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Objekt des Monats

Objekte erzählen Geschichte

Hier finden Sie mit den Objekten des Monats unseren Neuzugang in der Dauerausstellung des DÖW. Monat für Monat werden wir Ihnen hier neue, unbekannte oder womöglich zu wenig beachtete Objekte und deren Geschichte aus unseren Sammlungen präsentieren. Hier erfahren Sie zudem die wichtigsten Hintergründe zu den Objekten und die Motive für deren Auswahl.

Objekt des Monats Mai; Foto: Michael Bigus

 

Notizbuch von Hans Maršálek mit Zeichnungen von „Funktionshäftlingen“ aus dem KZ Mauthausen (1943)

Signatur: DÖW, Akt 715

 

1936 schloss sich der 22-jährige Wiener Hans Maršálek in der Sozialistischen Arbeiterjugend dem Widerstand gegen den Austrofaschismus an. Nach seiner Einberufung in die Wehrmacht flüchtete Maršálek 1938 nach Prag, von wo aus er an der Fluchthilfe über die Grenze zu Polen und an der Vorbereitung von Sabotageakten beteiligt war und Verbindungen zu einer kommunistischen Widerstandsgruppe Wiener Tschech*innen aufbaute. 1941 wurde er verhaftet, an die Gestapo Wien überstellt und in das Konzentrationslager Mauthausen deportiert. Im KZ musste er zunächst im Steinbruch und im Holzfällerkommando arbeiten, ehe er 1943 „Lagerschreiber“ wurde. Maršálek gehörte einer Widerstandsgruppe an, die sich ab dem Herbst 1943 unter den politischen Häftlingen bildete. Ihr Ziel war, die Funktionen der Lagerselbstverwaltung zu besetzen, um so die Überlebenschancen zu erhöhen. Maršálek konnte seine Position in vielen Fällen nützen, um Mitgefangenen zu helfen.

Nach dem Krieg war Maršálek ein wichtiger Zeuge im Dachauer Mauthausen-Prozess 1946. Er arbeitete bei der Staatspolizei und wurde ab 1963 vom Innenministerium mit der Erarbeitung einer Ausstellung in der Gedenkstätte Mauthausen betraut, für deren Pflege und Aufbau er sich seit 1947 engagiert hatte. Maršálek war maßgeblich an der Gründung der Österreichischen Lagergemeinschaft Mauthausen und des Comité International de Mauthausen beteiligt. Schließlich war er bis zur seiner Pensionierung 1976 Leiter der Gedenkstätte und des Museums Mauthausen und schrieb die erste grundlegende Darstellung über das KZ und seine Außenlager. 2011 starb Hans Maršálek im Alter von 97 Jahren.

Objekt des Monats Mai 2025

 

Die Zeichnungen „Köpfe des Verwaltungspersonals“ und „Revier-Schreiber Eduard und sein Traum“ stammen aus dem Jahr 1943. Maršálek zeichnete sie in ein Notizbuch, das er gut verstecken konnte. Die Abgebildeten waren sogenannte Funktionshäftlinge, die Maršálek als „Lagerprominenz“ bezeichnete, die inmitten der Gesellschaft des Terrors größere Freiheiten als ihre Mitgefangenen hatten und diese unterschiedlich nutzten. Manche waren, wie der ebenfalls abgebildete Block- und Lagerälteste Franz Unek, tief in die Verbrechen der SS verstrickt. Andere nutzten ihre Stellung für den Konsum rarer Güter wie Alkohol, sie galten den meisten Häftlingen daher als privilegiert. Nur wenige nutzten ihre Position wie Maršálek zur Hilfe für andere.

An seine Zeichnungen erinnerte sich Hans Maršálek 2002 in einem Interview mit Karin Stögner wie folgt: „Im Dokumentationsarchiv gibt es eine Zeichnung von mir, wo drei Köpfe aufscheinen. Ein Kopf mit einem Häftling, […] Blockältester zwei, der wurde von den Häftlingen ‚Pferdekopf‘ genannt. Den habe ich gezeichnet. Dann habe ich den Franz Unek gezeichnet, und dann habe ich den Eduard Schlemming gezeichnet. Das war einer, der erst später gekommen ist […]. Und hat immer so gerne gesprochen darüber, wie schön das wäre, wenn er wieder ein Achterl Wein trinken könnte und gut essen könnte, und so weiter, und da habe ich ihn gezeichnet auch, und auf der Nasenspitze, habe ich ihm ein Weinglas tanzen lassen.“ Hans Maršáleks Zeichnungen können als künstlerische Selbstbehauptung und Gegenerzählung in der sogenannten Häftlingsgesellschaft gegen den SS-Terror angesehen werden. Sie gehören zu den stärksten Zeugnissen satirischer Kunst aus den Konzentrationslagern.

 

Weiterführende Literatur:

Hans Maršálek, Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen (Wien 42006)


Autor*innen: Andreas Kranebitter, Wissenschaftlicher Leiter & Ursula Schwarz, Archivarin

Foto: Michael Bigus (Objekt)

 

Liberation Object

Das Notizbuch von Hans Maršálek ist auch Teil der Reihe Liberation Objects des Mauthausen Memorial, die über das Jahr 2025 Exponate verschiedener Häuser sammelt. Nähere Infos zum Projekt gibt es hier, den Beitrag zum Notizbuch hier.

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