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Milena Gröblacher: Zum Schluss drängten alle zu den Partisanen

Milena Gröblacher (Vanda), geb. 1921 in St. Kanzian/Škocijan. Ab Herbst 1943 Unterstützung der Kärntner PartisanInnen.

1945-1955 Sekretärin, danach Vorsitzende des Verbandes slowenischer Frauen/Zveza slovenskih žena.

Verstorben 1997.

 

 

Im Jahre '42 wurden allmählich die ersten Kontakte mit denen aufgenommen, die gegen die Nazis waren. Zunächst haben sich die Älteren getroffen und geredet. Die Jugend wurde erst 1943 im Frühjahr angesprochen und informiert. Damals habe ich von den Partisanen hier erfahren. Es sind, sehr selten zwar, Einzelne gekommen, aber das war noch keine organisierte Angelegenheit, das war ein erstes Kontaktieren. Da und dort hast du erfahren, aha, der ist aus der Wehrmacht ausgerückt, du hast dich gefragt, wohin er wohl gegangen ist, und hast angenommen, der hat sich wohl versteckt. Dass der Widerstand schon organisiert war, daran hast du dich im Frühjahr '43 nicht einmal zu denken getraut. Du hättest es gar nicht geglaubt. Im Herbst '43 sind sie dann gekommen: wir sollten uns organisieren. Bei meinem Vater war ein Arbeiter, der hatte schon Kontakte, und der fragte mich eines Tages: "Kommst du nach Mökriach?" Und ich ging hin, wir waren drei, vier Leute dort. Und ich weiß noch, dass mein Vater fürchterliche Angst um mich hatte. Ich musste abhauen, sodass der Vater es nicht sah, wie ich verschwand. Das war mein erster Kontakt, der dauerte ganz kurz. Im 43er Jahr redeten wir ja nur. Dass es notwendig sei, die Leute zu informieren, dass wir etwas gegen die Deutschen tun müssten. Am plausibelsten war uns noch, dass wir die Engländer informieren sollten, wo sie wen herunterlassen können. Ende 1943 sind dann die vosovci gekommen, das war jene Partisanenvorhut, die das Terrain für militärische und organisatorische Operationen vorbereitete. Angeführt wurden sie von Aleš und Tiger. Die beiden, und damit auch die ganze Gruppe, wurden im Sommer 1944 gefangen genommen. Die beiden hatten schon früher Verbindungen zu den deutschen Gebieten, hinaus nach Ettendorf, und beim Überqueren der Drau fiel der Aleš, den Tiger nahmen sie gefangen. Er spielte dann eine Rolle, die sehr, na ja, eigentlich kann man das schwer beurteilen, er hat halt verraten. Die Gruppe Käfer ist durch ihn aufgeflogen.

 

Den Ausdruck "Gruppe Käfer" verwendeten wir ja damals nicht, wir sagten überhaupt nie "Gruppe", sondern: "Wir haben Verbindungen in deutsche Gegenden." Aus. Nicht einmal den Ort kannte ich damals genau, das erfuhr ich erst nach ihrer Verhaftung. "Gruppe" ist ein falscher Ausdruck, so nennen wir es heute, damals waren es aber jene Fäden, die in einer Widerstandsbewegung geknüpft wurden. Das war keine homogene Gesellschaft, in der man hätte sagen können, du bist der und du bist der. Das war eine antinazistische, für den Fortschritt kämpfende Widerstandsgemeinschaft, die du Gruppe, Verein oder wie auch immer nennen kannst. Hier war halt ein Widerstandsausschuss, der Verbindungen gesucht und auch gefunden hat, wer die aufgerissen hat, das weißt du nicht. Ich weiß es jedenfalls nicht. Der Käfer war ein alter österreichischer Kommunist und als solcher vermutlich auch schon den Widerstandskreisen in Slowenien bekannt. Ob er jetzt die Kontakte zu den Mitsches, den Ročičjaks und dem Kumer gesucht hat, die gleichzeitig mit ihm arretiert wurden, oder ob der Aleš und der Tiger diese Kontakte geknüpft hatten, das weiß ich nicht.

