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Gedenken und Mahnen in Niederösterreich 1934 - 1945

2012 abgeschlossen

In Kooperation mit dem "Verein Erinnern für die Zukunft", der Karl-Franzens-Universität Graz/Abteilung Zeitgeschichte und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (Forschungsprogramm "Orte des Gedächtnisses")

 

Projektleitung: Univ.-Doz. Mag. Dr. Heidemarie Uhl (Akademie der Wissenschaften, Karl-Franzens-Universität Graz)

 

Projektbetreuung: Dr. Heinz Arnberger, Dr. Claudia Kuretsidis-Haider (e-mail)

 

In den 1990er Jahren wurde im DÖW mit einer umfangreichen und seither laufend aktualisierten Materialsammlung für das Projekt Gedenken und Mahnen begonnen. Ziel war es, die österreichische Erinnerungskultur im Hinblick auf die Themen Widerstand und Verfolgung 1934-1938 und 1938-1945, Exil und Befreiung nach 1945 zu dokumentieren. Federführend war der damalige Bibliothekar des DÖW, Herbert Exenberger († 2009), der 1998 gemeinsam mit Heinz Arnberger und unter Mitarbeit von Claudia Kuretsidis-Haider die vom DÖW herausgegebene Publikation Gedenken und Mahnen in Wien vorlegte. Herbert Exenberger ist auch der im Sommer 2011 erschienene und von Heinz Arnberger und Claudia Kuretsidis-Haider herausgegebene Band Gedenken und Mahnen in Niederösterreich gewidmet.

 

Buchcover
Heinz Arnberger / Claudia Kuretsidis-Haider (Hrsg.)

 

Gedenken und Mahnen in Niederösterreich

Erinnerungszeichen zu Widerstand, Verfolgung, Exil und Befreiung

 

Unter Mitarbeit von Herbert Exenberger
sowie Walter Baumgartner, Peter Mähner und Martin Neubauer

 

Kooperationspartner:
DÖW
Verein Erinnern für die Zukunft
Niederösterreichisches Landesarchiv
Kommission für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

 

Wien: Mandelbaum Verlag 2011
712 Seiten, EUR 39,90
ISBN: 978385476-367-3



Da Denkmäler und andere Erinnerungszeichen vielfach einen individuell-biographischen Zugang zu den Opfern von Widerstand und Verfolgung ermöglichen, stand die Rekonstruktion deren Schicksals im Mittelpunkt der Recherchen. Durch Angaben von Alter, Beruf, politischen Aktivitäten und erlittenen Verfolgungsmaßnahmen, also mit der Dokumentation der Einzelschicksale, werden die Dimensionen der Gewaltherrschaft konkret und nachvollziehbar gemacht und können nachhaltig im kollektiven Gedächtnis verankert werden. Gedenken und Mahnen ist somit nicht bloß eine wissenschaftliche Dokumentation, sondern selbst ein Medium der Erinnerung. Für die Recherchearbeiten wurden die umfangreichen Archivalien des DÖW herangezogen; durch Abgleich mit den vom DÖW erstellten Datenbanken zu den österreichischen Holocaustopfern bzw. den Opfern der politischen Verfolgung konnten in vielen Fällen biographische Daten eruiert und dadurch manchmal falsche Angaben auf den Erinnerungszeichen korrigiert werden.

 

Als Kriterium zur Erfassung der personenbezogenen Erinnerungszeichen zu Widerstand und Verfolgung diente die Definition des § 1 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes: "Als Opfer der politischen Verfolgung im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Personen anzusehen, die in der Zeit vom 6. März 1933 bis zum 9. Mai 1945 aus politischen Gründen oder aus Gründen der Abstammung, Religion oder Nationalität durch Maßnahmen eines Gerichtes, einer Verwaltungs- (im besonderen einer Staatspolizei-) Behörde oder durch Eingriffe der NSDAP einschließlich ihrer Gliederungen in erheblichem Ausmaße zu Schaden gekommen sind." Darüber hinaus wurden aber auch - gemäß dem gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu Widerstand und Verfolgung - ZwangsarbeiterInnen, Kriegsgefangene, EmigrantInnen, Homosexuelle sowie Personen des unpolitischen Widerstandes bzw. Personen, die von der NS-Justiz wegen "Heimtücke", "Wehrkraftzersetzung" und/oder "Rundfunkvergehens" verfolgt wurden, erfasst. Weiters sind Erinnerungszeichen für namhafte Politiker der Zweiten Republik (z. B. Leopold Figl, Adolf Schärf, Theodor Körner, Karl Renner), die in unterschiedlicher Weise und Intensität politisch verfolgt wurden (obwohl ein Bezug dazu auf den Erinnerungszeichen in den meisten Fällen fehlt), sowie für Personen, die, zwar Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, aber auf Grund ihrer künstlerischen Leistungen durch Straßenbenennungen, Gedenktafeln o. Ä. geehrt wurden, Bestandteil der Publikation.

