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Bruno Furch: Lesen gelernt anhand der Arbeiter-Zeitung

Bruno Furch, geb. 1913 in Wien, Lehrer und bildender Künstler. Betätigung für die Sozialistische Arbeiterjugend. Nach 1934 Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes, mehrmals inhaftiert. Nach dem März 1938 Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg. Ab 1939 in Frankreich interniert (St. Cyprien, Gurs, Le Vernet), Anfang Mai 1941 in das KZ Dachau eingewiesen, im Juli 1944 in das KZ Flossenbürg überstellt, dort bis Ende April 1945 in Haft.

Nach der Rückkehr 1945 in der KPÖ tätig, Redakteur der "Volksstimme", 1970 Mitglied des Zentralkomitees der KPÖ und Stellvertretender Chefredakteur.

Verstorben 2000.

 

 

Ich bin aufgewachsen in einer Atmosphäre der tiefen Kriegsgegnerschaft meiner Eltern und des Hasses auf die Monarchie und auf die Monarchisten, die sich ja nach dem Krieg auch wieder bemerkbar gemacht haben. Mein Vater war ein glühender Anhänger des Sozialismus. Wahrscheinlich spielt da seine ganze Herkunft eine Rolle. Mit Stolz hat er mir, als ich schon ein bisschen älter war, erzählt, dass er 1907 an dem großen Bäckerstreik beteiligt war. Ich kann mich noch erinnern an eine Legitimation, in der die Streikunterstützungen eingestempelt waren. Mein Vater war Mitglied des Republikanischen Schutzbundes von der Gründung an und Mitglied des Arbeitersängerbundes West, den Heinrich Schoof geleitet hat, der Schöpfer des Kinderfreundeliedes. Ich war verschiedentlich bei Proben des Chores, zu denen er mich immer mitgenommen hat, bei allen Frühlingsfesten der Sozialdemokratischen Partei. Ich habe buchstäblich lesen gelernt anhand der "Arbeiter-Zeitung". [...]

 

Mein Vater hat sehr viel mit mir politisiert, er hat mir sehr viel erklärt, und ich war auch neugierig. Einmal sind wir spazieren gegangen, ich kann mich noch gut erinnern, es war in der Hernalser Hauptstraße, da habe ich ihn gefragt - ich muss damals neun oder vielleicht zehn Jahre alt gewesen sein -, was eigentlich der Unterschied ist zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten. Ich habe irgendwie das Gefühl gehabt, die gehören zusammen. Mein Vater hat mir erzählt, der Unterschied ist der, dass die Kommunisten - beide wollen den Sozialismus - glauben, das geht nur mit Gewalt, die wollen das geschwinder herbeiführen, man müsse dem russischen Beispiel folgen, der Oktoberrevolution; aber die Sozialdemokraten glauben, das habe keinen Sinn, es gehe schrittweise, ohne solche Opfer, wenn wir nur die Mehrheit erobern im Parlament usw. Irgendwie hat das meine Überzeugung gefestigt, dass die beiden zusammen gehören, und mein Vater hat eigentlich nicht mit Antipathie von den Kommunisten gesprochen. [...]

 

1928 sind wir nach Hietzing übersiedelt, in die Siedlung "Hermeswiese", und 1931 habe ich die Realschulmatura bestanden. [...]

 

Ich war in der SAJ [Sozialistischen Arbeiterjugend] Hietzing ein bisschen bekannt als marxistisch Interessierter. Deswegen bin ich auch zum Bildungsreferenten gemacht worden. Ich habe sehr viel Wert darauf gelegt, dass in allen Gruppen die Gruppenabende zumindest zum Teil dazu benutzt wurden, um marxistische Bildungsarbeit zu betreiben. Es gab einen Stab von Referenten, die das abgedeckt haben. Aber ich war ein entschiedener Gegner von Tendenzen in der Sozialistischen Arbeiterjugend, den Verein als eine Art Heiratsvermittlung aufzufassen und seichte Unterhaltung zu betreiben, Heurigenlieder zu singen usw. [...]

