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Janez Wutte: Wir waren die Tschuschen und sie waren die švaba

Janez Wutte (Luc), geb. 1918 in Vesielach/Vesele als Bauernsohn. Ab Ende April 1944 bei den Kärntner PartisanInnen.

Hotelier. Stellvertretender Vorsitzender des Zentralverbandes slowenischer Organisationen. Ab 1980 Vorsitzender des Verbandes der Kärntner Partisanen.

Verstorben 2002.

 

 

Mein Vater stimmte 1920 [Plebiszit] für Jugoslawien , obwohl er vorher Schwierigkeiten mit den serbischen Soldaten gehabt hatte. Wir hatten Nachbarn, die wollten ihre eigene Haut retten, die liefen den Serben entgegen und haben gesagt: "Brüder, hier švaba-Wiese, dort švaba-Wiese." Und da kamen die Serben zu uns, erschossen die Schweine, machten am Hof ein Feuer und brieten sie. Den Vater hatten sie derweilen gefesselt. Erst als ein Kriegskollege von ihm kam, ein Slowene, der ihn kannte und der wusste, was los ist, kam das schnell in Ordnung und die Situation hat sich umgekehrt. Aber mein Vater hat gesagt, er will keine Rache.

 

Und wie er dann am 18. Mai 1938 starb und wie er am Sterbebett lag, ich kann mich noch genau erinnern, es waren mehrere Nachbarn und sein Bruder da, da kam eine halbe Stunde oder eine Stunde, bevor er starb, diese Nachbarin gelaufen, fiel auf die Knie, nahm seine Hand und sagte: "Luka, verzeih mir, verzeih mir, wie viel Leid habe ich über dich gebracht." Er hat so mit der Hand abgewunken, er dachte wahrscheinlich, was soll das jetzt noch. Sie hielt seine Hand und küsste sie, bat um Verzeihung und weinte. Das war eine eingefleischte nemčurka [abwertende Bezeichnung für eine deutschnationale bzw. ihre nationale Herkunft verleugnende Slowenin].

 

In der Schule ging das dann so weiter, ich kann mich erinnern, da kamen die Funktionäre vom Schulverein Südmark, die übernahmen die Patenschaft über die slowenischen Schulen, verbreiteten so ihren deutschnationalen Chauvinismus und vergifteten die Atmosphäre. Da fingen wir noch am gleichen Tag an zu raufen, wir Kinder, wir waren die Tschuschen und sie waren die švaba.

 

Ab dem dritten Jahr mussten wir dann unsere Tafeln und Griffel weglegen und wir bekamen Hefte, und da gab es kein Slowenisch mehr. Auf den Tafeln brachten sie uns zuerst Deutsch und Slowenisch bei, und dann mussten wir Deutsch weiterschreiben, in den Heften gab es kein slowenisches Wort mehr. [...]

 

Auch die Kämpfe mit den nemčurji in der Klasse gingen weiter, wir bekämpften uns auf dem Weg von der Schule nach Hause immer, zuerst mit Messern, dann nahm uns der Lehrer die Messer weg und wir hatten kein Geld für neue, da bastelten wir uns einen Griff, einen Nagel hinein, den spitzten wir dann zu. Eine andere Waffe war die Radkette, die wir auf einen Griff in den Hosensack in der Hand hatten und rums.

 

Mein Vater war ein k. u. k. Soldat gewesen, und wir Kinder mussten spuren wie die Rekruten: "Du machst das, du das und du das." Die Schule begann um 9 Uhr, und wir mussten in der Früh, bevor wir in die Schule gingen, zuerst noch das Vieh füttern, dann aufs Feld, säen, und zehn vor neun sah der Vater auf die Uhr und sagte: "Jetzt renne." Wir liefen nach Hause und manchmal hattest du Zeit, dich zu waschen, manchmal nicht. Wenn wir zu spät in die Schule kamen, dann brüllte uns der Lehrer an und wir mussten hinter die Tafel knien gehen. Das war manchmal ganz schön kritisch.

 

Mein Vater war all die Jahre Vizebürgermeister, Bürgermeister war der Boštjančič, aber "die Gemeinde", die Bürgermeisterei war bei uns. Da war auch immer etwas los. Aber 1930 wollte mein Vater dann nicht mehr, und so ist das Gemeindeamt dann zum Boštjančič nach St. Veit gekommen. Es war eine große Gemeinde, sie hatte aber keine Industrie, und da gab es viele Arbeitslose, Bettler und viele Gemeindearme. Und die gaben sich bei uns die Klinke in die Hand, es gab ja keine Sozialversicherung, der eine blieb drei Wochen, der andere einen Monat, der dritte 14 Tage, und sie sind von Haus zu Haus gegangen, und alle diese sozialen Probleme musste die Gemeinde in ihrem Gebiet lösen. Die Haupteinnahme der Gemeinde war die Grundsteuer, aber die war so minimal, dass der Bürgermeister im Jahr nur ein paar Schuhe bekam, und wenn er dienstlich irgendwohin musste, hat er das Geld für die Zugfahrt zurückbekommen.

 

Das wurde dann immer ärger. Leute, die aus verschiedensten Gründen nicht mehr arbeiten konnten und Gemeindeangehörige waren, die irgendwo in der Welt herum waren, die wurden in die Heimatgemeinde abgeschoben. Das waren Köchinnen, eine Krankenschwester war dabei, Leute verschiedener Berufe, die im Alter abgeschoben wurden in die Heimatgemeinde. Oder die Walzbrüder, die gingen von Haus zu Haus, oft in ganzen Gruppen, die schliefen im Winter im Stall, im Sommer auf dem Heuschober.

 

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