 

Noch etwas zu all dem. Immer, wenn wir uns mit höheren Funktionären der Armee oder der Organisation unterhielten, dann war es unsere gemeinsame Überzeugung, dass jetzt auch Hilfe aus England kommen müsse. Wir sammelten Daten über Brücken und kriegswichtige Fabriken und gaben sie weiter. Ich weiß zwar nicht, was für eine Fabrik in Ettendorf war, aber auf jeden Fall sammelten die Leute von der Gruppe Käfer auch Daten, und kurz vor ihrer Verhaftung hätte eine Frau mit einem Brief nach St. Kanzian kommen sollen. Die Lizika Ročičjak sagte zu mir nur: "Aus dem Lavanttal kommt eine zu dir, ich kenne sie persönlich auch nicht, aber so und so schaut sie aus, und der Štefan Kumer wird sie holen kommen." Ich: "Gut, in Ordnung." Und wirklich, er kommt und fragt: "Ist sie schon da?" Ich habe gesagt: "Wer?" Ich stellte mich ein bisschen unwissend. "Irgendwer." "Ja, die ist noch nicht da. Komm später." Er sagt: "Vielleicht kommt sie mit dem nächsten Zug." Einige Zeit später kam er wieder, aber die war noch immer nicht da. Ich saß den ganzen Tag wie auf Nadeln, kommt sie, kommt sie nicht, wie ist sie und ist sie überhaupt die Richtige. Aber sie ist überhaupt nicht gekommen. Sie schickte den Brief per Post, und er kam auf die St. Kanzianer Post, wo ihn die Polizei holte. Und das war dann der belastende Beweis für die Verbindung unserer Gegend mit der Gruppe. In dem Brief - wir sahen ihn ja nicht, aber den Verhafteten präsentierten sie ihn so - stand angeblich: Zu bombardieren sind ..., eine Skizze und Namen. Zwei, drei Tage, nachdem ich vergebens gewartet hatte, wurde sie arretiert.

 

Damals fürchteten wir uns, wir dachten, jetzt trifft es uns alle. Aber besonders großartig schützen konntest du dich nicht mehr. Die einzige Sicherheitsmaßnahme war, wir verstreuten alle Flugblätter, die wir noch hatten, das bisschen Literatur vergruben wir, aber wir machten das wenig fachmännisch. Einfach eingehüllt, und nach dem Krieg war alles zerfallen. Ich ging die Ročičjaks noch ein paar Mal ins Gefängnis besuchen, der Vater glaubte bis zuletzt, er werde nicht verurteilt, er werde überleben. Er war ja nur der Besitzer des Hauses, und die Seinen nahmen ihn alle in Schutz. Er wusste zwar, dass manchmal jemand im Haus ist, aber was alles passierte, das wusste er nicht. Seine Tochter Lizika nahm alles auf sich. "Beim Haus hatte nur ich Kontakte." Trotzdem, sie verurteilten auch ihn zum Tode.

 

Ungefähr zur selben Zeit, als sie die Ročičjaks, Mitsches, die Gruppe Käfer einsperrten, wurde auch die Familie Mohor arretiert. Die hatte keine Verbindung zu dieser Gruppe. Der Hansi Mohor war früher Vorsitzender von unserem Verein und es hieß, dass er auf einen Provokateur hineingefallen war und dem ein Gewehr gegeben hatte. Als Jäger hat er ja ein Gewehr besessen. Das sind so Vermutungen, die schwer zu überprüfen sind, verurteilt wurde niemand, die kamen alle im KZ um, er, seine Schwester und seine Mutter. Die Verhaftung dieser Leute war schweinisch. Die Mutter, die wahrscheinlich wirklich nichts gewusst hat, sie war ja eine ältere Frau, die warf sich auf den Boden und weinte, und der Gendarm S. trat sie mit den Stiefeln, eine alte Mutter. Das sah man von weitem. lm 45er Jahr, nach der Befreiung, bin ich mit einer Freundin mit dem Rad nach Kühnsdorf gefahren, und wir trafen diesen S., eine österreichische Armschleife umgebunden. Das hat uns so richtig in Rage gebracht. Wir sind vom Rad herunter und haben ihn angespuckt. Er sagte nichts. Wir hatten eigentlich erwartet, dass er reagieren würde. Lange blieb er allerdings nicht in unserer Gegend, vermutlich lief doch eine Klage gegen ihn, er hat ja so schweinisch agiert bei den Verhaftungen. Andere haben ja auch verhaftet, und human ist so eine Sache nie, aber wenigstens sind sie nicht unnotwendig aus dem Rahmen gefallen.

