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Miksch, Thomas

Österreichische Stalin-Opfer (bis 1945)

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Name russisch: Микш Томас

Geboren: 18.12.1905, Wien

Beruf: Bäcker

Letzter Wohnort in Österreich: Wien

Ankunft in Russland/Sowjetunion: 12.09.1932

Wohnorte in der Sowjetunion: Moskau, Stalino

Verhaftet: 04.09.1936, Stalino

Anklage: Spionage

Urteil: 18.12.1936, 5 Jahre Lagerhaft; 05.02.1940, Ausweisung

Emigrationsmotiv: wirtschaftliche Emigration

Schicksal: an Nazi-Deutschland ausgeliefert

 

Thomas Miksch wurde 1905 in Wien als fünftes Kind einer Arbeiterfamilie geboren. Er verließ mit 14 Jahren nach dem Tod der Mutter die Familie, arbeitete zuerst als Landarbeiter in Ungarn, machte dann in Lilienfeld eine Bäckerlehre. Nach der Lehre arbeitete er als Bäcker u. a. in St. Pölten und Wien, z. B. in den Hammerbrot-Werken und der Ankerbrot-Fabrik. In Lilienfeld hatte Miksch eine SAJ-Ortsgruppe gegründet und in den folgenden Jahren gehörte er zum linken Rand der SDAP. Nach den Ereignissen vom Juli 1927 gab er zusammen mit Ilona Polanyi eine linkssozialistische Zeitschrift heraus und wurde deshalb Anfang 1928 aus der SDAP ausgeschlossen. Miksch nahm an der Gründung des Rotfrontkämpferbundes (später als Kommunistische Arbeiterwehr bekannt) teil, trat der KPÖ bei und wurde Mitarbeiter der Roten Fahne und des Parteisekretariats.

 

Nach den Bundeswahlen vom November 1930 geriet Miksch in Streit mit der Parteiführung. Ein Parteigericht beschied ihm egoistisches Verhalten und enthob ihn auf ein halbes Jahr aller Parteifunktionen. Miksch ging dann nach Dänemark und Deutschland, wo er einige Zeit für das Westbüro der Komintern in Berlin und Kopenhagen Aufträge durchführte. Am 21. Dezember 1931 wurde er in einem Wiener Kaffeehaus mit einer Pistole – für die er keinen Waffenschein hatte – festgenommen, als er als Instrukteur der Revolutionären Gewerkschaftsopposition unterwegs war. Damals war er ZK-Mitglied, Österreich-Korrespondent der Komintern-Zeitung INPREKORR (Internationale Pressekorrespondenz) und Redakteur bei der Wiener Roten Fahne. Nach Verbüßung seiner Haftstrafe in Wien fuhr Miksch nach Berlin und reiste von dort im September 1932 mit einem Touristenvisum nach Moskau, ohne die notwendige Zustimmung des ZK der KPÖ einzuholen.

 

Über seine Parteibeziehungen erhielt er eine Stelle als Leiter der technischen Abteilung des Wissenschaftlichen Institutes für die Bäckereiindustrie in Moskau. Als Miksch sich im Mai 1933 auf Urlaub in Österreich befand, versuchte Oskar Grossman, der Vertreter der KPÖ beim EKKI (Exekutivkomitee der Komintern), die Wiedereinreise von Miksch in die Sowjetunion zu verhindern, was allerdings misslang. Grossmann beantragte, dass der Fall Miksch von der IKK (Internationale Kontroll-Kommission) behandelt werden sollte, aber diese beschloss im August 1933, die Angelegenheit bei der KPÖ zu belassen, die Miksch in der Folge aus der Partei ausschloss. Miksch wurde im Juni 1933 in das Donbass-Gebiet versetzt, wo er es schließlich zum technischen Direktor des Bäckerei-Trusts in Stalino (Doneck) brachte.

 

In Moskau ließ Miksch rechtzeitig seinen österreichischen Pass im Sommer 1933 auf weitere fünf Jahre verlängern und sich als österreichischer Staatsbürger registrieren. 1935 strengte er ein Verfahren zur Wiederaufnahme in die KPÖ an. Vor der entscheidenden Sitzung der IKK am 27. Oktober 1935 reiste Miksch wieder aus Moskau ab. Davon setzte man die Geheimpolizei in Kenntnis. Die IKK beschloss Ende 1935, am Parteiausschluss festzuhalten, obwohl Miksch eingestanden hatte, die Parteidisziplin insofern verletzt zu haben, als er seinerzeit ohne die Zustimmung der KPÖ in die UdSSR emigriert war. Angesichts der steigenden Zahl der Verhaftungen unter Ausländern in der Ukraine plante Miksch seine Ausreise. Es wurde ihm jedoch die Lohnabrechnung im Betrieb verweigert und der lokale Staatsanwalt eingeschaltet, der Miksch nach der Verhaftung am 4. September 1936 vorwarf, unerlaubte Beziehungen mit einigen Frauen in der Brotfabrik gehabt zu haben. Miksch verlangte eine Gegenüberstellung mit den Frauen des Betriebes, die nunmehr ihre Aussagen darauf einschränkten, Miksch hätte mit ihnen "schlafen wollen". Daraufhin wurde Miksch freigelassen, aber sein Pass zurückgehalten. Miksch glaubte, man wolle ihn nur von der beabsichtigten Heimreise abhalten. Er war ohne Geld und wandte sich an die österreichische Gesandtschaft um Hilfe. Die österreichischen Diplomaten intervenierten sofort für Miksch und bald darauf noch einmal, nachdem er ihnen von seiner Verhaftung am 4. September 1936 telegraphisch hatte berichten lassen. Ein Bekannter von Miksch hatte die Gesandtschaft von der Festnahme auch in einem anonymen Brief verständigt.

 

Die alte Anklage seitens der angeblich vergewaltigten Frauen lebte wieder auf, wurde aber bald durch eine politische ersetzt: Miksch sei als Agent der Gestapo zu Spionagezwecken in die UdSSR eingereist. Seine Entgegnung, 1932 hätte die Gestapo gar nicht existiert, wurde nicht zur Kenntnis genommen. Miksch gab die zynische Taktik des NKVD-Verhörenden folgendermaßen wieder: "Erst machen wir dich moralisch fertig, um deine Botschaft auszuschalten, und dann werden wir dich erledigen." Am 18. Dezember 1936 wurde Miksch zu fünf Jahren Lagerhaft verurteilt, die er in Mariupol', Novočerkassk sowie auf den Soloveckij-Inseln, wo er angeblich mit dem Wiener Karlo Štajner (Karl Steiner) zusammen in einer Zelle war, verbrachte. Nach der Auflösung des Lagers auf den Soloveckij-Inseln im Herbst 1939 verlegte man Miksch nach Orel und dann nach Moskau in die Butyrka. Am 5. Februar 1940 wurde seine Ausweisung aus der Sowjetunion beschlossen. Am 8. Februar wurde Miksch bei Brest-Litovsk den deutschen Behörden übergeben. Nach Einvernahme und Nachforschungen durch die Gestapo wurde Miksch am 12. April 1940 freigelassen. Er ließ sich in Hamburg nieder und arbeitete wieder als Bäcker.

 

 

Quelle: RGASPI, DÖW, Politisches Archiv des AA

 

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