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Die Verfolgung nationaler Minderheiten

Helena Verdel


Die Minderheiten erlebten den "Anschluss" Österreichs durchaus unterschiedlich: Je nach den Erfahrungen mit dem Ständestaat standen sie dem "Anschluss" bedingt hoffnungsvoll bis gleichgültig gegenüber; viele erlebten ihn aber auch als Schock, waren doch plötzlich die nationalen Gegner im Lande zu Machthabern geworden. Der Koroski Slovenec hatte noch am 11. 3. 1938, am Tag des Einmarsches der deutschen Truppen, eine Sonderausgabe publiziert, in der für ein unabhängiges Österreich geworben wurde. Zum Standard der offiziellen Politik der Minderheiten gehörte es damals, loyal zu jenem Staat zu sein, in dem die Minderheit lebte, frei nach dem Motto: Die Mehrheit entscheidet über die Staatsform, wir kümmern uns um die Rechte der Minderheit.

So nimmt es nicht wunder, dass alle offiziell existierenden Minderheitenverbände Ergebenheitsadressen an das neue Regime absandten. In ihrem Auftreten bestärkt wurden vor allem die Slowenen und Kroaten, deren politische Führung stark klerikal geprägt war, auch durch das Verhalten der katholischen Kirche. Die Nationalsozialisten selbst traten in den ersten Wochen, abgesehen von einzelnen Verhaftungen, nicht offen feindselig gegenüber den nationalen Minoritäten auf. Zum Teil mussten sie Rücksicht auf die noch existierenden Schutzmächte nehmen - Ungarn war immerhin ein Verbündeter, das Königreich Jugoslawien hoffte man zu gewinnen, die Tschechoslowakische Republik hatte immer noch politischen Stellenwert -, zum Teil wollte man den propagandistischen Vorteil nutzen und auf die eigene "vorbildliche Minderheitenpolitik" hinweisen. Lange jedoch hielt diese Ruhe vor dem Sturm nicht an. Im Verlauf der nächsten Jahre entfiel die Notwendigkeit der Mäßigung zusehends, und es konnte offen betrieben werden, was immer schon zentrales Ziel war: dieses Land deutsch zu machen.


 


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