logo
logo

Johann Wimmer (1923 - 1944)

"Mich finden sie nicht"

 

Opfer der NS-Militärjustiz

 

 

Die meisten Todesurteile (geschätzte 22.750) wurden von den Militärrichtern wegen "Fahnenflucht" ausgesprochen. Rund 15.000 gegen Deserteure gefällte Todesurteile wurden auch vollstreckt, zwischen 1200 und 1400 Österreicher wurden deshalb so wie der Wiener Spenglerlehrling Johann Wimmer (geboren am 11. 6. 1923) hingerichtet.

 

Der Panzerschütze Johann Wimmer, der vor seiner Einrückung im April 1942 der Hitler-Jugend angehörte, wurde wegen unerlaubter Entfernung von der Truppe im Dezember 1942 mit zwei Monaten Gefängnis bestraft, wovon er vier Wochen verbüßen sollte, die Vollstreckung des Strafrests wurde aufgeschoben, "um dem Verurteilten Gelegenheit zu geben, sich vor dem Feinde zu bewähren". Durch eine Blinddarmentzündung und anschließende Lazarettaufenthalte kam es nicht zum Strafantritt, der Haftbefehl wurde aufgehoben. Nach seiner Genesung rückte Wimmer zur Truppe nach Wien-Guntramsdorf ein, kehrte aber zehn Tage später - Mitte März 1943 - nach Wien zurück und versteckte sich bis zu seiner Verhaftung im Juni 1943 bei seiner Mutter und seiner Freundin.

 

Am 15. 7. 1943 wurde er abermals wegen unerlaubter Entfernung, diesmal zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. In der Nacht vom 24. auf den 25. 7. flüchtete Wimmer aus dem Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis Wien, Zweigstelle Albrechtskaserne (er zwängte sich durch das offene Loch aus der Zelle in den Gang, später durch ein Fenstergitter und kletterte über die Kasernenmauer). Den Vorschlag seiner Mutter, sich freiwillig zu stellen, lehnte er "ganz entschieden ab mit dem Hinweis darauf, daß er im Falle seiner Rückkehr zur Wehrmacht ganz bestimmt mit einer Abstellung als unbewaffneter Strafgefangener ins Feld und somit mit seinem sichern Tod zu rechnen hätte". (Feldurteil des Gerichts der Division Nr. 177, 29. 10. 1943; auch die folgenden Zitate wurden daraus entnommen.) Eine Woche lang fand er Unterschlupf bei einem Bekannten der Familie; in der Folge war er ohne festen Unterstand und gezwungen, im Freien zu übernachten, was schließlich zu seiner Festnahme führte: Am 14. 8. informierten Passanten die Polizei, dass ein "verdächtiger Bursch in der Grinzingerallee in einer Sandkiste der Gemeinde Wien genächtigt habe". Aufgrund mehrerer Einbruchdiebstähle in dieser Gegend wurde nach dem Unbekannten gefahndet. Wimmer wurde am 15. 8. 1943 in Grinzing festgenommen, ein weiterer Fluchtversuch bei seiner Überstellung an die Gestapo Wien scheiterte. Da er falsche Angaben über seine Person machte, dauerte es zwei Tage, bis er identifiziert und in das Wehrmachtsuntersuchungsgefängnis überstellt wurde.

 

Im Zuge der Untersuchungen wurde ein Brief Wimmers an eine Freundin gefunden, den er am 26. 7. kurz nach seiner Flucht geschrieben, aber nicht mehr abgeschickt hatte:

 

"So habe ich mich dann am Samstag von der Kaserne abermals entfernt. Eines kann ich Dir ja sagen, daß ich wieder nach Deutschland komme. Es weiß ja nur einer, wo ich bin, da ich nicht einmal nach Hause schreiben kann. Kein Mensch weiß, wo ich bin, da kann die Wehrmachtskriminalpolizei lange suchen. Denke dir ja nicht, daß sie mich erwischen, denn dieses Mal bin ich gescheiter, da kannst dich verlassen. Wenn sie mich erwischen, kost’ es mir den Kopf, aber dieses Mal ist alles umsonst. Mich finden sie nicht und kann dann fortbleiben. Ich habe nichts zu befürchten und fürchte mich vor gar nichts. Ich komme noch dieses Jahr, da ist der Krieg aus. Und schreibe nicht, denn sonst ist es gefährlich. Wohin ich fahre, die Richtung, das kannst Dir ja denken, habe ich dann mein Ziel erreicht, so schreibe ich Dir, wo ich bin."

 

Wimmer wurde vom Gericht der Division Nr. 177 am 29. 10. 1943 zum Tode verurteilt. Das Urteil gegen den 20-Jährigen wurde am 7. 2. 1944 im Landesgericht Wien vollstreckt.

 

 

>> weiter

<< zurück zur Übersicht

 

Downloads

Gericht der Division Nr. 177 (Wien)
(1,8 MB)
Unterstützt von: