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Heider, Friedrich

Österreichische Stalin-Opfer (bis 1945)

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Name russisch: Гейдер Фриц (Фридрих) Иванович

Geboren: 13.09.1908, Bern

Beruf: Dreher, Lektor

Letzter Wohnort in Österreich: Wien

Ankunft in Russland/Sowjetunion: 20.05.1932

Wohnorte in der Sowjetunion: Krasnogorsk, Moskau

Verhaftet: 16.02.1938, Moskau

Anklage: Spionage für Österreich

Urteil: 27.03.1938, Dvojka, Tod durch Erschießen

Gestorben: 05.04.1938, Butovo

Rehabilitiert: 19.08.1957, Militärtribunal des Moskauer Wehrkreises

Emigrationsmotiv: wirtschaftliche Emigration

Schicksal: erschossen

 

Friedrich (Fritz) Heider wurde 1908 in Bern geboren. Seine Eltern stammten aus Wien. Die Mutter arbeitete als Kindermädchen, Fürsorgerin und Taubstummendolmetscherin (ihre Eltern waren taubstumm), der Vater war Mechaniker und Wanderarbeiter. Heiders Eltern hatten sich in einem Kreis von Arbeiterdichtern kennengelernt und lebten von 1907 bis 1909 in Bern, kehrten dann nach Wien zurück. Von 1911 bis 1913 lebten sie in Berlin, in der Folge wieder in Wien. Friedrich Heider verbrachte im Rahmen einer Kinderhilfsaktion die Jahre von 1919 bis 1920 in der Schweiz und von 1920 bis 1922 in Holland bei Gastfamilien. Von 1927 bis 1932 war er in Wien Mitglied der SDAP und des Schutzbundes. Bis 1931 war er auch Sekretär des Verbandes der deutschen Studenten in Österreich. Heider studierte nach dem Gymnasium Medizin an der Universität Wien, musste aber das Studium aus finanziellen Gründen abbrechen.

 

Im Mai 1932 reiste er mit einem Touristenvisum zu seinem Vater in die Sowjetunion, der auf der Basis eines Arbeitsvertrages in Krasnogorsk bei Moskau lebte, weil er in Österreich keine Beschäftigung fand. Friedrich Heiders Mutter Berta und seine Schwester Erna folgten ihm im Juli 1931 nach Moskau. Friedrich Heider arbeitete als Dreherlehrling in der Fabrik Nr. 69 in Krasnogorsk. Als 1935 dort fast alle Ausländer entlassen wurden, war er kurz in der Fabrik beschäftigt und wechselte dann als Korrektor und Übersetzer zur Deutschen Zentral-Zeitung (DZZ) in Moskau. Seine aus Deutschland stammende Frau Rosa, mit der er seit 1929 verheiratet war, folgte ihm 1933 nach Moskau. Beide optierten im Juni 1936 für die sowjetische Staatsbürgerschaft.

 

Wie nahezu alle aus dem Ausland stammenden Mitarbeiter der DZZ wurde auch Friedrich Heider verhaftet, und zwar am 16. Februar 1938, nachdem er sich kurz vorher zur Roten Armee gemeldet hatte. Er wurde der Spionage für Österreich beschuldigt. Heider "gestand", 1932 in Polizeihaft unter Androhung des Todes der Zusammenarbeit mit dem österreichischen Geheimdienst zugestimmt zu haben und mit dem Ziel, u.a. die DZZ auszuspionieren, in die Sowjetunion gefahren zu sein. Verdächtig machte ihn auch, dass er mehrmals die österreichische Gesandtschaft aufgesucht hatte. Er wurde am 27. März zum Tode verurteilt und am 5. April 1938 in Butovo bei Moskau erschossen.

 

Sein jüngerer Bruder Walter Heider war Mitglied der KPÖ, er lebte von 1931 bis 1934 ebenfalls in Krasnogorsk und arbeitete in der Fabrik Nr. 69. Er wurde dann von der Partei nach Wien zurückgeschickt, nach dem Februar 1934 im Anhaltelager Wöllersdorf inhaftiert und konnte 1935 wieder nach Russland ausreisen, wo er bis 1937 in der Moskauer Fabrik für Messinstrumente Тизприбор arbeitete. Walter Heider meldete sich zu den Internationalen Brigaden und fuhr am 2. Februar 1938 nach Spanien. Er wurde 1939 in Frankreich interniert. 1943 ging er als Fremdarbeiter getarnt ins Deutsche Reich, wurde verhaftet und nach Auschwitz überstellt. Zuletzt war er im Gestapogefängnis Kleine Festung Theresienstadt in Haft, wo er am 12. Mai 1945 kurz nach der Befreiung starb.

 

Die Mutter Berta Heider, 1930 aus der SDAP ausgeschlossen, wurde eine aktive Kommunistin, sie arbeitete 1931 bis 1934 ebenfalls in der Fabrik Nr. 69, in der Folge als Erzieherin ("Mama" Heider) im Kinderheim № 6, in dem die Schutzbundkinder untergebracht waren. Bei Kriegsbeginn wurde die Familie aus Moskau ausgewiesen, zunächst nach Tambov, wo Berta Heider in einer Kolchose Arbeit fand. Da die Lebensbedingungen dort sehr hart waren, meldeten sich alle Familienmitglieder zu einem freiwilligen Arbeitseinsatz nach Sibirien. In Chužir auf der Insel Ol'chon im Bajkalsee knüpfte Berta Heider Fischernetze, später konnte sie dort als Deutschlehrerin arbeiten. Als ihr Mann und ihre Tochter an Skorbut erkrankten, übersiedelte die Familie nach Tulun im Gebiet Irkutsk. Rosa Heider, die Frau von Friedrich Heider und ihr Sohn Georgij (geboren 1935) lebten später in Mytišči bei Moskau. Ende der neunziger Jahre übersiedelten einige Angehörige der Familie nach Österreich. Im Bescheid über die Rehabilitierung Friedrich Heiders, der Rosa und Berta Heider zugestellt wurde, ist festgehalten, dass nach Friedrich Heider vom Reichssicherheitshauptamt gefahndet wurde und dass die für die Aktenfälschung verantwortlichen NKVD-Offiziere Ivan Sorokin und Leonid Zakovskij bestraft wurden.

 

 

Quelle: Parteiarchiv der KPÖ, GARF, RGASPI, lists.memo.ru

 

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