logo
logo

Rechtsextreme und religiöse FundamentalistInnen demonstrieren in Wien

Neues von ganz rechts - Juni 2016

Auch heuer rufen fundamentalistisch-katholische Kreise unter dem Titel "Marsch für die Familie" zum Protestzug am 18. Juni gegen die gleichzeitig stattfindende "Regenbogenparade" in Wien auf. Neben der Gleichstellung von Homosexuellen sind den Organisatoren auch Fristenlösung, Kinderkrippen, Sexualunterricht vor dem Mittelschulalter und die "Gender-Ideologie" ein Dorn im Auge. Schon terminologisch offenbart der Forderungskatalog mit Kampfbegriffen wie "Gender-Wahn" und "Zwangssexualisierung" eine Nähe zur extremen Rechten. Eine Beteiligung derselben ist auch auf Akteursebene wieder zu erwarten: Schon in vergangenen Jahren nahmen u. a. die neonazistische Europäische Aktion (EA) oder der neofaschistische polnische Jugendverein W.I.N. (Wiedenska Inicjatywa Narodowa) an dem Marsch teil, die EA konnte 2014 in diesem Rahmen auch neonazistische Propaganda verbreiten. Unter den aufrufenden Gruppierungen finden sich neben Anti-Abtreibungs-Lobbygruppen wie Human Life International und anderen katholischen Vereinigungen auch der Wiener Akademikerbund, PEGIDA Österreich und der Verein OKZIDENT (siehe unten). Die Website der Veranstaltung verweist u. a. auch auf jene der rechtsextremen Österreichischen Landsmannschaft (ÖLM).

 

Die Liste der für heuer angekündigten RednerInnen ist mit jener des Vorjahres weitgehend ident. Auf ihr finden sich u. a. der ehemalige slowakische Premier Ján Carnogurský, Georg I. Nagel (Ex-PEGIDA Österreich), Ursula Stenzel (FPÖ-Stadträtin in Wien) und NAbg. Marcus Franz (ehemals Team Stronach, dann ÖVP-Klub, heute ohne Fraktion). Weiters listet die Mobilisierungswebsite zum "Marsch für die Familie" einige Artikel auf, die den Geist der Veranstaltung veranschaulichen. Der Großteil entstammt dem rechtsextremen deutschen Internetmagazin Blaue Narzisse. Zwei Texte stammen von Georg I. Nagel. Dieser träumt etwa – im Einklang mit den ansonsten von ihm gescholtenen Islamisten – von einer Gesellschaft, in der "konservative Werte [noch] verbreitet wären", sodass "so gut wie keine Frauen [...] sich als Models verdingen würden", da "sie und ihre Angehörigen [...] sich zu sehr dafür schämen" müssten. Während der Feminismus Frauen zu promiskuitivem Leben und aufreizender Kleidung dränge, wären allein "konservative Werte und traditionelle Rollen" in der Lage, "die Frau vom sexualisierten Dasein [zu] befreien". Transsexualität stellt für Nagel entweder eine "Missbildung" oder aber ein "psychopathologische[s] Problem" dar.

 

In einem weiteren, direkt auf der Mobilisierungsseite zugänglichen Text verkündet der heuer ebenfalls als Redner angekündigte Christian Zeitz (Wiener Akademikerbund), in Österreich gäbe es schlichtweg "keine Diskriminierung aufgrund 'sexueller Orientierung'". Der "Homo-Agenda" respektive der "sexualhedonistischen Revolutionsbewegung" sei es letztlich um eine "gesellschaftliche[] Totaltransformation", die "Beseitigung der bürgerlichen Eigentums- und Wirtschaftsordnung", die "Zersetzung der christlichen Geistkultur" und schließlich selbst um "die Schaffung einer neuen menschlichen Spezies zur Überwindung des alten Homo Sapiens" zu tun. Der "homosexuelle Lebensstil" stelle dabei lediglich den "kulturelle[n] Überbau zur Durchsetzung der sozialistischen Totalrevolution" dar. Nur bedingt überraschend steht in der Wahrnehmung Zeitz' – seines Zeichens "Islambeauftragter des Wiener Akademikerbundes" – auch "der Islam" dem "radikalsozialistischen" Projekt mit "kulturhomosexuelle[m] Überbau[]" zur Seite. Mit Sozialismus und "Queer-Bewegung" sei dieser durch eine "gemeinsame Groß-Agenda" verbunden: jene einer "Neu-Erschaffung der Welt auf der Basis einer fundamentalen Empörung gegen den christlichen Gott". Als Instrumente stünden dem Bündnis u. a. die "kulturelle Homosexualität" und Antidiskriminierungsgesetzgebung zur Verfügung. Aber auch die strafrechtliche "Einschränkung der freien Meinung, der Wissenschaft und der politischen Agitation" – eine milieutypische Umschreibung für das Verbotsgesetz – bereitet Zeitz Sorgen. Um das von ihm konstatierte Bündnis plausibel zu machen, glaubt er im Islam u. a. das "Prinzip einer diesseitsorientierten Lustmaximierung" und die Diffamierung von "Bedürfnisaufschub" erkennen zu können.

