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Freiheitliches „Vorfeld“ in Aufruhr

Neues von ganz rechts - August 2023

Die extreme Rechte im engsten Umfeld der FPÖ klagt darüber, dass deren Vertreter Mitte Juli im oberösterreichischen Landessicherheitsrat „einem Bericht zugestimmt [hat], der für weite Teile des patriotischen Vorfelds zur Gefahr werden könnte“, so Julian Schernthaner auf der Website des Aula-Nachfolgeprojektes Freilich. Gemeint ist der kurz nach der Razzia im oberösterreichischen Nazi- und Rockermilieu vorgelegte, gegenüber seiner Erstauflage von 2010 aktualisierte „Aktionsplan gegen Extremismus“, dem ein „Lagebericht“ des Staatsschutzes vorangestellt ist. In diesem finden auch die Burschenschaften, Identitäre, die Verstrickung beider sowie die Corona-Protestszene an prominenter Stelle Erwähnung. In Verbindung mit dem Bekenntnis der ÖVP-FPÖ-Landesregierung, Mittel und Räumlichkeiten des Landes nur vorbehaltlich einer polizeilichen Unbedenklichkeitsbescheinigung an diese Gruppen zu vergeben, birgt das Papier tatsächlich politische Sprengkraft. Schernthaner stößt sich aber nicht nur an der Arbeit des Staatsschutzes, sondern auch am Maßnahmenpaket zur Extremismusprävention, das „nicht die Handschrift einer Mitte-Rechts-Koalition“ trage. Tatsächlich waren es Expert*innen aus Wissenschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft, die das Paket aus Vorurteilssensibilisierung, Gleichheitsorientierung und Demokratieerziehung schnürten. Dass es nicht nach dem Geschmack völkischer Reinheitsapostel ist, überrascht wenig.

 

Für Info-Direkt beklagt Michael Scharfmüller, ehemaliger Führungskader des neonazistischen Bundes freier Jugend (BfJ), dass sich Haimbuchner „erneut“ von LH Thomas Stelzer habe vorführen lassen: Diesem sei es „wieder einmal gelungen, die FPÖ-Oberösterreich vor ihren eigenen Wählern und Funktionären zu degradieren“, indem er „seinen Regierungspartner dem ‚Aktionsplan gegen Extremismus‘ zustimmen [ließ], der sich in weiten Teilen gegen die FPÖ und ihr Vorfeld richtet.“ Die von einer tatsächlichen Umsetzung des Aktionsplans hauptbetroffene Burschenschaft, die Arminia Czernowitz zu Linz, ließ die Öffentlichkeit wiederum trotzig wissen, „nicht auf die Gunst eines Haimbuchners angewiesen“ zu sein: eine bemerkenswerte Ansage angesichts der vielen FPÖ-Landes- und Kommunalpolitiker, die ihre Mensuren bei dieser Verbindung gefochten haben.

 

Unterstützung erhielten die völkischen Fundamentalisten aus der Bundespartei: Zuerst rückte der Tiroler Nationalratsabgeordnete Gerald Hauser aus, um dem rechtsextremen Status – einem Online-Nachfolgeprojekt des Wochenblicks – zu vermitteln, wie groß der „Unmut“ an der FPÖ-Basis sei. Ihm folgte Generalsekretär Christian Hafenecker, der gleich einer ganzen Reihe rechtsextremer Medien Rede und Antwort stand. Hafenecker betrachtet die freiheitliche Zustimmung zum Aktionsplan oder – um die im Sinne der Abwiegelung verwendete Sprachregelung zu bemühen – dessen „Kenntnisnahme“ als „Fehler“, wolle dem gescholtenen oberösterreichischen Parteifreund aber die „Gelegenheit“ zur Korrektur desselben einräumen. In einer Videobotschaft ans Milieu legte Hafenecker noch nach und Haimbuchner „einen Fahrplan vor, wie dieser den Antifa-Aktionsplan im Herbst zu entsorgen hat“, so der Status. Im Zuge dessen seien nicht nur die Burschenschaften zu rehabilitieren, sondern auch die Identitären und alle anderen „Freiheitskämpfer“ gegen das, was abwechselnd „System“, „Great Reset“ oder „Neue Weltordnung“ genannt wird. Von den für das Durchwinken des Aktionsplans Verantwortlichen erwartet der freiheitliche Generalsekretär sich eine „riesengroße Entschuldigung“ und zeigt sich zuversichtlich, dass „wir dieses Pamphlet bald im Mistkübel wiederfinden werden“.

