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Pavle Zablatnik: "... die Pfaffen ham heut nix zu reden."

Pavle Zablatnik, geb. 1912 in Fellersdorf/Bilnjovs als Bauernsohn, 1938 Priesterweihe. 1943 Vorladung zur Gestapo.

Nach 1945 Studium in Graz, anschließend Mittelschulprofessor, 1967-1977 Direktor des Bundesgymnasiums für Slowenen in Klagenfurt.

Verstorben 1993.

 

 

Anfang März 1938, bevor Hitler Österreich okkupiert hatte, ging ich eines Tages mit dem Kollegen Rudi Zeichen spazieren. Beide im Talar, sodass wir als Theologen erkenntlich waren.

 

Wir waren gerade unterwegs zum Wörther See, da kamen uns zwei junge Kerle schon mit dem Parteiabzeichen entgegen, so ganz offen. Sie hielten uns die Hand unters Kinn: "Heil Hitler!" Mein Freund, der Rudi, war sehr schlagfertig und sagte: "Unheilbar." Also aus "Heil Hitler" als Befehlsform leitete er den Schluss "unheilbar" ab. Na, wie die uns anschauten! Aber irgendwie brachial zu reagieren trauten sie sich noch nicht recht, Rudi aber kam später ins KZ Dachau.

 

Als dann Hitler einmarschiert war, rief uns der Regens des Priesterseminars, der Weihbischof Rohracher, zusammen und sagte: "Sie wissen, was geschehen ist. Wenn es sich jemand vielleicht jetzt überlegt, dass er sich nicht weihen lassen möchte, bitte. Es steht den Priestern nichts Gutes bevor, also ist es besser, er überlegt es sich früher, als dass er später vielleicht zu große Schwierigkeiten hätte." Aber keiner von uns trat deswegen von der Weihe zurück.

 

Bald nach der Weihe bestellte er mich zu sich. Meine Primiz war im Jahr '38. Ich fuhr mit dem Rad zu ihm ins Ordinariat. Er sagte zu mir: "Wissen Sie, wo St. Leonhard bei Siebenbrünn ist?" Ich: "Oh ja. Ich bin da schon öfters mit dem Rad vorbeigefahren, hinauf ins Gailtal." Wir Studenten trafen uns eben oft in den Ferien, da waren wir auch auf der Achomitzer Alm. "Dort hat die Kirche einen stumpfen Turm", fügte ich noch hinzu. Da sagte er: "Ja, stimmt, dann sind Sie ja im Bilde. Der Pfarrer oben ist von den Nazis verhaftet worden, und wir hoffen, dass wir ihn in spätestens 14 Tagen freibekommen. Bis dahin ist die Pfarre nicht versorgt. Ich schicke Sie mit pfarrlicher Jurisdiktion hinauf, dass Sie die vierzehn Tage da oben die Seelsorge übernehmen. 14 Tage - es kann vielleicht etwas länger dauern."

 

Das war der Pfarrer Andreas Sadjak. Bei dem machten sie Kassasturz, und da stimmte die Buchhaltung mit der Kassa nicht ganz überein. Das genügte, dass sie ihn verhafteten und einsperrten. Sie hatten ja nur einen Vorwand gesucht. Er war nämlich zugleich der Kassier der slowenischen Sparkasse. Und die Kirche bekam ihn nicht frei, im Gegenteil, man brachte ihn von Villach, St. Leonhard liegt ja im Bezirk Villach, nach Klagenfurt ins Landesgericht. Da wurde er dann verurteilt zu zwei Jahren Haft und in die Strafanstalt Karlau überstellt.

 

Ich ging nach St. Leonhard und blieb einfach da oben, weil ich verständigt worden war: "Sie bleiben bis auf weiteres in St. Leonhard bei Siebenbrünn." Diese Pfarre war damals auch noch kompakt slowenisch. Nur einmal im Monat, beim Frühgottesdienst, war eine deutsche Predigt vorgesehen. Ende Juni 1939 kam ich dann nach St. Margarethen am Töllerberg. Dort hatte ich im Filialpfarrhof eine Partei in Untermiete wohnen, das war ein pensionierter Oberlehrer, der früher an der Schule Direktor war. Und im Jahr '41 zog er auf einmal aus. Er hatte es mir schon vorher angekündigt, denn als er das letzte Mal den Zins zahlen kam, sagte er: "Nächstes Jahr werd ich wahrscheinlich keine Miete mehr zahlen, da werd ich nicht mehr da sein." Und im Oktober war er auf einmal ausgezogen, ohne dass er mir irgendetwas gemeldet hätte. Er stand offensichtlich unter dem Druck des Ortsgruppenleiters. Und da übergab er einfach den Schlüssel dem Ortsgruppenleiter. Der aber gab den Schlüssel einer anderen Partei weiter, die dann bei Nacht und Nebel in den Pfarrhof eingezogen war. Diese Partei war nationalsozialistisch gesinnt.

 

Als ich am nächsten Tag erfuhr, dass die Familie drinnen war, fuhr ich mit dem Rad zum Pfarrhof und überraschte sie. Als die Frau merkte, dass ich da war, zog sie sich ins Zimmer zurück, und so war niemand da, den ich ansprechen hätte können. Schließlich ist das Dienstmädchen heraus, die war einmal meine Schülerin. Ich fragte sie: "Wo ist denn die Frau Sebastian?" - "Die ist krank." Die hat sich also krank gestellt. "Sag ihr, ich möchte sie ganz kurz sprechen." Dann kam sie doch heraus, und ich fragte sie: "Bitte, wie kommen Sie da herein?" - "Ja, der Ortsgruppenleiter hat uns gesagt, wir können da einziehen." Darauf sagte ich: "Schauen Sie, der Ortsgruppenleiter ist ein politischer Leiter. Höchstens die Gemeinde, die Verwaltung könnte Sie aufgrund irgendeines Gesetzes hier einquartieren, aber auch die nicht ohne Wissen des verantwortlichen Verwalters, und der bin eben ich."

