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1. Engerau-Prozess (1945)

Angeklagte (Karikatur)

Österreichische Volksstimme, 18. 8. 1945, S. 2

 

 

Zwischen 14. und 17. August 1945 führte das Volksgericht Wien den ersten Prozess wegen NS-Gewaltverbrechen in der Zweiten Republik durch. Angeklagt waren vier Wiener SA-Männer wegen Verbrechen an ungarisch-jüdischen Zwangsarbeitern, die beim sogenannten Südostwallbau in Engerau (heute Petržalka/Bratislava) Sklavenarbeit in Form von Schanzarbeiten leisten mussten.

 

Bis zur Evakuierung des Lagers vor der heranrückenden sowjetischen Armee Ende März 1945 kamen ca. 500 ungarische Juden aufgrund der unvorstellbaren hygienischen Bedingungen und aufgrund von Misshandlungen ums Leben oder wurden von der österreichischen Wachmannschaft ermordet. Mehr als hundert Menschen mussten auf dem Todesmarsch von Engerau über Hainburg nach Bad Deutsch-Altenburg und weiter auf dem Schiffstransport in Richtung KZ Mauthausen ihr Leben lassen.

 

 

Die Angeklagten

Rudolf Kronberger 

 

 

 

Österreichische Volksstimme,

18. 8. 1945, S. 2

 

 

Rudolf Kronberger

geb. am 22. März 1905 in Ferschnitz (Bez. Melk, NÖ)
Nach vier Klassen Volksschule musste Kronberger bereits als Knecht arbeiten; der Vater hatte nach dem frühen Tod seiner ersten Frau eine zweite Familie gegründet und den Buben zu einem Bauern gegeben. Ab 1924 war Kronberger Fleischhauer in Wien. Laut Eigenaussage denunzierte er einige seiner Kollegen in einer Großschlachterei im 15. Bezirk als illegale Nationalsozialisten bei seinem Chef. Nach dem "Anschluss" im März 1938 verlor Kronberger seine Arbeit, da seine Arbeitgeber Juden waren und die Großschlachterei nicht mehr fortführen durften. Im Herbst 1938 trat er der NSDAP bei und wurde SA-Scharführer. Ab Herbst 1939 arbeitete er bei der Deutschen Reichsbahn. Im November 1944 wurde Kronberger zur SA-Standarte 4 (in der Josefstädterstraße im 8. Bezirk) einberufen und zur Bewachungsmannschaft nach Engerau notdienstverpflichtet.
1945 zum Tode verurteilt und hingerichtet.

 

Alois Frank 

 

 

Österreichische Volksstimme,

18. 8. 1945, S. 2

 

Alois Frank

geb. am 22. Jänner 1896 in Wien
Frank besuchte die Volks- und Bürgerschule und machte eine Lehre als Koch, fand aber keine Arbeit. 1935 trat er der SA-Standarte 24 bei. Seine illegalen Aktivitäten beinhalteten das Streuen von Flugblättern und Hakenkreuzschmierereien. Im Oktober 1935 wurde Alois Frank festgenommen und für sechs Wochen inhaftiert. Nach dem "Anschluss" wurde er mit einer für die "illegalen" Nationalsozialisten – die bereits im austrofaschistischen Regime tätig gewesen waren – reservierten Sechsmillionennummer offizielles NSDAP-Mitglied. Er erhielt in der Folge den Ehrentitel "Alter Kämpfer" sowie die Ostmarkerinnerungsmedaille. In weiterer Folge war er als Blockleiter der Ortsgruppe Kübeckgasse im 3. Bezirk tätig. Im April 1944 wurde er zum Scharführer der SA ernannt und Anfang Jänner 1945 nach Engerau notdienstverpflichtet.
1945 zum Tode verurteilt und hingerichtet.

 

Wilhelm Neunteufel

geb. 7. Oktober 1901 in Wien
Neunteufel machte eine Koch- und Zuckerbäckerlehre. Ab 1923 arbeitete er als Maler und Anstreicher, absolvierte 1931 die Meisterprüfung und eröffnete in der Zentagasse 3 im 5. Bezirk ein Malergeschäft. Nach anfänglichen Geschäftserfolgen verschuldete sich Neunteufel ab 1934 immer mehr. Mit dem "Anschluss" verbesserte sich seine finanzielle Situation schlagartig: Er trat der NSDAP und der SA-Standarte 24 bei und transportierte NS-Funktionäre mit seinem Motorrad, wofür er finanzielle Zuwendungen erhielt. Im März 1940 zur Deutschen Wehrmacht eingezogen und in der Ortskommandantur von Schitomir (UdSSR) eingesetzt erlitt er eine Schädelverletzung, worauf er für den Militärdienst untauglich war und nur mehr zum Sanitätsdienst verwendet werden konnte. Im November 1944 wurde Neunteufel in das Lager Engerau versetzt und war in der Schreibstube beim SA-Lagerkommandanten tätig.
1945 zum Tode verurteilt und hingerichtet.

 

Konrad Polinovsky

geb. am 9. Juli 1902 in Wien
Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte Polinovsky 1916 eine Lehre als Sattler. Von 1919 bis 1923 arbeitete er als Hilfsarbeiter bei verschiedenen Wiener Firmen, zwischendurch war er arbeitslos. 1924 wurde Polinovsky beim Münzamt im 3. Bezirk angestellt. Er war Mitglied der Sozialdemokratischen Partei und des "Republikanischen Schutzbundes". Ab 1938 gehört er der Betriebs-SA in der Funktion eines Scharführers und mehreren NS-Organisationen an. Im Oktober 1944 nach Kittsee im Burgenland zum Schanzenbau notdienstverpflichtet wurde er Anfang Dezember nach Engerau versetzt.
1945 zu einer 8-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt, 1948 bedingt begnadigt.

 

Karikatur 

Neues Österreich, 14. 8. 1945, S. 2

 

 

Volksstimme

 

 

Österreichische Volksstimme,

15. 8. 1945, S. 1

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Das kleine Volksblatt

 

 

 

 

 

 

 

 

Das kleine Volksblatt,

18. 8. 1945, S. 1

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Zwischen 1945 und 1954 fanden vor dem Landesgericht Wien als Volksgericht gegen 21 der für die Verbrechen verantwortlichen österreichischen SA-Männer und politischen Leiter insgesamt sechs Prozesse statt. Neun Angeklagte wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet, ein Angeklagter erhielt eine lebenslange Haftstrafe, einer wurde freigesprochen. Die übrigen erhielten Freiheitsstrafen in der Höhe von drei Monaten bis 19 Jahren.

 

 

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