 

Wie groß die Macht und der Einfluss der völkischen Kräfte in der und auf die FPÖ sind, zeigte Haimbuchner in seinen Reaktionen. Gegenüber Freilich erklärte der Landeshauptmann-Stellvertreter, dass er die „völlig unsachliche, undifferenzierte und pauschalisierende Art und Weise“, wie im „Lagebericht“ über Burschenschaften geschrieben werde, klar verurteile und dass die „Kenntnisnahme“ durch einen FPÖ-Repräsentanten, der Haimbuchner bei der Sitzung des Landessicherheitsrates vertreten hatte, ein Fehler gewesen sei. Auch versprach Haimbuchner, dass er Ende September am zuständigen Ausschuss des oberösterreichischen Landtags teilnehmen „und dort […] in aller Deutlichkeit“ seine „Meinung zu dieser Passage zum Ausdruck bringen werde.“ Er wolle zudem bei dieser Gelegenheit Aufklärung über „diese ungeheuerliche Vorgangsweise verlangen“. Bei der Meldung des Kuriers[1] vom 13. Juli, wonach neben den Identitären auch die deutschvölkischen Korporationen künftig von Unterstützung des Landes ausgeschlossen wären, handle es sich „um eine falsche Spekulation“.

 

In der Kronen Zeitung versprach der oberösterreichische FPÖ-Obmann dem empörten Anhang, dass er sich künftig „in den zuständigen Ausschüssen und Gremien fortlaufend“ einbringen werde, um die „Einschätzungen durch das Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung entsprechend nachjustieren zu lassen.“[2] Dass diese Einschätzungen auf polizeilichen Beobachtungen basieren und nicht den Wünschen der Politik gehorchen (sollen), ist freilich Ausdruck der Gewaltenteilung in liberalen Demokratien.

 

Für Freilich-Chefredakteur Stefan Juritz, noch 2007 mit Gottfried Küssel, Felix Budin und Richard Pfingstl am „Sommercamp“ des neonazistischen BfJ[3], ist mit diesem Versprechen die „Causa Haimbuchner“ noch nicht abgeschlossen. Insbesondere stößt sich der langjährige Identitäre Juritz an Haimbuchners Rede von den „paar Irregeleiteten und sogenannten Identitären“, deren Kritik an der FPÖ-„Kenntnisnahme“ des Aktionsplans weder für ihn, noch für die Partei ein Problem darstelle.[4] Damit werde, so Juritz, der Fehler von 2019 wiederholt, als die FPÖ-Führung sich von den Identitären distanzierte, weil diese aufgrund ihrer Stichwortgeberschaft für den rassistischen Terrorangriff in Christchurch in die Schlagzeilen geraten war. Heute verfolge „die Bundespartei mit Herbert Kickl […] einen ganz anderen (und sehr erfolgreichen) Kurs“, dementsprechend solle auch Haimbuchner die „sinnlose Distanzierung“ aufgeben.

 

Tatsächlich marschieren Identitäre und Freiheitliche (allen voran die Parteijugend) mittlerweile Seite an Seite – inhaltlich, rhetorisch und auch auf der Straße. Bei der Identitären-Demo am 29. Juli in Wien trat als Vertreter der Freiheitlichen Jugend mit Silvio Hemmelmayr just deren oberösterreichischer Landesobmann als Redner auf. [5]

 

 

Eine frühere Version dieses Artikels erschien in Die Furche Nr. 30/2023, S. 7.

 

 

 

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