 

Mit der Verhaftung dieser Leute war auch der St. Kanzianer Ausschuss kurzzeitig zerschlagen. Zu dem Zeitpunkt hatten sich ja schon Ausschüsse gebildet. Anfangs war der eher lose verbunden, wir hatten Treffpunkte. Hier in der Nähe ist ein Hügel, auf dem wir uns trafen, wir nannten ihn "Hohe Tatra". Dort kamen wir zusammen, nicht alle auf einmal, nur einige, und dort verteilten wir konkrete Aufgaben. "Du organisierst die Jugend." Oder: "Wir brauchen Schuhe in der und der Größe, wer besorgt sie?" Mir haben sie zum Beispiel aufgetragen, den Vater zu überreden, eine Skizze der beiden Brücken über die Drau anzufertigen. Das war schlimmer als einen Fremden zu überzeugen, er hatte um mich Angst und um sich vermutlich auch, aber gemacht hat er es. Oder Streuaktionen. Auf der "Tatra" haben wir ausgemacht, worüber die Leute zu informieren sind, dann beschrieben wir so kleine Zettelchen und verstreuten sie die Wege entlang. Das machten wir immer, einmal die eine Gruppe, dann die andere. Das waren unsere alltäglichen konkreten Aufgaben. Manchmal gab es dann noch besondere. So wurde am 29. 4. 1944 der Partisan Vojko verletzt. Er wollte zu einem Haus in Rückersdorf, und in dem Moment ist ein Schuss gefallen und hat ihm die Hand zerschmettert. Er ist dann zum Rojak geflohen, der Sohn vom Rojak war auch krank, und so sind beide im Gebüsch versteckt gelegen. Damals musste ich Antibiotika hinauftragen und die Wunde verbinden. Die Wunde schaute furchtbar aus, und es dauerte, bis ich sie gereinigt und verbunden hatte und bis es gelungen war, ihn über Verbindungen in ein Partisanenkrankenhaus zu schaffen, wo er gesund wurde. Jemand von der Wache hatte ihn angeschossen, nicht von der Landwache, von der wusste man, wo sie sich aufhielt: Aha, jetzt sind sie hinter dem Friedhof verschwunden, jetzt wird es eine Zeit dauern, bis sie wieder auftauchen, jetzt kann ich hinausspringen. In der Nacht herrschte ja ein Ausgehverbot, und wir hätten gar nicht draußen sein dürfen. Zwischendurch patrouillierte aber noch so eine Kontrolle, von der man nicht wusste, wann sie von wo kommt, und auf einmal warst du eingekreist und sie fragten und visitierten dich. Aus so einer Gruppe wurde auf Vojko geschossen.

