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"Krachendes Österreich" - NS-Terror 1933 bis 1938

Biographische Daten, Fotos und Dokumente zu den Opfern

 

Zwei Tage vor der Ermordung des österreichischen Bundeskanzlers Engelbert Dollfuß am 25. Juli 1934 - also vor 80 Jahren - und den anschließenden kurzen bürgerkriegsähnlichen Kämpfen in mehreren Bundesländern nahm die illegale NS-Zeitung Der Freiheitskampf. Kampfblatt der NSDAP für Kärnten u. Osttirol unter dem Titel Krachendes Österreich Bezug auf eine Welle von Sprengstoffanschlägen, die Österreich überrollte: Insbesondere seit der NS-Machtübernahme in Deutschland (1933) wollte die österreichische NSDAP ein nationalsozialistisches Regime "herbeibomben". Dollfuß als prominentestes Opfer des Putschversuchs hat die übrigen Opfer vor, während und nach dem Juli 1934 oft im Hintergrund verschwinden lassen. Sie standen im Mittelpunkt eines vom DÖW gemeinsam mit dem Karl von Vogelsang-Institut durchgeführten Projekts, in dem knapp 800 Personen namentlich ermittelt wurden, die 1933 bis 1938 im Zuge nationalsozialistischer Anschläge (mehrheitlich) verwundet oder getötet wurden: Eine Auswahl von derzeit rund 150 Biographien von NS-Todesopfern ist nun auf der Website des DÖW veröffentlicht.

 

In Wien wurden beispielsweise durch ein Bombenattentat der jüdische Juwelier Norbert Futterweit und Johann Hodik, ein Passant, im Juni 1933 getötet. Ein Jahr später starb Polizeihauptmann Konrad Nosko nach dem Versuch, im Hof des Kommissariats Mariahilf einen Sprengkörper zu entschärfen. Die Grazerin Hermine Graubner, die im Juli 1934 mit ihrem Verlobten einen Ausflug nach Salzburg machte, wurde dort durch einen Anschlag auf ein Postauto tödlich verletzt (die Grazer Städtische Bestattungsanstalt drangsalierte später ihre Mutter, eine mittellose Witwe, mit Rechnungen und Mahnungen). Im Juni 1934 wurde der Kapfenberger Kaplan Franz Eibl durch eine Bombenexplosion schwer verletzt, als er seine Ernennung zum Geistlichen Rat feierte; er starb kurz darauf.

 

Ebenfalls in der Auswahl enthalten sind die Opfer des NS-Juliputschs 1934. In den Kämpfen, die von beiden Seiten mit extremer Gewaltanwendung bestritten wurden, fielen auf Regierungsseite über 100 Personen - bei Gefechten, im Straßenkampf oder weil sie sich, wie Franz Titz, Kommandant des Gendarmeriepostens St. Gallen (Steiermark), weigerten, sich den NS-Putschisten zu ergeben.

 

Waffen, Sprengmittel und Propagandamaterial wurden über die bayrisch-österreichische Grenze ins Land geschmuggelt. Nicht wenige Opfer forderte dementsprechend der Wachdienst im Grenzgebiet. So wurde etwa im Jänner 1934 der Tiroler Zollwachekontrollor Franz Winkler während einer Patrouille erschossen; die Leiche wurde im Inn "entsorgt" und erst im März 1934 in Erl angeschwemmt. Mehrere Jahre nach Kriegsende gab der Täter bei seiner polizeilichen Einvernahme ungerührt zu: "Mit der Pistole […], die ich immer noch in der Hand hielt, gab ich ihm einen 2. Schuss als Gnadenschuss in die linke Brusthälfte."

 

Die Anwendung hemmungsloser Gewalt ist ein Merkmal der NS-Feme: Die Betroffenen - als "Verräter" stigmatisiert - wurden entführt, niedergeschlagen, gewürgt und schließlich meistens mit Kopfschüssen aus kurzer Distanz quasi hingerichtet. Neben mehreren anderen Fememorden ist auf der Website des DÖW auch die Ermordung der Wienerin Antonia Plöchl dokumentiert, die u. a. Kontakt zu Max Grillmayer (SS-Mitglied, nach Deutschland geflüchteter Organisator von NS-Terroranschlägen in Wien) hatte.

 

Der NS-Terror 1933 bis 1938 sollte Österreich - mit der "ständestaatlichen" Verfassung vom Mai 1934 ein Staat ohne parlamentarische Demokratie, pluralistische Parteien und gesellschaftliche Interessenvertretungen, dem Teile der Bevölkerung distanziert bis ablehnend gegenüberstanden - destabilisieren, er richtete sich gegen die staatliche Infrastruktur, gegen politische Gegner und gegen Juden bzw. jüdische Einrichtungen; Zufallsopfer wurden dabei ohne Rücksicht in Kauf genommen.

 

 

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