 

Gut, jedenfalls war dann die Sache die, dass die Frau sagte: "Der Ortsgruppenleiter hat g'sagt, die Pfaffen ham heut nix zu reden." In dem Ton redete sie dann mit mir. "So geht 's nicht", sagte ich. "Ich rate Ihnen, besser heute als morgen auszuziehen, sonst müsste ich gerichtliche Schritte unternehmen und Sie müssten dann die Folgen tragen. Ich rate Ihnen ..." Sie reagierte nicht darauf. Ich ging am nächsten Tag wieder hin mit einem Zeugen, und sie reagierte wieder nicht. Ich erhob dann im Einvernehmen mit dem bischöflichen Ordinariat über einen Rechtsanwalt Einspruch beim Landesreichsstatthalter Pawlovsky gegen diese gesetzwidrige Maßnahme, jemanden ohne vorherige Wohnungsanforderung einzuquartieren. Dieser Einspruch wurde positiv erledigt, und nach drei Wochen bekam ich es schwarz auf weiß, dass die Familie auszuziehen habe, weil sie rechtswidrig drinnen war. Sie zog immer noch nicht aus, dann hätt 's sollen zu einem Prozess kommen. Zum Schluss musste sie doch ausziehen.

 

In der Kirche gab es slowenische Aufschriften bei den Kreuzwegstationen und anderswo. Und da bekam ich vom Ortsgruppenleiter die Aufforderung, die In- und Aufschriften in und an der Kirche sofort zu beseitigen. Ich rührte mich nicht, weil der Auftrag nicht von kompetenter Stelle gekommen war. Ich ließ es drauf ankommen, dass er mich noch einmal aufforderte. "Herr Ortsgruppenleiter, ich hab nicht reagiert darauf, weil ich die Aufforderung nicht von kompetenter Stelle bekommen hab. Sie sind nicht zuständig, wissen Sie." "Ha", sagte er, "ich werd' mich bei der Kreisleitung beschweren." Ich aber: "Das können Sie tun. Zuständig für solche Weisungen ist nur die Verwaltungsbehörde." Das wäre damals der Landrat gewesen, die Bezirkshauptmannschaft hieß damals Landrat. "Veranlassen Sie, dass ich sie vom Landrat bekomme." Da war er wild und wütete! So war 's eben dann, dass ich mit ihm vor der Gendarmerie erscheinen musste. Dort griff er mich an: "Die Partei bedeutet Ihnen nichts?" Da rief ich den Gendarmeriemeister aIs Zeugen an: "Herr Gendarmeriemeister, hab ich gesagt, dass die Partei nichts ist?" - "Keineswegs", antwortete dieser. So hob ich ihn sozusagen aus dem Sattel. Ich blamierte ihn direkt vor dem Gendarmeriemeister, so dass er zum Schluss einfach zurücksteckte und sagte: "Sagen S' mir, Herr Pfarrer, wozu tut ihr denn acht Jahr studieren und noch vier Jahr Theologie dazu?" Da ging er einfach, nur um irgendwie den schlechten Eindruck zu verwischen, den er gemacht hatte, eine Diskussion mit mir über religiöse Fragen ein. Und da plauschten wir gemütlich, sodass er zum Schluss sagte: "Ich hab gar nicht gewusst, dass man mit Ihnen so gemütlich plauschen kann." - "Ich steh zur Verfügung. Wenn Sie irgendeinmal Lust verspüren ..." Und von da an urgierte er auch nicht mehr, die slowenischen Aufschriften zu beseitigen. Das war im Jahr '41. Bis '43 blieben die slowenischen Aufschriften.

 

lm 43er Jahr, ich weiß nicht, wer es dann war, jemand musste sich wieder dran gestoßen haben, wurde ich zur Gestapo vorgeladen. Weinmann hieß der Zuständige für die Geistlichen. "Ja, wer ma gleich nachschauen", sagte er und brachte einen Akt. "Na, ist schon ziemlich viel da", sagte er. Ich aber: "Ich wüsste nicht was." - "Na ja, das Neueste, Sie haben schon im Jahr '41 die Aufforderung bekommen, die slowenischen Aufschriften zu beseitigen. Das haben Sie nicht getan. Warum eigentlich nicht?" - "Der Betreffende, der mir die Aufforderung zukommen hat lassen, der Ortsgruppenleiter, ist nicht die zuständige Stelle. Ich hab ihm ja auch gesagt, wer zuständig wäre, nämlich der Landrat. Bitte, wenn nun Sie veranlassen, dass ich von dort etwas krieg, von der zuständigen Stelle, dann ist das etwas anderes. Es ist ja odios für mich, etwas anzuordnen, wofür ich keine Deckung bei der zuständigen Behörde besitze."

 

Darauf er: "Jetzt nehmen Sie aber heute von uns, der Gestapo, zur Kenntnis, dass die Partei auch was befehlen kann. Binnen zehn Tagen sind die Inschriften und die Aufschriften zu beseitigen. Die Gendarmerie erhält den Auftrag, nach zehn Tagen nachzuschauen. Wenn da diese Inschriften noch nicht verschwunden sind, werden Sie wieder zu uns herzitiert, dann gehen Sie aber nimmer heim."

 

Nun, dann unterschrieb ich 's halt, doch ich übermalte oder überstrich sie nicht. Ich nahm Goldpapier und legte es schön darüber, nicht einmal überklebt, nur an den Enden befestigt. Am 8. Mai '45 war dieses Papier binnen ein paar Minuten herunten.

 

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