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Zur Frage nach Quantifizierungen der NS-Opfer

Brigitte Bailer

Seit sozialwissenschaftliche Methoden in der Zeitgeschichtsforschung übernommen wurden und seit diese EDV-gestützt umgesetzt werden können, spielen Quantifizierungen sowie statistische Auswertungen in der Forschungsarbeit eine wesentliche Rolle. Auch von Seiten der verschiedenen Opfergruppen selbst werden neben der Erfassung der Namen auch Fragen der Opferzahlen häufig thematisiert. Und nicht zuletzt sind Zahlen ein Instrument politischer Argumentation, die bedauerlicherweise auch im Rahmen einer in vielen Ländern zu beobachtenden Konkurrenz der Opfergruppen untereinander von Bedeutung werden.

 

Im österreichischen Nachkriegsdiskurs dienten Quantifizierungen einerseits dem empirisch verbrämten Nachweis der Stärke des Widerstandes und des Ausmaßes des Leidens der Opfer, andererseits wurden sie allen Versuchen, Widerstand und Leiden klein- oder wegzureden, entgegengehalten. Erste Schätzungen lassen sich bereits 1943 in einer Zeitschrift des österreichischen Exils in den USA nachweisen. Diese ebenso wie spätere Angaben beruhten mehrheitlich auf Schätzungen oder statistisch nicht repräsentativen Angaben, wie z. B. den Anmeldungen bei der Registrierungsstelle für die NS-Opfer im Wiener Rathaus. Erst in den 1960er-Jahren wurden erste Forschungen zum Widerstand gegen das NS-Regime unternommen, in deren Rahmen wiederum Quantifizierungen vorgenommen wurden. Die von Herbert Steiner anhand von Angaben des Bundesministeriums für Soziale Verwaltung 1964 publizierten Zahlen der österreichischen Opfer politischer Verfolgung wurden über viele Jahre hinweg immer wieder zitiert, erwiesen sich aber im Lichte der neuesten Forschungen als deutlich überhöht. Nur die 1966 von Jonny Moser vorgenommene Berechnung der Zahl der österreichischen Holocaustopfer hielt allen Überprüfungen stand. Moser nannte rund 65.500 als Gesamtzahl der Opfer, die jüngsten Forschungen des DÖW gehen von mindestens 66.000 aus.

 

Exakte Quantifizierungen sind infolge lückenhafter Quellenüberlieferung bzw. in den Quellen selbst enthaltener Ungenauigkeiten sowie nicht zuletzt infolge definitorischer Probleme jedoch für keine der Opfergruppen möglich. Alle Zahlenangaben können letztlich nicht mehr als Größenordnungen wiedergeben.

 

 

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