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Rudolfine Muhr: Wir haben gewusst: Unsere Zeit kommt!

Rudolfine Muhr, geb. 1900 in Wien, Metallarbeiterin. In der Betriebszellenarbeit der Revolutionären Sozialisten aktiv, zwischen 1934 und 1938 mehrmals verhaftet. Am 22. August 1939 neuerliche Festnahme, Haftentlassung im April 1940.

1945-1949 Wiener Gemeinderat (SPÖ), 1949-1969 Bundesrat, 1959-1963 Sekretärin des Bundesfrauenkomitees der SPÖ, stellvertretende Vorsitzende des Bundes Sozialistischer Freiheitskämpfer.

Verstorben 1984.

 

 

Ich bin gerade, bevor die Nazis gekommen sind, durch die Amnestie vom Schuschnigg enthaftet worden [Generalamnestie für alle politischen Gefangenen vom 16. 2. 1938], so wie wir alle. Aber sie haben uns auf der Liste gehabt [der so genannten A-Kartei der Gestapo]. Und wir sind dann am 22. 8. 1939 - eine Woche vor dem Krieg - alle verhaftet worden. Das war eine Aktion von den Nazis. Dadurch, dass ich nicht vorbestraft war, weil ich ja erst im 37er-Jahr verhaftet und amnestiert worden bin und das Verfahren niedergeschlagen worden ist, bin ich nicht ins Lager gegangen, was mich damals gewundert hat und alle anderen auch.

 

Am Morzinplatz sind wir verhört worden. Aber inhaftiert waren wir ja alle auf der "Liesl" [Polizeigefängnis Roßauer Lände], bis zum April 1940. Ich könnte nicht sagen, dass mir etwas passiert ist. Ich bin nie geschlagen worden, auch bei den Verhören nicht. Ich habe ihnen immer eine Antwort gegeben, aber nie die, die sie haben wollten. Ich habe überhaupt nichts gestanden. Ich habe nur meine Gesinnung nicht verleugnet.

 

Und die Flossmann [Ferdinanda Flossmann, geb. 1888, frühere Gemeinderätin] und ich und andere sind freigegangen. Die anderen sind alle ins Lager gekommen. Und dort hat es auch eine Rolle gespielt, wenn einer schon vorbestraft war - die haben ja die Protokolle von den Gerichten gehabt.

 

Wie Sie rausgekommen sind, haben Sie dann noch weitere Aktivitäten im Widerstand gesetzt?

 

Natürlich! Nur natürlich nicht in dem Umfang wie früher, sondern erstens einmal sehr vorsichtig und zweitens nur mehr in einem bestimmten Kreis. Das allein war ja schon sehr gefährlich. Ich hab den Kontakt mit einem Kreis von Menschen aufrechterhalten. Und wir haben intern, dieser Kreis, jeden Monat einen gewissen Betrag gespendet, damit wir Lebensmittel kaufen können im Schleichhandel, war ja alles verboten, um das unseren Genossen, die in den Lagern waren, zu schicken. Ich habe alle Monate fünf Pakete geschickt. [...] Ich hab ja nicht allein geschickt. Ich habe ja sammeln müssen, weil wir das alles im Schleichhandel kaufen mussten. Der [Roman] Felleis ist von uns betreut worden. Der [Franz] Rauscher, der [Franz] Olah, die [Rosa] Jochmann, die [Helene] Potetz. [Es handelte sich um die Funktionäre der Revolutionären Sozialisten] Und hin und wieder auch noch andere. Aber die regelmäßig. Und dass man auch eine mündliche Propaganda entfaltet hat, das war klar. Wir haben schwarzgehört und das dann verbreitet. Es hat verschiedene Dinge gegeben, die man machen konnte. Und wenn man halt ein Glück gehabt hat, haben s' einen nicht erwischt. Ich hab mich jede Woche bei der Polizei melden müssen. Ich habe Wien nicht verlassen dürfen. Aber irgendwie, dieses Melden bei der Polizei hat mir eine gewisse Unbekümmertheit gegeben. Oder sagen wir: Sicherheit. Obwohl 's ein Blödsinn war. Wenn s' mich erwischt hätten, so hätten sie mich nicht verschont. Nachdem wir ja schwarzgehört haben, haben wir auch allerhand erfahren und gewusst. Da haben wir schon gewusst, dass die russische Armee in Ungarn steht. Und wo die Amerikaner und die Engländer waren - das haben wir alles gewusst. Also, immer näher und näher sind sie gekommen. Wir haben gewusst: Unsere Zeit kommt!

 

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