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Samuel Stieber, Zilli Stieber: Die Hoffnung, Euch doch noch einmal zu sehen, hält uns aufrecht

Deportationen Wien - Opole, Februar 1941

 

Samuel Stieber, geboren am 14. Februar 1877, Beamter (Schifffahrt)

Zilli Stieber, geboren am 11. November 1881

 

Deportation nach Opole: 15. Februar 1941

 

Das Ehepaar Stieber stammte aus der Bukowina und war seit 1907 in Wien ansässig. Samuel und Zilli Stieber, die im dritten Wiener Gemeindebezirk, Untere Weißgerberstraße 43 wohnten, wurden am 15. Februar 1941 von Wien nach Opole deportiert. Todesort und Todesdatum sind unbekannt (vermutlich Frühjahr 1942).

 

Ihre Tochter Paula Stieber (geboren am 11. Juni 1903) überlebte im britischen, ihr Sohn Alfred Stieber (geboren am 26. April 1917) im US-amerikanischen Exil.

Zilli und Samuel Stieber 

 

 

 

 

Zilli und Samuel Stieber, 1936

 

Foto: DÖW

 

 

 

 

 

 

Im DÖW befinden sich zahlreiche Briefe und Postkarten aus den Jahren 1939 bis 1941, die Samuel und Zilli Stieber an ihre Tochter Paula (bzw. an Sohn Alfred) schickten; eine Auswahl ist hier veröffentlicht. Die Korrespondenz beginnt am 30. Juni 1939, als Paula Stieber Wien in Richtung Großbritannien verließ:

 

"So vergeht Stunde um Stunde und Du entfernst dich räumlich immer mehr und mehr. Aber in unserem Herzen bleibst du, wo Du warst. Wir hoffen und wünschen, daß Du eine gute Reise haben wirst und wünschen Dir Glück für London und weiter. […] Sonst nichts Besonderes, als wir fort u. fort an Dich denken u. ununterbrochen Deinen Reiseweg verfolgen."

 

Im Mittelpunkt der folgenden Schreiben stehen die Sehnsucht nach den Kindern und die Sorge um deren Wohlbefinden:

 

"Heute sind es 6 Wochen, seit Du von hier abgereist bist. Die Zeit rennt schnell, es ist aber nur teilweise richtig, daß die Zeit heilt. Denn die Sehnsucht nach unseren Kindern wird nicht schwächer, sondern immer größer mit der Zeit. Wenn wir einen bestimmten Termin wüssten, wann wir mit Euch zusammen sein könnten, dann würden wir, wenn es uns möglich wäre, diese Spanne im Galopp durchjagen. Leider heißt es nur Geduld und wieder Geduld haben!"
(Samuel Stieber, 11. August 1939)

 

"Es hat uns sehr wohl getan zu erfahren, daß es Dir gut geht und wünschen wir Dir, dass Du gesund bleiben und es Dir weiterhin auch gut ergehen möge. Unser steter und einziger Wunsch ist gegenwärtig von unseren l.[ieben] Kindern gute und erfreuliche Nachrichten zu hören."
(Samuel Stieber, undatierter Brief, vermutlich August 1940)

 

Ebenfalls thematisiert werden (gescheiterte) Ausreisebemühungen aus dem Bekannten- und Freundeskreis bzw. das Schrumpfen des sozialen Umfelds:

 

"Ich habe bis jetzt nicht viel gemurrt, aber wenn man so sieht, daß ein Bekannter nach dem andern wegfährt und man immer einsamer und einsamer bleibt, da lebt immer mehr der Wunsch auf und das dringende Verlangen in der Nähe der Seinigen das ärmliche Dasein zu fristen. Ich bin mir dessen gut bewusst, daß uns in der Fremde ein schwerer Kampf ums nackte Leben erwartet, trotzdem sehne ich den Augenblick herbei, wo wir in der Nähe oder zusammen mit unseren Kindern oder wenigstens eines Kindes weilen sollen."
(Samuel Stieber, 22. August 1939)

 

Der letzte Brief aus Wien ist undatiert und wurde vermutlich im Jänner 1941 geschrieben. Samuel Stieber nimmt darin Bezug auf den unregelmäßigen Postverkehr und den dadurch erschwerten Kontakt zu den Kindern, hat aber noch Hoffnung auf ein Wiedersehen:

 

"Nun bist schon fast 1 1/2 Jahre von uns fort und wenn mich meine Ahnungen nicht täuschen, so hoffe ich doch, daß wir in diesem Jahre zu Euch kommen werden."

 

Am 23. Februar 1941 informierte Alfred Stieber seine Schwester über die Deportation der Eltern (Brief in englischer Sprache):

 

"My dear Paula,
just a few words. Times like these aren't made for long speeches.
Our old people have been sent to Poland the 14th [sic!] of February. Today I received enclosed card with their new address. [...] As sad and unthinkable painful it is it must be said that, what's happened couldn't be helped. Maybe money could have spared them from this deportation but why talk about things that just can't be."

 

Aus Opole ist ein Brief (ca. April/Mai 1941) von Samuel und Zilli Stieber erhalten geblieben:

 

"Mein liebes Kind!
Vom l.[ieben] Fredy wirst Du sicherlich schon über unser Schicksal in Kenntnis gesetzt worden sein. Die Hauptsache ist, daß wir ziemlich gesund sind. Wir haben hier einige nette Leute, mit denen wir zusammen wohnen und so vergeht ein Tag nach dem andern, zwar sehr eintönig, aber die Hoffnung Euch doch noch einmal zu sehen, hält uns aufrecht."
(Samuel Stieber)

 

Auf die Rückseite schrieb Zilli Stieber:

 

"Mein liebes Kind!
Wir würden uns sehr freuen, wieder einmal von Dir Nachricht zu bekommen. In unserer jetzigen Lage sind die Briefe von euch, meine lieben Kinder, der einzige Lichtstrahl. Du wirst über meine Schrift entsetzt sein, leider sprechen so viele Leute u. ich sitze auf meinem Lager u. schreibe, das stört mich sehr.
Liebes Kind, anlässlich Deines bevorstehenden Geburtstages gratuliere ich schon heute, damit du rechtzeitig unsere Glückwünsche hast. Ich wünsche Dir noch viel Glück u. all Deine Wünsche sollen in Erfüllung gehen. Deinen nächsten sollen wir gemeinsam feiern in Zufriedenheit u. Ruhe.
Ich grüße u. küsse dich herzlichst, alles Liebe u. Schöne von Deiner Dich liebenden Mutter."

 

 

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Downloads

Postkarte, 30. 6. 1939
(474,7 KB)

Postkarte, 1. Juli 1939
(540,8 KB)

Brief, 3. Juli 1939
(617,4 KB)

Brief, 4. Juli 1939
(575,2 KB)

Brief, 11. August 1939
(535,7 KB)

Brief, 18. August 1939
(657,6 KB)

Brief, o. D. (Jänner 1941)
(623,7 KB)

Fred Stieber (Exil USA) an seine Schwester Paula (Exil Großbritannien), 23. 2. 1941
(238,6 KB)

o. D.
(1,2 MB)

(132,4 KB)
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