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Theodor Heinisch: Gezwungenermaßen gegangen

Theodor Heinisch, geb. 1908 in Wien, Angestellter. 1934 freigewerkschaftlicher Vertrauensmann. Nach dem Februar 1934 Anschluss an die KPÖ, Mitbegründer der im Untergrund wirkenden Freien Angestelltengewerkschaft. Als gewählter Betriebsvertrauensmann Mitverfasser der Denkschrift, die im Frühjahr 1937, mit den Unterschriften von etwa 100.000 Arbeitern versehen, der Regierung Schuschnigg übermittelt wurde (mit Forderungen der Arbeiterschaft als Voraussetzung für eine Verteidigung der Unabhängigkeit Österreichs). Haft vom 13. Dezember 1939 bis Februar 1941. 13. Juli 1942 wegen "Nichtanzeige drohender Verbrechen" zu 10 Monaten Gefängnis verurteilt, die Strafe war durch die Untersuchungshaft verbüßt. Im Verwaltungsbereich der Kriegsmarine tätig.

Nach 1945 Sekretär, Funktionär der KPÖ, der FIR und des Bundes österreichischer Widerstandskämpfer und Opfer des Faschismus.

Verstorben 1998.

 

 

Wie die Leute auf den Heldenplatz getrieben worden sind, bin ich nicht mitgegangen, aber in der ganzen Weltöffentlichkeit das Bild: Der volle Heldenplatz. Meine Frau wohnte damals auf der Wieden, wir waren noch nicht verheiratet, und wir haben uns angeschaut, was in den Gassen geschieht. Da haben sie von draußen Lastwagen voll mit SA-Leuten hereingebracht. Die Leute sind von der Kundgebung wie von einer Trauerkundgebung heimgegangen. Auf der Favoritenstraße sind sie nicht marschiert, sondern auf den Trottoirs gegangen, und auf der Straße sind die Lastautos mit der SA und der Hakenkreuzfahne gefahren, und sie haben hinuntergeschrien: "Heil Hitler" usw.; das Echo war null, die Leute sind dort halt gezwungenermaßen gegangen. Vom Betrieb weiß ich es auch, die waren alle keine Nazis.

 

Am nächsten Tag nach dem Einmarsch wollten mich die Kollegen trösten, ich geniere mich heute nicht, dass ich damals geweint hab. [...] Ich hab gesagt: "Kinder, mich braucht ihr jetzt nicht trösten, in den nächsten zwei Jahren werden wir am Ende der Welt sitzen, gehasst wie die Pest, als Besatzung!" Und es hat keine zwei Jahre gedauert und der Krieg war da.

 

Damals habe ich was erlebt, was mich in den dunkelsten Stunden unseres Landes nicht den Glauben verlieren ließ, dass nämlich der Großteil der Menschen anständig ist. Ich werde plötzlich in der Firma [Erste Allgemeine Versicherung] zur Kassa gerufen, und dort liegt eine Anweisung von dem getauften jüdischen Generaldirektor, der selber später in einer Gaskammer umgekommen ist, mit dem ich so viele Hühnchen gerupft hab, eine Anweisung auf 400 Schilling, damit ich weg kann. Was ist geschehen? Einer meiner Kollegen ist mit einem zweiten runter zum Generaldirektor, und die haben gesagt: "Herr Generaldirektor, der Heinisch muss weg, dem müssen wir helfen." Sagt er: "Meine Herrn, was soll ich dabei tun?" "Na ja, der braucht Geld." Der hat drauf gesagt: "Sie kennen meine Situation als getaufter Jude hier, aber ich habe nichts dagegen, wenn einer von Ihnen sich einen Gehaltsvorschuss nimmt, über dessen Rückzahlung wir jetzt nicht reden wollen." Worauf mein Kollege sofort gesagt hat: "Ja, ich nehme einen Vorschuss." Das waren die 400 Schilling, die bei der Kassa gelegen sind. Ich bin nach drei Wochen zurückgekommen und hab das Geld zurückgebracht, weil ich meine Stellung wieder hatte. [...]

 

Ich hab zunächst einmal alle illegalen Verbindungen unterbrochen, ein Teil der Leute wurde ja verhaftet, z. B. Hillegeist, Horn. Mich haben sie in Ruhe gelassen, ich habe das Glück gehabt, dass ich den Nazis noch zu wenig bekannt war, denn wie sich später bei Kriegsbeginn herausgestellt hat, haben sie alle, die sie gekannt haben, gleich kassiert.

 

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