Die Desinformationsplattform AUF1 („Alternatives Unabhängiges Fernsehen, Kanal 1“) hat seit ihrer Entstehung im Kontext der Corona-Krise ihr Netzwerk von Oberösterreich ausgehend auf den gesamten deutschsprachigen Raum ausgeweitet. Inzwischen stuft auch der deutsche Verfassungsschutz das Medium als „rechtsextremistischen Verdachtsfall“ ein.[1] Sowohl der Gründer und Chefredakteur Stefan Magnet als auch „Generalsekretär“ Andreas Retschitzegger waren in ihrer Jugend im neonazistischen Bund freier Jugend (BfJ) aktiv.
Wie zur Bestätigung der Einstufung durch den deutschen Verfassungsschutz ist seit Anfang des Jahres eine verstärkte Hinwendung von AUF1 zu revisionistischen Inhalten zu beobachten. Im hauseigenen Pionier Verlag erschien etwa das Buch „Der vertuschte Völkermord an den Deutschen: Wie die Vernichtung nach 1945 weiterging …“. Bereits der Titel deutet eine Täter-Opfer-Umkehr an, im Klappentext ist NS-relativierend gar von einem „einmalige[n] Menschheitsverbrechen“ an den Deutschen die Rede. Die Behauptung, wonach dieses „vertuscht“ werde und das Buch „unterdrückte Geschichte“ an die Oberfläche hole, bedient zudem ein verschwörungsideologisches Narrativ. Als Autoren des Bandes sind Mario Kandil und Konrad Reisinger angegeben. Bei letzterem handelt es sich um ein Pseudonym des ehemaligen österreichischen Neonazi-Kaders Andreas Thierry.
Neben der wiederkehrenden Bewerbung des erwähnten Buchs finden sich im Programm von AUF1 weitere Beispiele für revisionistische und verschwörungsideologische Beiträge. So wurde ein Interview mit dem Wehrmachtsveteranen Wolf Dietrich Kroll ausgestrahlt, der über den Zweiten Weltkrieg und die „Schlacht um die Seelower Höhen“ berichtet und dabei ausführt: „Das war damals unser Empfinden. Wir haben unser Leben […] für Führer, Volk und Vaterland – heute ist es nicht mehr gewünscht – gegeben“.[2] Das Interview führte Roy Grassmann, der aus dem neonazistischen Umfeld stammt[3] und heute als AUF1-Reporter tätig ist. Noch 2022 posierte er in sozialen Medien mit einem einschlägigen Tattoo – dem in slawisch-heidnischen Kreisen, aber auch im Neonazismus verbreiteten Kolovrat (Sonnenrad) – auf der Brust.[4]
Auch Stefan Magnet äußert sich regelmäßig in revisionistischem Duktus. In einem Beitrag zum Jahrestag des Kriegsendes unter dem Titel „Vor 80 Jahren: Der vertuschte Völkermord und wie das System uns in Knechtschaft hält“ behauptet er unter anderem, „dass die Vernichtung der Deutschen gerade nach Ende des Krieges 1945 weiterging“[5]. Das Wissen darüber sei unterdrückt worden, da die Deutschen ansonsten „womöglich das Büßergewand abstreifen und zu Selbstbewusstsein und Patriotismus zurückfinden“ würden. „Das wollen die Globalisten unbedingt verhindern, denn die Deutschen sollen ewig ausgebeutet und manipuliert werden können.“[6] Diese Rhetorik bedient eine klassische revisionistische und antisemitische Erzählung, in der die Nachkriegsordnung als deutsche „Knechtschaft“ unter den „Globalisten“ dargestellt wird. Dementsprechend fordert AUF1: „Schluss mit dem Schuldkult“![7]
In zahlreichen weiteren Beiträgen versuchte AUF1 2025, deutsche Opferschaft ins Zentrum zu rücken – bei gleichzeitiger Ausblendung oder Relativierung der Schuld des nationalsozialistischen Deutschlands an Krieg und Vernichtung. So etwa in Interviews mit dem Völkerrechtler Alfred de Zayas[8] und Peter Wassertheurer.[9]
Zum Jahrestag der Befreiung Wiens vom Nationalsozialismus wiederum postete Magnet: „Die Systemmedien belügen uns von A bis Z. Warum sollten sie ausgerechnet bei der Geschichtsschreibung die Wahrheit sagen …“.[10] Rund eine Woche später legte er im selben Tonfall nach: „Sie haben es geschafft 80% über eine Pandemie zu belügen, obwohl die Fakten für jeden unmittelbar überprüfbar gewesen wären […]. Wie heftig wurden wir wohl über die Geschichte der letzten Jahrhunderte belogen, wo fast alle Zeitzeugen tot sind und sie nachträglich alles behaupten können …“[11]
Damit unterstreicht Magnet, dass die Verbreitung von Verschwörungsmythen in Kombination mit dem Hinweis auf vermeintlich verschwiegene Kapitel der Geschichte des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkriegs nicht zuletzt dem Zweck dienen, Zweifel an der historischen Wahrheit überhaupt zu sähen, die von Neonazis seit Jahrzehnten als „offizielle Geschichtsschreibung“ oder „Geschichtsschreibung der Sieger“ verfemt wird.
[1] Vgl. Bundesministerium des Inneren, Verfassungsschutzbericht 2024, Berlin 2025, https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/verfassungsschutzberichte/2025-06-10-verfassungsschutzbericht-2024.pdf, S. 92f.
[2] AUF1.tv, 24.4.2025, https://auf1.tv/nachrichten-auf1/weltkriegs-veteran-kroll-was-ich-merz-und-der-regierung-sagen-will (Video, Minute 1:10).
[3] Vgl. etwa taz.de, 18.9.2024, https://taz.de/Treffen-von-AfD-Politikern-mit-Neonazis/!6034283.
[4] Vgl. Rechercheplattform zur Identitären Bewegung, Twitter/X, 30.5.2022, https://x.com/IbDoku/status/1531186396341354497.
[5] AUF1.tv, 1.5.2025, https://auf1.tv/stefan-magnet-auf1/Vor-80-Jahren-Der-vertuschte-V%C3%B6lkermord-und-wie-das-System-uns-in-Knechtschaft-h%C3%A4lt (Video, Minute 4:00).
[6] Ebd. (Begleittext).
[7] AUF1.tv, 15.4.2025, https://auf1.tv/eilt/der-krieg-war-zu-ende-jedoch-nicht-das-sterben.
[8] Vgl. AUF1.tv, 28.4.2025, https://auf1.tv/auf1-spezial/voelkerrechtler-und-ex-un-beamter-de-zayas-zur-vertreibung-der-deutschen.
[9] Vgl. AUF1.tv, 8.5.2025, https://auf1.tv/auf1-spezial/historiker-rechnet-ab-vertreibung-der-deutschen-war-voelkermord.
[10] Stefan Magnet, Telegram, 13.4.2025, https://t.me/stefanmagnet/5491.





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