logo
logo

Quittner, Franz

Österreichische Stalin-Opfer (bis 1945)

A    B    C    D    E    F    G    H    I    J    K    L    M    N    O    P    Q    R    S    T    U    V    W    Z   

 

 

Name russisch: Квитнер Франц Алоизович

Geboren: 22.03.1904, Wien

Beruf: Physiker

Letzter Wohnort in Österreich: Wien

Ankunft in Russland/Sowjetunion: 10.08.1930

Wohnorte in der Sowjetunion: Moskau, Baku

Verhaftet: 07.03.1938, Moskau

Anklage: Spionage für Österreich

Urteil: 22.05.1938, Dvojka, Tod durch Erschießen

Gestorben: 31.05.1938, Butovo

Rehabilitiert: 08.08.1956, Militärkollegium des Obersten Gerichts

Emigrationsmotiv: KP-Emigration

Schicksal: erschossen

 

Franz Quittner wurde 1904 in Wien als Sohn eines Obsthändlers geboren. Er studierte Physik an der Wiener Universität, seine Dissertation (1927) behandelte Die elektrolytische Leitung des Glases bei hohen Feldstärken. Bis zur Ausreise aus Österreich 1930 war Quittner als Assistent am Physikalischen Institut der Universität Wien beschäftigt. Er war Gründungsmitglied des KJV, aktiv in der KJV-Organisation in Wien-Leopoldstadt, Obmann der Stadtleitung des KJV, von 1922 bis 1926 Mitglied des ZK des KJV und 1925-1927 dessen Vertreter im ZK der KPÖ. Im April 1926 wurde er in die KPÖ übernommen, er organisierte die Parteizelle Städtisches Gaswerk im 9. Bezirk in Wien. 1929 verbrachte er auf Einladung seines Freundes Friedl (Siegfried) Fürnberg, der damals in der Komintern arbeitete, zwei Wochen in Moskau. Bei dieser Gelegenheit organisierte sich Quittner einen Arbeitsplatz als Wissenschaftler beim Allsowjetischen Rat für die chemische Industrie. In Wien wurde sein Professor von der Polizei unter Druck gesetzt, Quittner zu entlassen. Im August 1930 übersiedelte Quittner nach Moskau.

 

Quittner arbeitete von 1930 bis 1932 im Institut für Lacke und Farben und leitete ab 1932 das Labor im Elektrotechnischen Institut. Er und seine Frau Dr. Genia (Eugenia) Lande erhielten am 20. April 1936 die sowjetische Staatsbürgerschaft. Quittner machte 1933 wichtige Erfindungen zur Isolation von Automobiltransformatoren, wofür er zusammen mit Kollegen 1934 und 1935 mit Geldprämien ausgezeichnet wurden. Quittner und sein Kollege K.A. Andrianov ließen ihre Erfindung 1936 patentieren. Im selben Jahr arbeitete Quittner an einem neuartigen Tiefseebohrer für die Ölindustrie und wurde nach Baku entsandt. Für diese Erfindung erhielten zwei Arbeitskollegen Quittners 1940 den Stalinpreis und die gemeinsame Prämie von 100 000 Rubel.

 

Franz Quittner wurde am 7. März 1938 wegen Spionage für Österreich verhaftet, am 22. Mai zum Tode verurteilt und am 31. Mai 1938 in Butovo bei Moskau erschossen.

 

Die KPÖ-Leitung in Moskau intervenierte mindestens fünfmal schriftlich für Quittner. Auf eine Petition von Genia Quittner verweigerten 1939 die Staatsanwaltschaft des Moskauer Gebietes und 1940 die Hauptstaatsanwaltschaft der UdSSR eine Überprüfung des Falles. Die KPÖ-Führer Koplenig und Fürnberg erfuhren im Mai 1940 aus dem Sekretariat Dimitrovs von der Hinrichtung ihres Freundes Quittner, mussten sich aber per Unterschrift zum Stillschweigen verpflichten. Aus dem Führungskreis der KPÖ erfuhr seine Frau 1941, ihr Mann sei "zugrunde gegangen".

 

Nach ihrer Rückkehr nach Wien erhielt Genia Lande-Quittner im Mai 1947 von der sowjetischen Abteilung des Alliierten Rates die Verständigung, ihr Mann sei am 16. November 1938 in der Sowjetunion verstorben. Ihre Eingabe vom 5. Juni 1956 an die Militärstaatsanwaltschaft Moskau führte zur posthumen Rehabilitierung ihres Mannes. Das zweite falsifizierte Todesdatum ihres Gatten (18.03.1943) erhielt sie im Februar 1957 vom österreichischen Roten Kreuz. Kurz vorher war Genia Lande-Quittner, eine Leiterin von Schulungskursen bei der KPÖ, anlässlich der ungarischen Ereignisse aus der Partei ausgetreten. Anlässlich des Gipfeltreffens Kennedy-Chruščev in Wien im Juni 1961 schrieb Genia Lande-Quittner an Chruščevs Frau, um das Todesdatum ihres Mannes und die Umstände seines Todes in Erfahrung zu bringen. Von ihr erfolgte keine Antwort, Genia Quittner erhielt lediglich eine vom österreichischen Roten Kreuz im November 1961 übermittelte sowjetische Bescheinigung, die eine Wiederholung der 1957 falsifizierten Angaben war. Ihr letzter Versuch - Genia Lande-Quittner starb 1989 - die Wahrheit herauszufinden, war eine im Sommer 1964 adressierte Eingabe an den sowjetischen Botschafter in Österreich, die ebenfalls erfolglos blieb. Auch der bekannte russische Physiker Felix (Isidorovič) Frankl (geb. 1905 in Wien), der Quittner aus der gemeinsamen Studienzeit in Wien kannte (Quittners Verhaftung hatte zu Frankls Parteiausschluss geführt), forderte 1956 in einem Brief an Chruščev vergeblich Aufklärung über das Schicksal des Freundes.

 

 

Quelle: DÖW, RGASPI, ÖStA, Familie, Parteiarchiv der KPÖ

 

Siehe auch Genia Quittner, Weiter Weg nach Krasnogorsk. Schicksalsbericht einer Frau, Wien u. a. 1971.

 

» nächste Biographie

Unterstützt von: