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"Zur Zeit": Heidentum statt "christliches Abendland"?

Neues von ganz rechts - Dezember 2016

Nachdem Zur Zeit, die Wochenzeitung aus dem Hause Mölzer, sich 2016 hingebungsvoll für die Wahl Norbert Hofers zum Bundespräsidenten engagiert (Laufen für den "Türöffner" - Die extreme Rechte im Präsidentschaftswahlkampf), begleitend dazu aber eher ruhigere Töne angeschlagen hatte, wartet die aktuelle Nummer (51/2016) wieder mit eindeutigeren Bekenntnissen auf. "Schläft Odin nur?", fragt die Titelseite. Zum Interview gebeten wird mit Pierre Krebs einer der umtriebigsten neofaschistischen Intellektuellen Europas, der zudem fest in das eurasische Netzwerk russischer und deutscher Neonazis integriert ist. 2012 propagierte er vor neonazistischen Kameradschaftern in Bonn einen "völkischen Sozialismus", der allein dem "derzeitigen Holokaust der Völker auf dem Altar des Multirassischen" Einhalt gebieten könne (www.mi.niedersachsen.de/download/77746/Verfassungsschutzbericht_2012.pdf). Im selben Jahr berichtete Krebs beim Jahrestreffen des von ihm gegründeten und geleiteten, neuheidnisch-rassistischen Thule-Seminars in Hessen über den ihm zufolge in Gang befindlichen "Krieg der Globalisten gegen die Völker, [...] des Nomadismus gegen die Verwurzelung, [...] des Geldes und der Handelsobjekte gegen das Blut und den Boden, [...] des Gleichheitswahnes, der Vermischung und der Auflösung gegen den Willen der Rasse, zur Kultur und zur Höherentwicklung" (www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/ns-apologetische-jahrestagung). 2013 bespielte Krebs ein Rechtsrock-Festival der NPD in Thüringen mit Ausführungen über Rassentheorien, referierte beim Neujahrsempfang der Thüringer NPD sowie auf einer Tagung der neonazistischen Europäischen Aktion (EA) in Genf, mit der das Thule-Seminar seit 2012 eng kooperiert. Nach Österreich führte Krebs zuletzt 2014 die "Politische Akademie" der Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik (AfP). 2015 trat Krebs, erneut in Thüringen, auf dem Bundesparteitag der Neonazi-Partei Der III. Weg und auf einem Sommerfest des NPD-Europaabgeordneten Udo Voigt auf – neben Voigt selbst, NPD-Obmann Frank Franz, Rigolf Hennig von der EA und der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck. 2016 wurde die aktuelle Ausgabe des vom Thule-Seminar alljährlich herausgegebenen Kalenders von der deutschen Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert (www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/thule-seminar-weiter-im-kampf). Ebenfalls heuer veröffentlichte Krebs die Broschüre "Was tun? Ein Vademecum der Reconquista", in dem er sein Konzept des "Rassenhumanismus" ausführt, "[d]ie rassische Identität des Blutes" gegen die "Finsternis des Rassentodes" und den "Ethnosuizid in einer hominiden Mischrasse minderer Qualität" beschwört und gegen "judäo-amerikanische Tyrannei" wettert. "Möge der Volksgeist endlich erwachen, die Kräfte sich bündeln, der Wille zur Tat reifen! Heil Deutschland!"

 

Solcherart als Interviewpartner von Zur Zeit qualifiziert, darf Krebs nun zum Jahresausklang dort für die "Achtung der völkerbiologischen Gesetzmäßigkeiten" plädieren. Sich selbst aus seiner 2009 gehaltenen Trauerrede für den deutschen Neonazi Jürgen Rieger zitierend, benennt er "den einzigen wahren Universalismus, den es gibt": "den Universalismus der universalen Verschiedenheiten". Krebs bricht eine Lanze für eine (neuheidnische) "indogermanische [...] Metaphysik" und gegen die "semitischen Religionen" mit ihren "rachsüchtigen, despotischen Gewaltherrn". Der Monotheismus stelle eine "bizarre Entartung des Geistes" dar. Dennoch zeigt Krebs sich gnädig: auch Judentum und Islam hätten "ihre Berechtigung", freilich nur "in ihrem angestammten geokulturellen Raum". Entgegen der kulturalistischen Mimikry anderer Rechtsextremer stellt Krebs klar, dass nicht Religion, sondern "die viel wichtigere gemeinsame biokulturelle Herkunft" der "Europäer" im Mittelpunkt ihres Verteidigungskampfes zu stehen habe. Die "Hauptgefahr" für deren "kulturelle und genetische Existenz" ortet er in der "neue[n] zivile[n] Religion des 'mammonistischen' Globalismus", dem Krebs "radikalen und unbeugsamen Widerstand" und den "Wille[n] zur Tat" entgegensetzen will (Zur Zeit 51/2016, S. 33 f.).

 

Den langen, titelgebenden Beitrag zum Schwerpunktthema der aktuellen Zur Zeit-Ausgabe hat Herausgeber Andreas Mölzer selbst beigesteuert. Dieser scheint dabei eine Abkehr von seinem langjährigen Projekt zu vollziehen, eine konservative Allianz zwischen deutsch-völkischen Rechtsextremen und den rechten Rändern der christlichen Kirchen zu schmieden. "Das Christentum als sakraler Kern des abendländischen Geistes scheint [...] dabei zu sein, seine Abdankung zu zelebrieren", schreibt Mölzer. Katholische wie protestantische Kirchenfunktionäre agierten als "theologische Kapitulanten" gegenüber "Political Correctness", Neuer Linker, dem "Hedonismus der Konsumgesellschaft" und dem "fundamentalistischen Zuwanderungsislam". Kirchenobrigkeiten verschrieben sich dem "'Kampf gegen rechts', gegen vermeintlichen 'Rassismus'" und "gemutmaßte Frauen- und Schwulenfeindlichkeit", engagierten sich für Geflüchtete statt "für die Erhaltung der historisch gewachsenen europäischen Völker" und gegen die "Massenzuwanderung". Angesichts des von Mölzer konstatierten "Scheitern[s] des Christentums" ortet der Autor "Platz für vergessen geglaubte Mythen" – für eine Rückbesinnung auf "die Beschwörung nationaler Größe" und "die germanischen Tugenden, auf die Idee von Kaiser und Reich und auf die großartige deutsche Geistesgeschichte", der bislang "die Gehirnwäsche von Umerziehung, Pflicht-Antifaschismus und Political Correctenss" entgegengestanden sei (ebenda, S. 37 ff.).

 

PS: 2016 erhielt Zur Zeit 49.083 Euro Vertriebsförderung aus öffentlichen Mitteln nach Presseförderungsgesetz (www.rtr.at/de/ppf/VertPFW2016/Ergebnis_der_Vertriebsf%C3%B6rderung_f%C3%BCr_Wochenzeitungen_im_Jahr_2016.pdf).

 

 

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