 

Hauptverantwortlich für die Organisation des Marsches zeichnet der emeritierte Rechtsanwalt Alfons Adam, Obmann von PRO VITA-Bewegung für Menschenrecht auf Leben und langjähriger Kopf der österreichischen Anti-Abtreibungs-Szene. Erst im Vorjahr bezeichnete Adam in seinem Redebeitrag beim "Marsch für die Familie" Homosexualität als "widernatürliche Unzucht". In der jüngsten Ausgabe der PRO VITA-Hefte (Nr. 2/2016, S. 3 f.) wirbt er für den FPÖ-Bundespräsidentschaftskandidaten Norbert Hofer, der "gegen die Gender-Ideologie", "ein Gesinnungsfreund" und "eine Persönlichkeit" sei, "von der wir erwarten können, dass unser Bestreben unterstützt wird".

 

Zusammen mit Georg I. Nagel bildet er den Vorstand von OKZIDENT-Verein zur Förderung von Rechtsstaatlichkeit, der ebenfalls zur Veranstaltung mobilisiert und als Postanschrift das Haus der ÖLM in Wien-Josefstadt führt. Nagel ist seit seiner PEGIDA-Tätigkeit ständiger Autor in den rechtsextremen Zeitschriften DER ECKART, Zur Zeit und Blaue Narzisse. 2015 hatte er noch mit seiner damaligen (Facebook-)Gruppe Gegen Dekadenz und Werteverfall zum Marsch aufgerufen, selbst daran teilgenommen und unmittelbar danach die Gründung einer neuen Wiener Burschenschaft (Burgundia) verkündet, die allerdings nie Rechtsgestalt annehmen sollte. Auch die Facebook-Gruppe existiert nicht mehr. Stattdessen steht Nagel nun dem im September des Vorjahres gegründeten Verein OKZIDENT vor, der mit Obmann-Stellvertreter Alfons Adam zumindest ein weiteres Mitglied aufweist.

 

Die von Nagel über die Facebook-Seite von OKZIDENT verbreiten Artikel aus seiner Feder dokumentieren einen seit PEGIDA-Tagen rasant fortgeschrittenen weiteren Fanatisierungsprozess. In einem Blaue Narzisse-Artikel vom Februar dieses Jahres wettert er gegen die "akademischen Parasiten" in Staatsämtern und sehnt den Tag herbei, an dem "[d]er vitale Arbeiter" sich gegen diese "erheben" und die "akademischen Schergen des Systems aus ihren Ämter verjagen" werde. "Am finalen Tag des Zusammenbruchs werden Hooligans die Universitäten stürmen und die linken Professoren, die Verräter am eigenen Volk, durch die Straßen hetzen. Dies wird alleine aus einem kollektiven Instinkt des Volkes heraus geschehen, ohne irgendein Zutun von Seiten der jetzigen Opposition." In einem einige Tage zuvor am selben Ort erschienenen Text sieht er "den Asyl-Wahnsinn [...] eine ganze Völkerfamilie zugrunde" richten. Dementsprechend liege ein "Verteidigungsfall" vor, der einen "gezielten Einsatz der Streitkräfte" gegen Flüchtlinge nötig mache: "Wir befinden uns im Krieg und müssen uns verteidigen – oder vernichtet werden."

 

Nicht nur an den Grenzen, auch im Hinterland fordert Nagel eine schärfere Gangart: "Wir brauchen die Todesstrafe" ist sein im Mai auf Blaue Narzisse veröffentlichter Text betitelt. Die Abschaffung des staatlichen Mordens sei "Anzeichen für eine dekadente weichgespülte Gesellschaft" und Ausdruck einer "absurde[n] Haltung". Nur sie könne in manchen Fällen einen angemessenen "Ausgleich zwischen Täter und Opfer" herstellen. Gemäß Nagels Ethik sei nicht "'der Mensch' zu schützen", sondern "das Gute". Da, "[w]as der Gemeinschaft schadet, [...] nicht gut sein" könne, müsse "eine einzelne Person", die sich an dieser Gemeinschaft versündigt habe, "auch hinter dem Gemeinwohl zurückstehen". Ende Mai schließlich stellte Nagel für die Blaue Narzisse dem "liberalen westlichen Parteinstaat [sic!]" als Gegenmodell die "direkte[] Demokratie in einem Volksstaat" gegenüber; was in heutigen Staatswesen noch funktioniere, sei den "Reste[n] an gesundem Volkstum" zu verdanken. Apokalyptisch sieht Nagel ein nicht näher bestimmtes Wir in "einer brenzligen Lage angekommen". In dieser Situation müsse "jeder, der nicht für uns ist, als gegen uns eingestuft werden", müssten "alle [...], die nicht erklärtermaßen patriotisch sind, [...] als Feinde betrachtet werden". Hoffnung für "das finale Ende des Überkommenen und eine neue goldene Zukunft für unser Volk" sei gegeben: die Bundespräsidentschaftswahl habe "gezeigt, dass wir bereits die stärkste Kraft sind".

 

 

« zurück

 

Unterstützt von: