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Hans Eberhard Goldschmidt: Das Einzige, was man damals machen konnte

Hans Eberhard Goldschmidt, geb. 1908 in Wien, Buchhändler. Ab 1926 KPÖ, 1932 nach Moskau, Tätigkeit im Verlag für Literatur und Politik. 1937 zurück nach Österreich, illegale Arbeit für die Rote Hilfe. 1938 Exil in Großbritannien, 1940/41 Internierung in Australien.

1946 Rückkehr nach Österreich, 1946-Dezember 1947 Direktor im Globus Buchverlag, 1948-Ende 1957 Leitung des Schönbrunn Verlags. 1957 Austritt aus der KPÖ.

Verstorben 1984.

 

 

Meine erste Reaktion darauf, dass der Seyß-Inquart Innenminister wurde, war, dass ich einen neuen Pass beantragt habe. Aus meinem Pass war nämlich zu ersehen, dass ich in Russland gewesen war. [...] Das ging auch ganz leicht, ohne weitere Schwierigkeiten und Kontrolle habe ich einen neuen Pass bekommen, so dass ich dann im März einen österreichischen Pass gehabt habe, der vollkommen blütenrein war. Diese Pässe haben ja noch bis Ende 1938 gegolten, und ich bin mit diesem Pass auch im August 1938 ausgereist. Ich war ein Jahr in Wien, vom August 1937 bis August 1938. [...]

 

Ich war ein bisschen abgekoppelt, nachdem ich aus Russland zurückgekommen war, wurde aber behördlich nicht behelligt. Dann kam eben der März 1938. [...]

 

Ich habe Kontakt mit der Roten Hilfe gehabt; eigentlich mehr persönlich mit Leuten, die dort gearbeitet haben. Das war die Frau vom Berti Broda, Hilde Broda, und ein, zwei andere. Die Aufgabe, die wir gehabt haben, war, Leute herauszubringen. Das war eigentlich das Einzige, was man damals nach dem Nazi-Umsturz machen konnte. Meine engsten Freunde waren der Berti Broda und der Otto Kreilisheim, und ich erinnere mich, dass wir einander damals, an dem Sonntag, dem 13. März, im Schönborn-Park [...] getroffen haben. Der Berti Broda hatte damals die Möglichkeit, zu einer Tagung nach London zu fahren, zu einer wissenschaftlichen Tagung, zu der er sowieso hingefahren wäre. Er war der Erste, der weggefahren ist. Wir haben keine Chance, keine Grundlage gehabt, irgendwohin zu fahren, keine Verbindungen im Ausland. Ich habe auch überhaupt nicht die Absicht gehabt zu emigrieren, ich war doch gerade erst zurückgekommen. [...]

 

Die politische Tätigkeit, also die illegale, die ich entfaltet habe, war ausschließlich, Leuten zu helfen herauszukommen. Die österreichischen Pässe waren noch gültig, man brauchte lediglich einen Stempel, dass die Ausreise bewilligt ist. Dieser Stempel wurde von irgendeinem Geheimdienst der KP gefälscht. Damit habe ich nichts zu tun gehabt, aber ich habe die Pässe von diesen Leuten, die ausreisen sollten, genommen und sie dann weitergegeben. Ich habe nur ein, zwei Leute gekannt. Dann habe ich sie wieder mit dem Stempel zurückbekommen und weitergegeben. Das war eine reine Zwischenvermittlung. So haben wir einer ganzen Reihe von Leuten, die gefährdet waren und rauskommen mussten, geholfen. Einige habe ich gar nicht gekannt, aber an zwei Leute erinnere ich mich noch, die ich auch persönlich sehr gut gekannt habe. Der eine war Ernst Zipper, der andere war Erwin Skalka, der dann nach dem Krieg beim Weltgewerkschaftsbund gearbeitet hat. [...] Alle sind glatt mit diesem Stempel hinausgekommen. Aber das war das Einzige, was man damals machen konnte, von einer illegalen politischen Tätigkeit konnte keine Rede mehr sein.

 

Dann sind bereits jene weg gewesen, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Ich habe persönlich überhaupt keinen Kontakt mehr mit einem Parteiapparat oder Parteileuten gehabt. Plötzlich erhielt ich einen Brief von Berti Broda aus London, in dem er mir mitteilte, sein Kollege, der Chemiker Dr. Kendal, ein Engländer, möchte für seine beiden Söhne einen Deutschlehrer für die Sommerferien haben. Dieser lädt mich ein, nach England zu kommen und seine beiden Söhne Deutsch zu unterrichten und bei ihm zu wohnen. Ich habe das eigentlich naiverweise wörtlich genommen und geglaubt, dass der das wirklich will, dabei war das nur ein Gefälligkeitsbrief von Dr. Kendal. [...] Ich habe mir über die englische Gesandtschaft ein Visum verschafft, was gar nicht so leicht war, weil damals wurde das Visum eingeführt, um eben den Strom der Emigranten abzuhalten, und die Engländer wollten sich abschirmen. [...]

 

Eine kuriose Sache: Ich war ja damals auf "Ariernachweis" und solche Sachen gefasst, das war üblich. Aber ausgerechnet auf der englischen Gesandtschaft haben sie mich nach einem "Ariernachweis" gefragt. Als Beweis, dass ich nicht ein Emigrant bin, der ihnen dort zur Last fällt, dass ich zurückkommen kann. Außer diesem Ausreisestempel brauchte ich eine Bestätigung von der Deutschen Wehrmacht, wo bestätigt wird, dass man nicht einberufungspflichtig ist. Denn die haben doch systematisch die Leute einberufen. Aber ich bin offiziell nur auf Urlaub nach England gefahren. Ich musste in die Falkestraße gehen, wo die Verwaltung der Wehrmacht untergebracht war, und mir eine Bestätigung holen. Sie haben hineingeschrieben - mein Jahrgang kam damals überhaupt nicht in Frage -, dass ich vom 15. August bis zum 15. Oktober ausreisen darf.

 

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