 

Unsere Treffen beschränkten sich auf wenige Leute. Du bekamst als Person den Auftrag, mit jenen Leuten Kontakt aufzunehmen, die du als positiv beurteilt hast. Wer einen Kontakt herstellte, der versuchte auch, den zu halten, von den anderen wusstest du aber nur, dass sie existieren, nicht aber, wo und mit wem. Du fragtest auch gar nicht. Jeder hatte mit einer bestimmten Anzahl Leuten Kontakt und mehr nicht. Aber diese Konspiration funktionierte auch nicht immer. Richtig dumme Sachen passierten; ich bekam zum Beispiel die Aufgabe, einen Brief nach Nageltschach zu tragen, es hieß: "Trag den Brief zu dem Haus und gib ihn der Olga!" Ich kannte diese Olga ja nicht, rannte nach Nageltschach und fragte: "Wo ist die Olga?" Die Frau schaute mich verdutzt an, drehte sich um und schrie: "Katra, komm raus." Olga, das war ihr illegaler Name und ich schrie aus voller Kehle Olga. Heute klingt das ja komisch, aber damals war ich zornig. Die hätten mir ja sagen können, suche eine Frau, die so und so ausschaut, oder suche die Katra, aber nicht: "Suche die Olga."

 

In diese Zeit fiel auch unser Versuch, mit den französischen Gefangenen Kontakt aufzunehmen. Diese waren im so genannten Franzosenlager untergebracht. Wir nannten es so, in Wirklichkeit war das ja eine Bauernstube und die Wächter waren halb verkrüppelt, wehruntüchtig. Der eine hinkte, der andere hatte was anderes. Die Gefangenen schliefen in diesem Lager, bei Tag arbeiteten sie bei den Bauern in der Umgebung. Und jetzt versuchten wir, mit ihnen zu reden, wenn wir sie wo alleine antrafen. Wir redeten Deutsch mit ihnen, weil wir dachten, sie würden uns verstehen. Dabei musstest du sehr vorsichtig sein, weil du ja auch nicht wusstest, wie der Betreffende reagiert. Du sondiertest vorsichtig das Terrain und versuchtest, sie zu überreden, sich den Partisanen anzuschließen. Im März 1944 war es dann soweit. Sie gingen freiwillig mit, das muss ich betonen, obwohl es hieß, dass sie mobilisiert würden. Aber wir fragten vorher, wer sich anschließen wollte. Diese "Mobilisierung" war ja organisiert. Jene Franzosen, die sich den Partisanen anschließen wollten, erfuhren, heute Nacht kommen sie, seid bereit. Und die Partisanen kamen ins Lager und entwaffneten den Wächter und zogen ihn aus, dann sagten sie: "Du kommst mit und du kommst mit." So dass die Übriggebliebenen sagten, die Leute wurden mit Gewalt weggeschleppt. So haben es die Partisanen, wenigstens in unserer Gegend, wie es woanders war, das weiß ich nicht, auch mit den Soldaten, die zu ihnen wollten, gehalten. Mit so einer "Mobilisierung" waren das Haus und die Umgebung abgesichert.

 

