Lena Spanring: Beihilfe zur Desertion
Eine kritische Quellenanalyse
Dissertation an der Universität Klagenfurt
Nach dem Einmarsch NS-Deutschlands und der Sowjetunion in Polen im September 1939 implementierten beide Besatzungsmächte umfassende Deportationspolitiken. Über 700.000 Menschen waren auf beiden Seiten der Demarkationslinie von erzwungener Umsiedlung ins Generalgouvernement, nach Deutschland bzw. tief ins Innere der Sowjetunion betroffen. Sie wurden des Nachts aus den Betten geholt und mit minimalem Gepäck in Güterwaggons in die Ferne geschickt. Trotz oberflächlicher Gemeinsamkeiten hatten die Deportationen verschiedene Funktionen in beiden Besatzungszonen. Während die Sowjetunion die langfristige „Sowjetisierung“ Ostpolens und damit gewissermaßen die vollkommene Angleichung der Gebiete anstrebte, hatte die von Hitler geforderte „Germanisierung“ eine gänzlich andere Bedeutung. Der Holocaust ist vom direkten Vergleich auszuschließen, denn Ghettoisierung und schließlich Vernichtung der jüdischen Bevölkerung fanden nur unter deutscher Besatzung statt. Nichtsdestotrotz wird der Einfluss anderer Formen der Unterdrückung und Verfolgung ebenfalls in die Analyse miteinbezogen.
Die Untersuchung stützt sich auf deutsche und sowjetische Verwaltungsquellen sowie auf Zeitzeugenberichte. Sie analysiert einerseits die ausführenden Akteure und Institutionen und deren Rechtfertigungen, wobei die Diskrepanz zwischen ideologischen Zielsetzungen und praktischer Umsetzung eine wichtige Rolle spielt. Andererseits werden auch die Erfahrungen der Betroffenen untersucht sowie die Auswirkungen der Deportationen auf die polnische Gesellschaft. Durch die Analyse dieser verschiedenen Aspekte werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede nicht nur der jeweiligen Deportationspolitiken während der doppelten Besatzung Polens bis zum 22. Juni 1941 untersucht, sondern auch deren Bedeutung für diese Regime. Inwieweit sich die Deportationspolitiken NS-Deutschlands und der Sowjetunion in die Debatten über Totalitarismus sowie Migrationsgeschichte einordnen lassen, wird abschließend analysiert.
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