 

Die Erinnerung an die NS-Herrschaft und an die Befreiung davon manifestiert sich im Wesentlichen in drei sehr unterschiedlichen Gedächtnislandschaften:

 

  • Erinnerungszeichen im Gedenken an die verschiedenen - politisch, militärisch und religiös begründeten - Formen widerständigen Verhaltens Geprägt wurde diese Erinnerungskultur in den ersten Nachkriegsjahren von der KPÖ und der SPÖ. Während sich kommunistisches Gedenken auf den Widerstand gegen die NS-Herrschaft konzentrierte, wobei die KommunistInnen den höchsten Anteil an Opfern zu verzeichnen hatten, war das sozialdemokratische Gedenken in vielen Fällen auf den Bürgerkrieg im Februar 1934 fokussiert. Sehr stark vertreten ist in Niederösterreich das Gedenken an den katholischen Widerstand. Das hängt mit der stark ausgeprägten katholischen Prägung der bäuerlichen Gesellschaft in Niederösterreich zusammen.

  • Zeichensetzungen im Gedenken an die Opfer des Holocaust bzw. an ausgelöschte jüdische Gemeinden sowie an zerstörte Synagogen oder Friedhöfe Die Erinnerung an die Vertreibung und Ermordung der Jüdinnen und Juden wies jahrzehntelang nur eine marginale öffentliche Präsenz auf. Die 1980er Jahre brachten im Zuge der "Waldheim-Diskussion" einen Wandel der Erinnerungskultur(en), den öffentlich-politischen Diskurs bestimmt seitdem eine neue Sensibilität in der Beurteilung der NS-Vergangenheit. Erstmals finden dabei auch jene Opfer nationalsozialistischer Verbrechen Berücksichtigung, denen bis dahin entsprechende Würdigungen versagt geblieben waren, bzw. ist das Gedenken insbesondere an die österreichischen Jüdinnen und Juden im öffentlichen Raum nicht mehr nur vereinzelt sichtbar. Während sich im Gedächtnisraum Wien bereits in den 1980er Jahren dieser Wandel auch öffentlich wahrnehmbar vollzogen hatte, setzte in Niederösterreich eine derartige Entwicklung erst mit den 1990er Jahren ein.

  • Monumentale Zeichensetzungen der sowjetischen Besatzungsmacht im Gedenken an die erfolgreiche Befreiung Österreichs In zahlreichen niederösterreichischen Orten befinden sich sowjetische Kriegsgräberanlagen der Roten Armee, die größten Anlagen gibt es in Mistelbach, Wiener Neustadt, Mödling und Baden. Österreich ist im Staatsvertrag verpflichtet, für diese Kriegsgräberanlagen zu sorgen, weshalb diese teilweise auch, vor allem Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre sowie aus Anlass des Staatsvertragsjubiläums 2005, renoviert und instand gesetzt wurden.

 

Partiell finden sich Formen des Gedenkens an andere Opfer des NS-Regimes, wie etwa ausländische ZwangsarbeiterInnen bzw. Kriegsgefangene, KZ-Häftlinge und Opfer zu Kriegsende. Opfergruppen wie die Roma und Sinti sowie die Euthanasieopfer sind so gut wie gar nicht in der niederösterreichischen Gedächtnislandschaft vorhanden.

 

Die Publikation versteht sich als Grundlagenwerk und will zum Weiterforschen auf lokaler und regionaler Ebene anregen. Die vollständige Fotodokumentation aller erfassten Erinnerungszeichen sowie die gesammelten Unterlagen stehen Interessierten im DÖW zur Einsicht zur Verfügung.

 

 

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