Nach der "Mobilisierung" tauchten die slowenischen und französischen Partisanen in der Schule auf, wo gerade ein Film vorgeführt wurde. Von Zeit zu Zeit gab es solche Filmveranstaltungen. Für uns Junge war das die einzige Abwechslung. Ich weiß gar nicht mehr, was an diesem Tag vorgeführt wurde, ich glaube, es waren "Die lustigen Weiber von Windsor", und der Saal war voll. Wir wussten zwar, dass die Partisanen in der Nacht in der Nähe sein würden, aber dass sie auch zu dem Film kommen, das hatten wir nicht erwartet. Auf einmal hieß es: "Hände hoch", das Licht geht an, ein Partisan geht auf die Bühne und liest einen Bericht über den Sieg der fortschrittlichen demokratischen Kräfte vor. Er greift Deutschland an und erzählt von den Unternehmungen der Partisanen, wer wir sind und was wir können, so ungefähr in dem Stil. Grotesk war es ja. Du standest im Publikum, kanntest den einen oder anderen Partisanen und hieltest schon wegen der Hetz die Hände hoch. Ein Franzose stieß mich, ich kannte ihn ja, zeigte auf das Gewehr und sagte: "Heute so." Er wollte damit sagen, dass er heute ein Gewehr hatte. Einer von den Partisanen zwinkerte mir noch zu, aber er hätte ja jeder von uns zuzwinkern können. Meine Freundin stieß mich in die Rippen: "Sei still." Ich musste ja lachen. Vor mir standen zwei junge Parteigenossen, die hatten nicht mehr Zeit genug, die Parteiabzeichen abzunehmen. Sie rissen sie einfach herunter. Einer flüsterte noch: "Hast es weggegeben?" Das waren so junge Burschen, die kurz vorher in die NSDAP aufgenommen worden sind. Diese Aktion war im März 1944, und sie hatte große Wirkung. Der Redner sagte: "Wir haben euren Ortsgruppenleiter erschossen, weil er der Träger dieses Unrechts ist." In der Zwischenzeit hatte sich aber einer von den Zuschauern abgesetzt und war mit dem Motorrad die Gendarmerie holen gefahren. Als die Partisanen das bemerkten, gingen sie sofort. Sie zerschlugen den Apparat, zerrissen den Film und sagten, wir müssten zwei Stunden im Saal bleiben, aber das war so eine Gewohnheitsformel bei ihnen. Ich starb ja fast vor Neugier und wollte auch früher gehen, ich ging auch früher mit einem Mann weg, wir schauten uns dauernd um, aber nicht wegen der Partisanen, sondern wegen der Dorfbewohner. Ich kam nach Hause, da saß unser Deutsch sprechender Untermieter, ein altösterreichischer Sozialdemokrat, ganz blass in der Küche und sagte: "A so a Lausbua hot mi hergebrocht." Ich wusste auch, wer das gewesen war, der ihn da mit dem Gewehr nach Hause getrieben hatte - ein Heimischer, der später im Gailtal fiel. "I hätt ihm so ane schmieren können." Nur hatte er sich nicht getraut. Und dieser Untermieter erzählte im ganzen Dorf herum, dass ihn einer mit dem Gewehr in der Hand nach Hause gejagt und befohlen hatte, er müsse bis morgen im Haus bleiben. Wir genossen das.

 

Die englischen Gefangenen waren in der Nähe vom Leitgeb interniert. Dort war die Internierung konzentriert, und sie kamen nicht so in Kontakt mit der Umgebung. Tagsüber arbeiteten sie in der Fabrik, am Abend wurden sie ins Lager gebracht. Beim Leitgeb arbeiteten aber auch Frauen, unter ihnen die Angela Sadnikar. Ihr Vater war Kommunist, der Bruder bei den Partisanen. Sie wohnte mit den Eltern am Waldrand, und wenn sich ein englischer Gefangener für den Wald meldete, dann führte sie ihn bis zu einem bestimmten Treffpunkt, und von dort wurden sie weiter in den Süden geschickt. Sie blieben nie hier in Kärnten. Einer von denen verlief sich einmal, was weiß ich warum, und spazierte am helllichten Tag zum Sadnikar zurück. Die Angela erzählte, dass ihre Eltern fast der Schlag getroffen hätte und sie nicht weniger. Ihm war es ja egal, was passierte einem Engländer schon, wenn ihn die Deutschen gefangen nahmen, aber man kann sich vorstellen, in was für einer Situation die Angela war. In der Nacht führte sie ihn noch einmal in den Wald, gab ihm die Parole, die er sagen sollte, die Treffpunkte wurden ja dauernd verlegt, und glücklicherweise kam er nicht mehr zurück. Vermutlich fanden ihn die Partisanen. Ende '44 wurde es dann zu heiß für sie und sie ging zu den Partisanen. Aber sie wurde krank und die Deutschen nahmen sie im April 1945 gefangen, Ich weiß noch, wie unsere Jugendgruppe verschreckt war, sie kannte uns ja alle. Am 27. April sprang sie in der Burg aus dem Fenster, so lautete jedenfalls die offizielle Version. Wie diese freiwilligen Selbstmorde damals aussahen, wissen wir sowieso.

