Claus Nordbruch geschafft. Der in Südafrika lebende deutsche Rechtsextremist veröffentlichte jüngst ein Buch mit dem Titel "Der deutsche Aderlass", welches in Zur Zeit positiv besprochen wurde. Das Machwerk sei "eine eindrucksvolle Aufstellung über all die Verbrechen, denen Deutsche in den 40-er Jahren des letzten Jahrhunderts zum Opfer gefallen waren". (33-34/2001, S. 16) Nordbruch, der übrigens wiederholt bei der NPD aufgetreten ist, habe "ferner die menschenverachtenden Pläne der US-jüdischen Deutschenhasser Morgenthau und Kaufman und des sowjetischen Mordhetzers Ehrenberg ins Bewusstsein gerufen". Der derart gewürdigte "nationale Publizist" gab 2000 der später verbotenen deutschen Sektion des internationalen Neonazi-Netzwerkes Blood & Honour ein Interview. Dieses schloss er mit den Worten: "Am Ende steht der Sieg!"

Schließlich findet sich in der Ausgabe 26/2001 (S. 10) der Nachdruck eines Artikels von István Csurka, dem Vorsitzenden der rechtsextremen Ungarischen Wahrheits- und Lebenspartei (MIÉP). (» Ungarischer Antisemit in Zur Zeit)


Tagespolitik und politische "Verfolgung"

Allen Erfolgen ihrer Durchdringungsstrategie zum Trotz stilisieren sich Mölzer und Kameraden weiterhin als sozial und politisch Geächtete, als Opfer tugendterroristischer Verfolgung. So schreibt Mölzer in einem Brief an AbonnentInnen (Februar 2001): "Ultralinke Pseudo-Antifaschisten, die Gralshüter der political correctness aus der Gutmenschenszene und die Jagdgesellschaft, die wir aus den Kampagnen gegen Kurt Waldheim, gegen Jörg Haider, gegen Kurt Krenn und ähnliche 'Missliebige' kennen, haben sich auf uns eingeschossen." Mölzer räumt zwar ein, dass Zur Zeit "den einen oder anderen persönlichen Freund, Leser und Sympathisanten bis hinein in die Bundesregierung" hat, dennoch fühlt man sich immer noch dem "Druck" der "Gegner" ausgesetzt. Etwa in Form von Anzeigen und Klagen: Neben dem oben angeführten Prozess gegen Gamlich führt Mölzer u. a. die bereits erwähnte Anzeige des DÖW wegen des Verdachtes der Verhetzung an, "weil ein Leserbriefschreiber es gewagt hatte, den Einfluss der jüdischen Welt drastisch darzustellen". Zur Erinnerung: Bei dieser drastischen Darstellung des Einflusses der "jüdischen Welt" handelte es sich um die Anklage der "de facto Weltherrschaft des Judentums und ihres verlängerten Armes, der Freimaurerei". (10/2000, S. 19) Auseinander setzen musste sich Zur Zeit auch mit einer Klage des Journalisten Karl Pfeifer, der in der Ausgabe 23/2000 von einem "Erwin Steinberger" (Pseudonym) aus "Anlass des Todes von Prof. Pfeifenberger in den Reihen jener Jagdgesellschaft geortet [wurde], die den konservativen Politikwissenschafter in den Selbstmord getrieben hat". (S. 7) Der "jüdische Journalist Karl Pfeifer", der Pfeifenbergers Auslassungen im Freiheitlichen Jahrbuch 1995 als "Nazi-Töne" bezeichnet (Mölzer: "denunziert") hat, sei an dessen Freitod schuld, weil er "damit die juristische Lawine gegen Pfeifenberger ausgelöst" habe.

Schon aus eigener Betroffenheit agitiert Zur Zeit auch gegen das NS-Verbotsgesetz, welches immerhin einen integralen Bestandteil der österreichischen Verfassung darstellt. In einem Artikel über den FPÖ-Politiker Hans Jörg Schimanek sen. ist die Rede vom "stalinistischen NS- Verbotsgesetz". (8/2001, S. 3) Grundsätzlicher nähert sich Heinz Fidelsberger dem Thema: In bester "revisionistischer" Manier behauptet er, "die Beschäftigung mit der Geschichte" und nicht etwa die Leugnung nationalsozialistischer Verbrechen stünde "unter Strafe". (Ebenda, S. 15) Nur wer rechtsextreme Geschichtsfälschungen für historische Wahrheit hält, kann sich wie Fidelsberger fragen: "Wer verbietet eigentlich den Deutschen, hier die geschichtliche Realität zu erwähnen, die Vergangenheit so darzustellen, wie sie wirklich war? Wie steht es hier um die so genannte Umerziehung wonach alles, was die Nationalisten getan haben, grundsätzlich verbrecherisch war, die Gegenseite im Krieg aber alles nur für Friede, Freiheit und Menschenglück getan hat? [...] Warum diese Verbotsgesetze, die sogar das Lesen von Büchern mit Kerkerstrafe ahnden?"

In tagespolitischen Belangen ist Zur Zeit eine deutliche FPÖ-Nähe zu attestieren. Die nunmehrige Regierungspartei, der von Mölzer und Gudenus abwärts zahlreiche AutorInnen und InterviewpartnerInnen angehören, unterstützt umgekehrt Zur Zeit mit (bisweilen ganzseitigen) Inseraten. Aber hin und wieder wird auch Kritik laut am angeblichen Kuschelkurs der FPÖ in der Regierung. Gerhard Sailer, hochrangiger Beamter im Verkehrsministerium mit Vergangenheit im organisierten Neonazismus (Aktion Neue Rechte), sucht in der Ausgabe 17/2001 (S. 2) nach den wahren Ursachen für die FPÖ-Niederlage bei den Wiener Wahlen. Entgegen der landläufigen Meinung, Haiders antisemitische Attacken wären für diese Niederlage maßgeblich gewesen, meint Sailer, dass die verabreichte Dosis an Antisemitismus noch zu gering gewesen sei: "'Haiders Antisemitismus hat bei den Wiener Wahlen eine Abfuhr erhalten' tönte es von den Häupl und Muzikants [sic!] nach den Wiener FP-Verlusten. Nichts ist falscher als dies! Noch klarere Worte in Richtung des Herrn Immobilien-Großhändlers und seines Umfeldes wären angebracht gewesen!" Auch in "Sachen Ausländer, Drogen und Kriminalität" hätte es laut Sailer noch "schärferer Worte" bedurft. Stattdessen habe sich die FPÖ unter taktischer Rücksichtnahme "auf die angebliche 'öffentliche Meinung'" diesmal schaumgebremst gegeben. Dabei hätte man einfach bei der "Stop der Überfremdung!"-Kampagne der FPÖ vom letzten Nationalratswahlkampf anknüpfen können, wobei diese "ruhig noch verschärft [hätte] werden können!" Sailer empfiehlt der FPÖ ein Abrücken vom "Kuschelkurs": "Die extrem weiche Asylpolitik des ÖVP-Linksverbinders Strasser und die Kniefälle Schüssels und Schaumayers vor den einschlägigen Machthabern der US-Ostküste wären so zwar nicht zu verhindern, aber wenigstens anzuprangern gewesen." Alles in allem sei eine Rückbesinnung auf die Bewegungszeit der FPÖ notwendig: "Denn wozu ist die FPÖ in der Regierung, wenn 'Asylkriminelle und Heroinafrikaner mehr denn je ihr Unwesen treiben und der Bürger schlimmer als je zuvor für dubiose Entschädigungsansprüche ausgepresst wird!'"

 

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