 

Es ist mir doch gelungen, einen Teil der Jugendlichen, der Mitglieder der Gruppe dafür zu interessieren, worauf sich andere, denen das nicht gepasst hat, mehr oder weniger verkrümelt haben. Wir haben sie nicht hinausgeekelt. Wir waren entschiedene Abstinenzler, Antialkoholiker und Nichtraucher mit einem gewissen Fanatismus, der zweifellos auch etwas Positives gehabt hat, weil die, die sich zu einer solchen Lebensweise entschlossen haben, sich auch politisch besser bewährt haben. [...]

 

Ungeheuren Einfluss hatte damals auch auf mich persönlich die Sowjetunion, die genoss eine große Sympathie, der erste Fünf-Jahres-Plan, die Kollektivierung usw. Das wurde von uns mit großem Interesse und mit Begeisterung verfolgt, der Bau von Dnjeprostroj und Magnitogorsk usw. Das waren große Siege. Wir haben da auf der Bezirksleitung in Penzing große Statistiken auf Packpapier gemalt. Die Sympathie für die Sowjetunion war etwas in der Sozialdemokratie Verhaftetes, also natürlich auch in der sozialdemokratischen Jugend verankert. Das war lebendig. "Hände weg von Sowjetrussland", das war eine weit verbreitete Stimmung. [...]

 

Ab wann datieren etwa die ersten Kontakte und organisierten Diskussionen mit dem Kommunistischen Jugendverband in Hietzing?

 

Seitdem ich Bildungsfunktionär geworden bin in Hietzing, wurden Diskussionen mit dem Kommunistischen Jugendverband quasi zu einer ständigen Einrichtung. Es kamen zu uns nach Penzing der Leo Gabler, der Karl Stavaritsch. [...] Da gab es wohl auch Anfeindungen seitens konsequent sozialdemokratisch eingestellter Jugendlicher. Aber die haben wir weggedrängt. Die meisten waren interessiert an diesem Gedankenaustausch. [...]

 

Die Sozialfaschismus-Theorie hat sich weniger auf der theoretischen Ebene abgespielt als in der Debatte mit Kommunisten, die erbittert waren über die Erfolglosigkeit ihrer Überzeugungsbemühungen und dann in Diskussionen leicht aus dem Rahmen gefallen sind und zu schimpfen angefangen haben. Ich habe immer versucht, solche Dinge zu vermeiden und auf das Sachliche einzugehen. Das war nicht immer möglich. Dabei hing es aber einfach von den Personen ab, vom Charakter der Leute und vom Grad ihrer Bildung usw. Zum Beispiel haben wir sehr gute Diskussionen gehabt - da in Speising - zumindest zweimal mit dem Lauscher Pepi, der in unsere Gruppe gekommen ist, weil er irgendwie das Gefühl gehabt hat, dass ich Sympathien habe. Aber bei den Diskussionen - es waren praktisch Debatten zwischen ihm und mir - hat auch er den Kürzeren gezogen. Da spielt der gewisse Vorteil, den ein so genannter Intellektueller hat, gegenüber einem, der ein Arbeiter ist, eine große Rolle. Ich war einfach besser beschlagen in der Literatur als er. Das war eigentlich unfair. Nach der zweiten Debatte habe ich ihn zur Straßenbahn, zum 62er begleitet und habe ihn gefragt: "Was ist, kommst du nächstes MaI wieder?" Da sagte er: "Nein, zu euch komme ich nicht mehr, da ist Hopfen und Malz verloren." Das hat mir Leid getan, denn es war nicht Hopfen und Malz verloren. Er hat trotzdem seine Samen in uns gelegt. Ja, das war 1932. Da haben sich die Dinge, besonders in Deutschland, schon sehr deutlich zugespitzt. Die Auseinandersetzungen zwischen KPD und SPD über die Schaffung der antifaschistischen Einheitsfront, die x Appelle der KPD an die SPD zum gemeinsamen Vorgehen, die zurückgewiesen worden sind, haben uns bewegt und erbittert. Wobei wir damals eine gewisse Schuld an der Zuspitzung der Spaltung auch der KPD gegeben haben. Es war alles noch sehr unklar in unseren Köpfen.

 

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