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Emanuel Edel: Sozusagen der Lehrbub

Emanuel Edel, geb. 1910 in Wien. Verband Sozialistischer Studenten Österreichs, nach den Februarkämpfen 1934 KPÖ, im selben Jahr Promotion, praktischer Arzt. 1937 Spanien (unter dem Namen Emanuel Lustig), dort als Frontarzt tätig. 1939-1942 Internierung in Frankreich (St. Cyprien, Gurs, Le Vernet, Septfond), angeklagt wegen "Hochverrats", Flucht, unter dem Namen "Roger Dumaine" bei den Francs-Tireurs et Partisans Français (kommunistische Organisation innerhalb der französischen Widerstandsbewegung) aktiv, ab Jänner 1945 beim Österreichischen Freiheitsbataillon in Jugoslawien.

Nach Kriegsende Polizeiarzt, stellvertretender Chefarzt der Polizeidirektion Wien. Präsident des Bundesverbandes österreichischer Widerstandskämpfer und Opfer des Faschismus.

Verstorben 1991.

 

 

Ich war dann in den so genannten Frontspitälern. Da war ein Spital - in Villareja de Henares -, unter sehr schwierigen Bedingungen, Tag und Nacht wurde bombardiert, es stand sogar unter Maschinengewehrbeschuss - weswegen man die Verwundeten in der Nacht hinaustragen hat müssen. Ich habe dort Tag und Nacht gearbeitet und kaum geschlafen. Wenn ich zurückdenke, was ich da in Wien gelernt habe, war nicht zu gebrauchen. Da sind auch für mich als Arzt schwere Probleme entstanden. Ich habe nicht gewusst, wie man ein zertrümmertes Bein amputieren kann. Wann habe ich das gelernt? Ich habe ungefähr gewusst, wo die Arterien laufen. Und da habe ich sehr viel von einem Team englischer Ärzte und Schwestern gelernt. Ich war dort sozusagen der Lehrbub. Wir sind einmal 72 Stunden in ständigem Einsatz gestanden, bei Bombardierung ohne Licht - bei Kerzenlicht haben wir gearbeitet, ständig Hände waschen und zum Nächsten. Können Sie sich das vorstellen? Drei Tage und drei Nächte bin ich in dem Operationssaal gestanden. Ein Auge habe ich jemandem herausgenommen, an Schädeloperationen habe ich mitgeholfen, Bauchoperationen - die Verwundeten sind damals noch alle zugrunde gegangen, man hat später erst gelernt, wie man Bauchverletzungen retten kann. Penicillin hat es damals nicht gegeben. Sie können sich das nicht vorstellen. Manchmal wurde uns zugeflüstert: "Tut alles, was ihr könnt. Das ist ein Genosse, das ist ein führender Kader, den muss man retten." Nicht dass Unterschiede gemacht wurden, aber manchmal wurden wir darauf aufmerksam gemacht, und es wurde gesagt: "Wirklich, da müsst ihr aufpassen, der muss gerettet werden." Manche Operationen konnten wir gar nicht machen, die Verwundeten mussten weitergeschickt werden. Nachdem ich im Operationssaal gearbeitet habe, habe ich dann noch zu entscheiden gehabt, welcher wird hier behalten, welcher wird operiert, welcher kommt in das nächste Spital, wo auch ein Röntgen ist. Ich habe dort sehr viel Erfahrung gesammelt in diesen paar Wochen, die ich in dem Spital war. [...] Ich musste entscheiden, leicht, mittel, schwer, operieren, evakuieren, hier lassen. Und nach so einem Tag habe ich mich gefragt: Habe ich es richtig gemacht? Wen habe ich zum Tod verurteilt? Wen habe ich gerettet? Das ist ja nicht so einfach, aber das lernt man. Man wird dann ein bisschen erfahrener. Da war ein Kommandant - den Namen habe ich vergessen -, der hatte auch ein zerschossenes Bein und hat gesagt, er will sofort zurück an die Front, man brauche ihn, hat eine Zigarette genommen, und er will sich nicht evakuieren lassen. Da haben wir lange diskutiert. Mit Gewalt haben wir ihn an die Tragbahre fesseln müssen. Das Bein musste amputiert werden. Ich bin ihm dann später im Hinterland begegnet, da sagte er: "Du hast verhindert, dass ich den Kumpeln dort helfe." [...]

 

Es war ja für mich damals ein schreckliches Erlebnis - ich meine, man kann das Heldische hervorheben, aber es war furchtbar für mich. Schauen Sie, durch meine Erziehung und durch meinen Beruf möchte ich mich als Humanisten bezeichnen. Und mein Weg zum Sozialismus und Kommunismus - auch wenn da schreckliche Sachen passieren in einer Revolution oder unter Stalin usw., die bringen mich nicht ab von der rein theoretischen Auffassung, der Sozialismus als Gesetz schaffe eine bessere Ordnung und hat den Zweck, eine humanere Gesellschaft herbeizuführen. Das klingt wie eine Phrase und ist theoretisch, aber mich haben solche Dinge furchtbar entsetzt, das Sterben, der Kot, diese furchtbaren Verhältnisse, das Nicht-Helfen-Können. Ich war ein junger Arzt, ich war furchtbar verzweifelt. Dabei war ich nicht einmal die ganze Schlacht am Jarama dort, sondern nur zehn Tage, glaube ich, Ende Februar war das ungefähr. Wir wurden zurückgezogen und kamen zunächst hinunter nach Villareja, wo das Spital war. Wir mussten uns reorganisieren - die Bataillone haben manchmal im Offiziersstand fast alles verloren, die Hälfte ihrer Kader. Nicht alle tot, aber verletzt. Und so kamen Spanier. Das Verhältnis zu ihnen war damals, wenn ich es von meiner Warte aus betrachte, ein überaus herzliches und gutes.

 

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