 

Manchmal hatten wir ja furchtbare Angst. Zum Beispiel, das war im Mai oder Juni 1944, da ging eine Gruppe Partisanen über die Drau; bei Brenndorf rasteten sie und warteten auf die Nacht. Die Kinder kamen aus der Schule, sahen sie und meldeten das vermutlich der Polizei. Ein Partisan, der erst ganz kurz dabei war, wurde verletzt und sie erwischten ihn. Drei hetzten am helllichten Tag am Gemeindehaus vorbei, da hätte sie ja jemand fangen können. Aber die Angestellten der Gemeinde sprangen auf ihre Räder und versteckten sich hier auf der Polizei. Die dachten, das sei die Vorhut. Der Jugendfunktionär Vero war auch dabei, er konnte glücklicherweise seine Haut retten, und wie wir hörten, dass alles in Ordnung sei, lachten wir ja.

 

1944 kam die Schule in ein neues Gebäude. Ich putzte ein paar Tage die alte Schule, dann wurde ein Stacheldraht um das Gebäude gezogen und eine SS-Truppe stationiert. Ich musste jeden Tag hingehen, zusammenkehren, aufräumen, den Ofen heizen, Dabei konnte ich manches erfahren. Sagte einer zum anderen "Wann gehn wir denn los?", und der andere sagte die Stunde, dann wusste ich natürlich, die gehen wohin. Wenn die Partisanen in der Nähe versteckt waren, dann schickte man eine Nachricht, sie sollten sich zurückziehen. Im 45er Jahr wurde aber bekannt, dass ich Kontakte hatte. Es war ja so ein Theater mit diesen Divisionen, ich weiß nicht, wie man diese Formationen nannte, in die das letzte männliche Potential hineingesteckt wurde. Der Hitler raffte von den Verkrüppelten bis zu den Herzkranken alles zusammen, und die exerzierten hier in der neuen Schule. Ich weiß noch, ein paar Leute bekamen Herzanfälle und brachen zusammen. Diese Leute kamen zu mir fragen, wohin sie gehen könnten, sie würden gerne zu den Partisanen gehen. Was sollst du mit so einem Menschen, den willst du ja gar nicht, du kannst ihn ja nicht brauchen. Aber solche hätte ich im März und April 1945 noch und nöcher zu den Partisanen bringen können. Nur, die sind ja keine Hilfe, sondern eine Belastung. Aber irgendwo mussten sie herauskriegt haben, dass ich Kontakte hatte.

 

Der Winter '44 auf '45 war einer der aktivsten, den wir erlebten. Es verging keine Woche, in der nicht etwas geschah, Kurierdienste, Sitzungen, dauernd war etwas. Als dann 1945 der Schnee zu schmelzen begann, organisierten wir im Wald größere Sitzungen. Einmal waren wir zehn Leute, jüngere und ältere. Bei den Sitzungen, bei denen ich teilnahm, waren meistens Junge. Dort zeigten sie uns, welche Aufgaben wir danach - in Freiheit - zu erwarten hätten. Es war uns klar, dass diese Zeit nahte. Unsere Aufgaben wären gewesen: die Macht in der Gemeinde zu übernehmen, auf niemanden Druck auszuüben, das Recht auf ein Gerichtsurteil für jeden. Ohne Urteil ist keiner anzurühren oder zu schlagen. Und wir sollten dafür sorgen, dass nicht gestohlen wird, für Ruhe und Ordnung eben. Auch die Soldaten hatten den strengen Befehl, niemanden ohne Urteil zu erschießen, jedem stehe ein Recht auf Verteidigung und ein Urteil zu. Was manchmal Ungesetzliches passierte, passierte vorbei an allen Befehlen, manchmal ging auch etwas daneben. Wenn diese Machtübernahme nicht vorbereitet gewesen wäre, was für ein Chaos wäre entstanden, manchmal war es auch so noch eines, aber die Ausschüsse waren informiert und vorbereitet. Sogar theoretische Vorträge wurden gehalten, Vorträge über die Verfassung, Maria, war das langweilig. Vor diesen Vorträgen fürchtete ich mich immer.

 

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